Kulturverfall in den Zeitungen stoppen

Diskussion in Frankfurt über linken Journalismus

„Linker Journalismus – gibt’s den noch?“, fragte der Frankfurter Ortsvorstand der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Der langjährige Korrespondent der „Frankfurter Rundschau“ Eckart Spoo antwortete im Club Voltaire vor vollem Saal. An Beispielen aus der aktuellen Berichterstattung machte er deutlich, dass Journalistinnen und Journalisten heutzutage mehr denn je darum kämpfen müssen, ihre Unabhängigkeit zu erhalten.

Der Saal im Club Voltaire, traditioneller linker Szenetreff in der Frankfurter Innenstadt, war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Die Not aufgrund der aktuellen Entlassungswellen in den Zeitungen und Zeitschriften ist groß. Demzufolge entdecken Frankfurter Journalisten die Gewerkschaft, die vielerorts jahrelang als etwas verstaubter Traditionsverein weitgehend ignoriert wurde, wieder. „Mehr Leute auf dem Podium, als im Publikum“, wurde noch vor kurzem gewitzelt. Jetzt gibt es krachend volle Säle. Der Frankfurter dju-Ortsvorstand hatte Eckart Spoo, Herausgeber der Berliner Zeitschrift „Ossietzky“, die sich als Nachfolge der antifaschistischen „Weltbühne“ in der Weimarer Republik versteht, eingeladen. „Linker Journalismus – gibt’s den noch?“, so der Titel der Veranstaltung. Eckart Spoo bemerkte zunächst, dass er „perplex“ über die Fragestellung der Kollegen sei. Denn dies deute darauf hin, dass es schlecht um den Journalismus bestellt sei. Linker Journalismus sei ganz einfach zu definieren, so Spoo: „Für unten, gegen oben; für Arbeit, gegen Kapital; für Frieden, gegen Krieg.“ Sodann hagelte es Beispiele für den Kulturverfall in den Zeitungen. Kriege würden selbst in linksliberalen Zeitungen herbeigeschrieben. Auf Parteitagen hielten sich Journalisten oft nicht lange auf.

Zu wenig hinterfragt

Die kurze Pressemitteilung, von oben nach unten konzipiert, werde bisweilen gar kritiklos übernommen. Auf Pressekonferenzen würden meist nur noch Verständnisfragen gestellt, aber keine Zusammenhänge hinterfragt. Vor allem der Glaubenssatz „Es muss gespart werden“ werde von Journalisten zunehmend unhinterfragt repetiert, erläuterte Spoo. Dabei heiße Sparen in den meisten Fällen keineswegs, dass Geld für schlechtere Zeiten in den Sparstrumpf zurückgelegt werde: „Es wird weggenommen, von unten nach oben umverteilt.“ Die Aufgabe der Journalisten aufzudecken: „Wer hat Interesse, dass gespart wird und zu welchem Zweck?“ werde meist vernachlässigt. Das Dogma, das in den meisten Zeitungen gelte, dass der Kapitalismus nicht hinterfragt werden dürfe, sei angesichts, der Verhältnisse, die er, Spoo, derzeit in Ostberlin registriere, geradezu absurd: Bäder, Bibliotheken und andere öffentliche Institutionen, die in der DDR Bestand hatten, würden derzeit geschlossen. In der Fernsehberichterstattung über den 11. September seien Bilder transportiert worden, die – nach Eckart Spoos Ansicht – den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten. So sei in einer Monitor-Ssendung aufgedeckt worden, dass jene Bilder von jubelnden Palästinensern, die mit den einstürzenden Türmen konterkariert wurden, durch das Verteilen von Süßigkeiten und Kuchen hervorgerufen worden seien. Eine Entschuldigung habe es niemals gegeben.

Kritische Recherche

Spoo bemängelte die zunehmende Konzentration der Verlegermacht und den damit einhergehenden Abbau der inneren Pressefreiheit. Aus dem Publikum meldete sich Hardy Krampertz, Mitglied des bundesweiten Attac-Rats, zu Wort, und beklagte, dass mehrere Veranstaltungen von Attac, mal von 500 Leuten, mal von 300 Leuten besucht, von der Frankfurter Rundschau schlichtweg ignoriert worden seien.

„Ist die Situation für unabhängige Journalisten in ihrer Berichterstattung also ausweglos, was können Journalisten tun, um sich diesem Trend entgegenzustellen?“, so die bange Frage aus dem Publikum. Spoos Antwort: Bei wichtigen Themen sei es angebracht, sich zuvor abends beim Bier unter Kollegen zu verabreden. Wer stellt die erste Frage; Wer stößt nach; Wer beschwert sich, dass die Frage nicht ausreichend beantwortet wurde. Würde das Resultat dieser kritischen Recherche dann bei der Redaktionskonferenz abgelehnt, so könnten sich die einzelnen Berichterstatter auf die Konkurrenz berufen: Motto „In dieser und jener Zeitung wird das morgen ebenfalls erscheinen.“

 

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