Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
Den neuen Regelungen zufolge sind Hinweisgeber künftig im beruflichen Umfeld vor Repressalien geschützt, wenn sie Korruption, Betrügereien oder andere Missstände in Unternehmen oder Behörden melden. Auch Whistleblower, die verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit melden, fallen unter den gesetzlichen Schutz. Es gibt jedoch keine Pflicht mehr, dass die vorgesehenen Meldestellen auch anonyme Anzeigen bearbeiten müssen. Bei Bußgeldern wurde die Obergrenze von 100.000 Euro auf 50.000 Euro heruntergesetzt.
Das Gesetz weise „ärgerliche Lücken“ auf und verstoße „in Teilen gegen europarechtliche Vorgaben“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel in Berlin. Es bringe leider nicht den erforderlichen wirksamen Schutz für Hinweisgeber. Stattdessen gebe es nun mehr Rechtsunsicherheit für diejenigen, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse auf Missstände hinweisen, so Piel. Es verstoße zum Beispiel gegen EU-Vorgaben, dass Hinweisgebende kein Schmerzensgeld erhalten sollen. „Das ist besonders fatal, da Hinweisgebende häufig extremen Druck und Mobbing ausgesetzt sind – also gerade Schäden erleiden, die sich nicht materiell bemessen lassen“, so Piel.
Nicht ausreichend für den Journalismus
„Das Hinweisgeberschutzgesetz stellt einen Meilenstein für den Whistleblowerschutz in Deutschland und eine Verbesserung gegenüber dem prekären Status quo dar. Das Ziel, die Rechte von Whistleblowern umfassend zu stärken, verfehlt es jedoch an einigen Stellen. Der Bedeutung von Whistleblowing für den Journalismus und damit den öffentlichen Diskurs wird es ebenso wenig gerecht“, so die Quintessenz des Geschäftsführers von Whistleblower-Netzwerk, Kosmas Zittel.
Zweifelsohne sehe das Gesetz wichtige Verbesserungen für Whistleblower vor, wenn sie Straftaten oder bestimmte Ordnungswidrigkeiten melden, erklärt das Whistleblower-Netzwerk. Dazu gehöre, dass künftig der Arbeitgeber beweisen muss, dass eine Repressalie nicht mit dem Whistleblowing im Zusammenhang stehe („Beweislastumkehr“). Bislang habe der Betroffene belegen müssen, dass sein Whistleblowing der Grund für die Benachteiligung war – in der Praxis sei das fast unmöglich.
Zur Habenseite gehöre auch, dass Whistleblower frei wählen könnten, ob sie sich unmittelbar an eine staatliche („externe“) Hinweisgeberstelle oder zunächst an eine beim Arbeitgeber angesiedelte („interne“) wenden („Wahlfreiheit“). „Bislang galt ein Vorrang für interne Meldungen.“ Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten müssen interne eine Meldestelle einrichten, an die sich Whistleblower vertraulich wenden können.
Zur Negativseite des Gesetzes zählt das Whistleblower-Netzwerk, das der Schutz nur auf Hinweise zu Straftatbeständen und bestimmte Ordnungswidrigkeiten beschränkt ist. Erhebliches Fehlverhalten oder Missstände unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße seien pauschal ausgenommen. Dabei würden Whistleblower u.a. auch auf staatliche Regelungs- und Kontrolllücken aufmerksam machen. Auch bei Meldungen von Rechtsverstößen, wenn es sich dabei um Angelegenheiten der nationalen Sicherheit oder Verschlusssachen handelt, seien Hinweisgeber*innen nicht geschützt.
Journalistische Arbeit werde durch diese Ausnahmetatbestände und die engen Vorgaben für öffentliches Whistleblowing erschwert. Offenlegungen gegenüber den Medien seien nur in wenigen Ausnahmefällen geschützt, v.a. bei einer „unmittelbare[n] oder offenkundige[n] Gefährdung des öffentlichen Interesses“ (§ 32 HinSchG). „Gravierende Missstände werden so weiterhin nur in Ausnahmefällen ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Die Chance, die Pressefreiheit und damit den demokratischen Diskurs zu stärken, wurde verpasst“, bemängelt Rechtsanwalt Klaus Bergmann, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand von Whistleblower-Netzwerk.