Dies waren die Stunden der Extreme – bei den Handelnden, von denen wir immer noch wenig wissen, wie bei den Zuschauern, bei den Opfern wie bei den Beobachtern und Kommentatoren. Auch Journalismus ist in solchen Momenten vor seine Existenzfrage gestellt, hat sich schnell und spontan zu bewähren, hat dem schnellen Bericht und der möglichst umfassenden Information so bald wie möglich Analyse, Einordnung, Hintergrund, Menschlichkeit und – zumindest in einem gewissen Maß – auch eigene Haltung folgen zu lassen.
Dafür haben wir in den letzten beiden Wochen großartige Beispiele erlebt, viele Medien haben eine außerordentliche Vielfalt an Meinungen, an Kommentaren, an Informationen, an Reflexion, an bewegenden und informierenden Bildern und Artikeln zusammengetragen.
Das sei hier ausdrücklich betont, weil es wieder auch das Gegenteil, weil es Hetze, Vorverurteilungen, Manipulationen, unbewiesene Behauptungen und üble Stimmungsmache gegeben hat – auch dies quer durch die Genres und Medien. Nicht ohne Grund erinnerte der Presserat an die Einhaltung der publizistischen Grundsätze des Pressekodex und forderte: „Medien sollen besonnen und kritisch bleiben“ – schon in den ersten Tagen gingen dort die ersten sehr berechtigten Beschwerden ein, die nun der sorgfältigen Prüfung bedürfen. „Trotz der verständlichen emotionalen Betroffenheit darf die Berichterstattung in Wort und Bild ihre professionelle kritische Distanz nicht verlieren“, mahnt der Presserat. Und der Bundesvorstand der dju – der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di – appelliert an alle Medien, „trotz aller Betroffenheit nicht in Kriegsrhetorik zu verfallen und Feindbildern Vorschub zu leisten. Verdachtsmomente, Gerüchte und Vermutungen sind als solche kenntlich zu machen. Die Quellen der Berichterstattung sollten stets benannt werden.“
Die dju ist aber auch besorgt über den Missbrauch, der unter dem Vorwand der gerechten Empörung Grundsätze der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit, des Datenschutzes und der Informationsfreiheit in all ihren Facetten, auch der informationellen Selbstbestimmung in Frage stellt oder einzuschränken versucht. „Die dju warnt ausdrücklich davor, unter dem Eindruck terroristischer Verbrechen die erreichte Meinungsvielfalt in den Medien und die entwickelte Kommunikationskultur zu beschädigen.“
Die nebenstehende Meinungskolumne – nach der Beobachtung der ersten Tage nach der Attacke geschrieben – spießt einige dieser medialen „Ausrutscher“ kritisch auf – und den Missbrauch, der im Namen einer gerechten Empörung mit Grundsätzen der Presse- und Meinungsfreiheit getrieben wird. Hier ist weiter viel Wachsamkeit nötig – es geht auch für die Journalisten an die Substanz.