Meinung
Die Frage ist nur: Das Gesetz nennt hier eine Rangfolge. Immer angemessen sind gemeinsame Vergütungsregeln, wie es sie beispielsweise für freie hauptberufliche Journalist*innen gibt, die für Tageszeitungen arbeiten. Sie werden von den Gewerkschaften ausgehandelt und sind ein guter Grund, sich auch dann gewerkschaftlich zu organisieren, wenn man nicht fest in einer Redaktion angestellt ist.
Gibt es keine gemeinsame Vergütungsregel, kommt es darauf an, „was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, […] üblicher- und redlicherweise zu leisten ist“ (§ 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG). Es ist dann zu ermitteln, worauf sich vernünftige Vertragspartner geeinigt hätten. Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls, unter anderem Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung. Gegenüber einer einmaligen rechtfertigt eine langjährige oder wiederholte Verwendung somit eine höhere Vergütung.
Gibt es eine Vergütung, die in der jeweiligen Branche üblicherweise gezahlt wird, ist dies zwar nicht verbindlich, kann aber als Ausgangspunkt für die Vergütung im Einzelfall dienen. An dieser Stelle können beispielsweise die Bildhonorare der Mittelstands-gemeinschaft Foto-Marketing (MFM) herangezogen werden. Sie zählen zwar nicht zu den gemeinsamen Vergütungsregeln, weil sie von den Urheber*innen einseitig vorgelegt werden. Dennoch bieten sie eine Orientierung, eine Vergütung nach den MFM-Empfehlungen ist in vielen Fällen insoweit auch angemessen.
Vergütung muss angemessen sein
Die Gerichte schauen bei der Ermittlung einer angemessenen Vergütung aber auch darauf, welche Preise von Urheber*innen selbst durchgesetzt werden. Wer also als Fotograf wegen Urheberrechtsverletzung eine Vergütung verlangt, kann sich nicht darauf verlassen, dass er am Ende auch die Sätze der MFM erhält. Vor allem, wenn er seine Leistungen sonst zu deutlich günstigeren Konditionen am Markt anbietet, z.B. in Stockfoto-Archiven, muss er gegebenenfalls Abschläge hinnehmen. Kann dauerhafte Nutzung für weniger als hundert Euro bei einer Agentur lizenziert werden, würden sich vernünftige Nutzer*innen wohl kaum darauf einlassen, wenn nach den MFM-Empfehlungen nach einigen Jahren mehrere Tausend Euro fällig werden.
Die „angemessene Vergütung“ ist also nicht schematisch zu berechnen, sondern immer auch abhängig von der Person der Urheberin oder dem Urheber. Wer gute Preise am Markt durchsetzen und entsprechende Rechnungen vorlegen kann, wird bei einer Urheberrechtsverletzung auch eine entsprechende Lizenz-gebühr verlangen können.-
Übrigens: Auch wenn nach dem Urheberrechtsgesetz verpflichtend eine angemessene Vergütung zu zahlen ist, können Urheber*innen ihre Werke auch kostenfrei lizenzieren, etwa für gemeinnützige Organisationen oder im Sinne von Creative Commons. Gesetzlich ist dies aber nur in Bezug auf einfache Nutzungsrechte möglich. Ansonsten gilt der Grundsatz: Exklusivrechte nur gegen Vergütung.