Keine Kriegsrhetorik – und die Meinungsvielfalt nicht beschädigen!

Dies waren die Stunden der Extreme – bei den Handelnden, von denen wir immer noch wenig wissen, wie bei den Zuschauern, bei den Opfern wie bei den Beobachtern und Kommentatoren. Auch Journalismus ist in solchen Momenten vor seine Existenzfrage gestellt, hat sich schnell und spontan zu bewähren, hat dem schnellen Bericht und der möglichst umfassenden Information so bald wie möglich Analyse, Einordnung, Hintergrund, Menschlichkeit und – zumindest in einem gewissen Maß – auch eigene Haltung folgen zu lassen.

Dafür haben wir in den letzten beiden Wochen großartige Beispiele erlebt, viele Medien haben eine außerordentliche Vielfalt an Meinungen, an Kommentaren, an Informationen, an Reflexion, an bewegenden und informierenden Bildern und Artikeln zusammengetragen.

Das sei hier ausdrücklich betont, weil es wieder auch das Gegenteil, weil es Hetze, Vorverurteilungen, Manipulationen, unbewiesene Behauptungen und üble Stimmungsmache gegeben hat – auch dies quer durch die Genres und Medien. Nicht ohne Grund erinnerte der Presserat an die Einhaltung der publizistischen Grundsätze des Pressekodex und forderte: „Medien sollen besonnen und kritisch bleiben“ – schon in den ersten Tagen gingen dort die ersten sehr berechtigten Beschwerden ein, die nun der sorgfältigen Prüfung bedürfen. „Trotz der verständlichen emotionalen Betroffenheit darf die Berichterstattung in Wort und Bild ihre professionelle kritische Distanz nicht verlieren“, mahnt der Presserat. Und der Bundesvorstand der dju – der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di – appelliert an alle Medien, „trotz aller Betroffenheit nicht in Kriegsrhetorik zu verfallen und Feindbildern Vorschub zu leisten. Verdachtsmomente, Gerüchte und Vermutungen sind als solche kenntlich zu machen. Die Quellen der Berichterstattung sollten stets benannt werden.“

Die dju ist aber auch besorgt über den Missbrauch, der unter dem Vorwand der gerechten Empörung Grundsätze der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit, des Datenschutzes und der Informationsfreiheit in all ihren Facetten, auch der informationellen Selbstbestimmung in Frage stellt oder einzuschränken versucht. „Die dju warnt ausdrücklich davor, unter dem Eindruck terroristischer Verbrechen die erreichte Meinungsvielfalt in den Medien und die entwickelte Kommunikationskultur zu beschädigen.“

Die nebenstehende Meinungskolumne – nach der Beobachtung der ersten Tage nach der Attacke geschrieben – spießt einige dieser medialen „Ausrutscher“ kritisch auf – und den Missbrauch, der im Namen einer gerechten Empörung mit Grundsätzen der Presse- und Meinungsfreiheit getrieben wird. Hier ist weiter viel Wachsamkeit nötig – es geht auch für die Journalisten an die Substanz.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Initiative: KI besser nutzbar machen

Der Dominanz der globalen Big-Tech-Konzerne etwas entgegensetzen – das ist das Ziel einer Initiative, bei der hierzulande zum ersten Mal öffentlich-rechtliche und private Medienanbieter zusammenarbeiten. Sie wollen mit weiteren Partnern, vor allem aus dem Forschungsbereich, ein dezentrales, KI-integriertes Datenökosystem entwickeln. Dadurch soll die digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Medienstandorts gestärkt werden.
mehr »

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »