Gemeinsames Engagement für ein bundesdeutsches Informationsfreiheitsgesetz
Die Journalistenorganisationen Netzwerk Recherche, Deutscher Journalistenverband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, die Antikorruptionsorganisation Transparency International und die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union präsentierten am 2. April in Berlin einen Entwurf für ein Bundesinformationsfreiheitsgesetz und übergaben ihn an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.
„Dieses Gesetz ist Sauerstoff für die Demokratie und kann einen Wandel in der Informationskultur bewirken“, so Dr. Thomas Leif, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. Es ist bereits der zweite Vorschlag aus der Zivilgesellschaft, denn schon 2002 veröffentlichten die Verwaltungsrechtler Friedrich Schoch und Michael Kloepfer einen Vorschlag.
Was kann Informationsfreiheit bewirken? Informationszugang wird zu einem subjektiven Recht, in einer Wissensgesellschaft die Grundlage zur besseren Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen. „Gerade in Zeiten, die den Bürgern große Opfer abverlangen und Arbeitslosen die Bezüge kürzen, haben diese ein Anrecht auf Transparenz staatlicher Entscheidungen, z.B. auf die Offenlegung kostenträchtiger Maßnahmen wie millionenschwere Beraterverträge“, so Helmut Platow, Leiter der Rechtspolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di. Informationsfreiheitsgesetze stellen diesen Zugang für jeden sicher, unabhängig von eigener Betroffenheit oder besonderer Begründung. Gleichzeitig definieren sie Ausnahmeklauseln z.B. für personenbezogene Daten oder öffentliche Belange.
Transparenz und Bürgernähe sind zudem ein erklärtes Ziel der Europäischen Union. Das scheint für die Bundesregierung jedoch kein Grund zu sein, das in den Koalitionsvereinbarungen von 1998 und 2002 fixierte Reformvorhaben für ein solches Bundesgesetz endlich auf den Weg zu bringen. Weltweit existiert die Informationsfreiheit bereits in 50 Ländern. Angesichts dieser Tatsache ist ein behördliches Amtsgeheimnis wie hierzulande mehr als fragwürdig.
Der neue Gesetzentwurf ist ganz im Geist der Internationalität geschrieben, nimmt er doch bezug auf Standards der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, den Erfahrungen mit den Landesgesetzen in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und NRW und internationale Symposien zur Informationsfreiheit.
Auskunftsverweigerung wird zur Ausnahme
Was bringt dieser Vorschlag den Bürgern und den Medien? Zunächst orientiert er sich am Prinzip der Benutzerfreundlichkeit. Er holt die Antragsteller bei ihren Wünschen ab, unter anderem durch die Form der Antragstellung (Akteneinsicht oder Kopien) und verpflichtet die Bundesbehörden, sie dabei zu unterstützen. Als Verbraucher können sie dann beispielsweise die Ergebnisse einer Lebensmittelkontrolle einsehen. Der Entwurf nimmt dabei Bezug auf die EU-Verordnung (EG) Nr. 1049/ 2001, die den Zugang zu Dokumenten der EU-Gremien regelt und die Verwaltung auffordert, effizient und verantwortlich zu handeln. „Durch das Informationsfreiheitsgesetz wird die Öffentlichkeit von Informationen bei staatlichen Stellen zur Regel und die Verweigerung des Zugangs zu Informationen die begründungsbedürftige Ausnahme.
Erleichterte Recherche
Diese Öffentlichkeit macht die Verwaltung transparenter und beugt Korruption vor“, heißt es dazu in den Eckpunkten des Gesetzesvorschlags. Da die Antragsteller zudem nicht mehr Bittsteller wären, hätten sie zwei Instrumente zur Verfügung, die sie bei Ablehnung oder Fristversäumnis nutzen könnten. Zum einen stünde ihnen der Weg zum Bundesbeauftragten für Datenschutz offen, zum anderen könnten sie einen Antrag auf eine Einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht stellen.
Für die Medien wirkt der Entwurf der Tendenz der Ministerialbürokratie entgegen, nur noch sehr dosierte Informationen heraus zu geben. Journalisten sind in besonderem Maße auf die bei staatlichen Stellen vorhandenen Informationen angewiesen. Die enge Definition von Ausnahmeklauseln öffnet neue Räume, so im Bereich der öffentlichen Belange wie internationale Beziehungen oder innere Sicherheit, die vorher unter strengem Schutz standen. Mit der neuen Gesetzinitiative kann beispielsweise Einblick in Vertragsverletzungsverfahren der Bundesregierung mit der EU (Artikel 226 EG-Vertrag) oder in Kabinettsvorlagen gewährt werden. Es besteht Einsichtsrecht in Originalakten und Zugang zu Informationsträgern jeglicher Art. Somit muss man sich nicht mehr nur mit Auskünften der Pressestellen zufrieden geben. „Das erleichtert die Arbeit der Journalisten, schafft aber zugleich auch Rechtssicherheit für die Mitarbeiter und bisherigen ‚Informanten‘ aus den Behörden, die bisher trotz erweitertem Zeugnisverweigerungsrecht immer von Strafverfolgung bedroht waren.“ so Ulrike Maercks-Franzen, dju-Bundesgeschäftsführerin. Dies kommt dem journalistischen Auftrag entgegen, den Prozess der Meinungsbildung durch Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung anzuregen oder mitzugestalten. Das ist auch ganz entscheidend bei der verdeckten Recherche und dient damit der Korruptionsprävention.
Deutschland liegt laut Korruptionsindex von Transparency International im Jahr 2003 an 16. Stelle von 133 Staaten. Finnland nimmt mit der geringsten Korruption Platz 1 ein.
«M» berichtete über die Initiativen für ein Informationsfreiheitsgesetz in «M» 11.2003 und «M» 12.2003 / 01.2004.