Stiftungen kümmern sich um journalistische Recherche- und Bildungsarbeit
„Die Zukunft des (investigativen) Journalismus” war die Medienversammlung 2014 überschrieben, die von der Medienkommission der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen (LfM) zusammen mit der „Initiative Qualität im Journalismus IQ”, zu der auch die dju gehört, und dem Recherche-Förderprojekt „Investigate!” am 1. Juli in Düsseldorf veranstaltet wurde.
David Schraven, bis vor wenigen Wochen noch leitender Rechercheredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), nutzte die Tagung zur Vorstellung des jüngsten investigativen Start-Ups, der gemeinnützigen Rechercheredaktion „Correct!v”. Die Zukunft seines investigativen Journalismus sieht Schraven in einer freien Redaktion, die von Stiftungsgeldern und Leserspenden finanziert wird. „Correct!v” will „Recherchen für die Gesellschaft” umsetzen und ein Bildungsprogramm anbieten, dass die Bürger informations- und transparenzmündiger machen soll. Finanziert wird die Redaktion in Essen zunächst drei Jahre mit je einer Million Euro von der Brost-Stiftung einer der beiden früheren Besitzerfamilien des Verlagskonzerns WAZ. Aus diesem ist inzwischen die Funke Mediengruppe geworden, im Besitz der zweiten Gründerfamilie um Petra Grotkamp. Mit dem Stiftungsgeld, einst im Verlag erwirtschaft, sollen jetzt arbeitsaufwändige Geschichten erzählt werden, die sich Medien heute nicht mehr leisten. In Kooperationen sollen sie an Verlage, Blogs sowie Radio und Fernsehen weitergereicht werden – kostenlos.
Um noch eine Stiftung ging es in der Auftaktdiskussion. Nach dem neuen Landesmediengesetz für Nordrhein-Westfalen, das kurz nach der Medienversammlung am 3. Juli vom Landtag beschlossen wurde, soll sie „die Vielfalt und Qualität von Journalismus im lokalen und regionalen Raum fördern”, erklärte der Vorsitzende der LfM-Medienkommission Werner Schwaderlapp. Die LfM wird die Federführung übernehmen. Wie das aussehen könnte ohne die Konkurrenzprobleme zu provozieren, um die es schon aufgeregte Diskussionen gab, soll eine Konferenz im Herbst genauer definieren. Auf jeden Fall, so Schwaderlapp, müsse sie „staatsfern, wettbewerbsneutral, gemeinnützig” sein.
Über den „Journalismus unter digitalen Vorzeichen” haben Volker Lilienthal (Universität Hamburg) und Stephan Weichert (Makromediea Hochschule Hamburg) im vergangenen Jahr im Auftrag der LfM ausführlich geforscht. Erste Ergebnisse stellten sie vor, die gesamte Ausarbeitung soll im Herbst veröffentlicht werden. Als ein Resümee erscheint darin eine gewachsene Einsicht der Redaktionen, sich dem Leser digital mehr öffnen und das Feedback als wichtigen Teil der Arbeit werten zu müssen. Die Umsetzung sei vielerorts aber noch wenig professionell und werde den vielfältigen Möglichkeiten des Internets zu wenig gerecht.
Mangelnde Bindung zu den Lesern und Geringschätzung der Lokalredaktionen beklagte Alexander Völkel, früher Redaktionsleiter bei der inzwischen ohne eigene Redaktion auskommenden Westfälischen Rundschau als Grund für die nachhaltige Leserenttäuschung im Ruhrgebiet. Das Gegenteil ist das Ziel der „Nordstadtblogger” von ehemaligen Mitarbeitern der Westfälischen Rundschau. Der Lokalblog, den die „Nordstadtblogger” derzeit ehrenamtlich gestalten, soll nun zur Existenzgrundlage für die Macher ausgebaut werden, während die Redakteure noch von der Abfindungs-Lohnfortzahlung profitieren. Denn: „Lokale Inhalte sind es, die zu monetarisieren sind”, sagte Völkel. Mit ihm diskutierten Lutz Feierabend vom Kölner Stadtanzeiger, der gespannt ist auf die Akzeptanz der frisch eingeführten Bezahlschranke, und Ulli Tückmantel, der gerade die halbe Redaktion der Westdeutschen Zeitung abbaut.
Quer durch die Veranstaltung und besonders lebhaft in der Abschlussrunde zog sich die Diskussion, was denn eigentlich Journalismus qualitativ hochwertig mache. Tiefe? Schnelligkeit? „Ausgeruhtere Artikel” (Christian Fahrenbach von den derzeit omnipräsenten „Krautreportern”)? Ethische Fundierung? Der gesellschaftliche Auftrag? Oder die Ausrichtung an den Wünschen der Leser, wie es der Düsseldorfer Professor Gerhard Vowe energisch befürwortete, denn „Millionen Bildzeitungsleser müssen auch eingebunden werden”, und es der frühere Stern-Chefredakteur und Sprecher von „Investigate!” Klaus Liedtke ebenso heftig beklagte wegen der Tendenz der Medien „sich am unteren Massengeschmack zu orientieren”.„Journalismus ist nicht nur Wirtschaftsgut, sondern auch Kulturgut”, unterstrich Marlies Prinzing von der Makromedia Hochschule Köln, und Ulrike Kaiser von der Initiative Qualität forderte: „Aus und Weiterbildung ist das Thema der Zukunft. Bei Verlagen ist es zu untergeordnet, deshalb ist auch das eine Aufgabe für die neue Stiftung.”
https://www.correctiv.org/
http://nordstadtblogger.de
www.lfm-nrw.de/
www.initiative-qualitaet.de
www.investigate-ev.net