Die Berichterstattung vom Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist für die Medien wegen der Covid-19-Pandemie ohnehin bereits begrenzt. Nun will der Vorsitzende Richter Arbeitsmöglichkeiten für die Presse noch weiter einschränken. Die hessische dju in ver.di fordert von der Justiz, die Anordnungen zu überdenken.
Am 16. Juni 2020 soll in Frankfurt am Main der Prozess gegen Stephan E. und Markus H. beginnen, die wegen des Mordes an Walter Lübcke angeklagt sind. Nachdem wegen der Abstandsregelungen nur maximal 19 Journalist*innen im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts selbst anwesend sein dürfen, soll es für weitere maximal 41 Medienvertreter*innen nur eine Tonübertragung in einen anderen Saal geben.
Das ergibt sich nach Angaben der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di aus dem vom Gericht erlassenen Akkreditierungsverfahren für Medienvertreter. „Journalistische Arbeit in einem solchen Gerichtsverfahren ohne Sichtkontakt zu den Angeklagten ist fast nicht vorstellbar“, findet der für den Medienbereich zuständige ver.di-Fachbereichsleiter Manfred Moos. Auch wenn damit Neuland betreten werden müsste, sei wohl nur eine Videoübertragung für die Berichterstattung akzeptabel. „In Corona-Zeiten werden EU-Gipfel per Videokonferenz veranstaltet; da sollte es doch möglich sein, eine Ton- und Bildübertragung von einem in einen anderen Saal des Gerichtes zu erlauben“, sagt Moos.
Schwerwiegend sei darüber hinaus die Ankündigung des Gerichts, dass Pressevertreter*innen keine technischen Geräte mit in den Saal nehmen dürfen, insbesondere keine Notebooks und Mobiltelefone. Selbst für den zweiten Gerichtsraum, in den nur Ton übertragen werden solle, gelte dieses Verbot. „Notebooks und Mobiltelefone sind heutzutage unverzichtbare Handwerkszeuge für eine aktuelle Berichterstattung“, meint Moos. Ohne sie wären Journalist*innen gezwungen, während des laufenden Prozesses immer wieder den Gerichtssaal zu verlassen, um aktuell zu berichten. Dies sei unzumutbar und gefährde eine umfassende Darstellung des Prozessgeschehens.
Die dju appelliert deshalb an die Verantwortlichen beim Frankfurter Oberlandesgericht, die Einschränkungen bei der Berichterstattung zu überdenken. Immerhin handele es um einen Prozess, der weltweit Aufmerksamkeit finden werde und eine ähnliche politische Brisanz habe wie seinerzeit der NSU-Prozess in München.