Positiv: kaum Verschlechterungen

Berlin kreis(s)te – ums Geld – und gebar eine Novelle zum Künstlersozialversicherungsgesetz

„Die neue Bundesregierung wird zur Absicherung der Künstlerinnen und Künstler die Künstlersozialversicherung verbessern.“ – Zugegeben, sehr konkret war dieser eine Satz aus der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Grüne vom 20. Oktober 1998 nicht. Dass das Thema aber überhaupt als Reformvorhaben erwähnt wurde, weckte Hoffnungen bei Betroffenen und ihren Verbänden. Jetzt liegt der Gesetzentwurf auf dem Tisch. Und das Wichtigste darin ist wohl, dass er keine substanzgefährdenden Verschlechterungen enthält.

Der Begriff Reform ist zu einem zweischneidigen Schwert geworden. Diese Erfahrungen machte man in 16 Jahren Kohl-Regierung. Und auch bei „Rot-Grün“ darf man gespannt sein, was am Ende herauskommt (siehe „Rentenreform“). Als sich „die neue Bundesregierung … zur Absicherung der Künstlerinnen und Künstler“ 1999 das erste Mal mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) beschäftigte, kam eine Absenkung des Bundeszuschusses von 25 auf 20 Prozent zum 1. Januar 2000 dabei heraus.

Das schien Begehrlichkeiten erst richtig geweckt zu haben. Sparen (auch so ein schönes Wort, das früher einmal die Bildung von finanziellen Rücklagen bedeutete) als Ziel vor Augen, wurden diverse Vorstellungen ins Spiel gebracht, wie angesichts wachsender Versichertenzahlen der Zugang zur Künstlersozialkasse (KSK) erschwert oder der Versicherungsschutz beschnitten werden könnte.

Dass sich davon nur noch etwas in einem chancenlosen FDP-Antrag, aber (fast) nichts mehr in dem am 8. November 2000 vom Bundeskabinett vorgelegten Zweiten Gesetzes zur Änderung des KSVG wiederfindet, kann schon fast als Erfolg bezeichnet werden. An diesem hat die IG Medien einen entscheidenden Anteil. „Ich hatte immer den Eindruck, es geht nur ums Geld, sonst nichts“, berichtet Monika Papke, die als Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstands der IG Medien an den Beratungen und Gesprächen zum Thema in der Bundeshauptstadt teilnahm.

IG-Medien-Lobbying: Erfolg, aber kaum Verbesserungen

Lobbying nennt man das. Umsonst war es nicht. Den Durchbruch zu einer wirklichen Verbesserung im KSVG hat es aber nicht gebracht. „Das ist eigentlich keine Novelle“, bewertet Monika Papke den Gesetzentwurf. Die IG Medien hatte sich mit einer rechtspolitischen Initiative (alle Dokumente zum KSVG lassen sich über die IG-Medien-Homepage http://www.igmedien.de/tarif_recht_betrieb/

ksvg/material.html hervorragend erschließen) vor allem für einen umfassenden Schutz von Künstlern und Publizisten in der gesetzlichen Sozialversicherung eingesetzt, der auch bei wechselnden Tätigkeiten, bei vermuteter Scheinselbstständigkeit oder beispielsweise so genannten Arbeitnehmerähnlichen sowie bei Auftragsflauten greift – damit der Streit über die (Nicht-)Zuständigkeit der Sozialversicherungszweige nicht wie heute zu Lasten der Betroffenen ausgetragen wird.

Doch davon findet sich nur etwas in einem ebenfalls chancenlosen PDS-Antrag, nichts aber im Gesetzentwurf. „Die Regelungen, die der Regierungsentwurf insoweit vorsieht, sind teils bedeutungslos, teils aber in hohem Maße kontraproduktiv“, urteilt Wolfgang Schimmel von der IG-Medien-Rechtsabteilung in seiner Stellungnahme zur Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, die am 7. Februar 2001 stattfand.

Berufsanfängerfrist nur noch drei Jahre

Eine wesentliche Neuregelung für die Versicherten erfolgt vor allem in Bezug auf die Geringfügigkeitsgrenze, also das Jahreseinkommen, das mindestens erreicht werden muss, um in der KSK versicherungspflichtig zu sein. Wurde sie bisher jährlich angepasst, wird sie nun auf 7560 Mark festgeschrieben, also 630 Mark im Monat oder – geringfügig höher – 325 Euro ab 2002.

Dafür wird die so genannte Berufsanfängerfrist, in der selbstständige Künstler und Publizisten auch in der KSK versichert sind, wenn sie weniger verdienen, von bisher fünf auf drei Jahre verkürzt. Dies wird sich nach den Erfahrungen der IG Medien gerade im Kernbereich der künstlerischen Berufe negativ auswirken, in denen eine Durchsetzung auf dem Markt nicht kurzfristig zum Tragen kommt, also etwa bei belletristischen Autoren, bildenden Künstlern oder Komponisten. Ihnen droht künftig nach drei Jahren der Verlust der sozialen Absicherung durch die KSK.

Immerhin wird diese Regelung mit zwei – auch von der IG Medien geforderten – Verbesserungen verbunden: Die Berufsanfängerfrist verlängert sich um die Zeiträume, in denen die selbstständige Tätigkeit – zum Beispiel wegen Mutterschafts- oder Erziehungsurlaub, Wehr- und Zivildienst oder einer Beschäftigung – nicht ausgeübt wird. Außerdem kann die Geringfügigkeitsgrenze innerhalb von sechs Jahren zweimal unterschritten werden, ohne dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte der KSK mindestens sechs Jahre angehört hat.

Von geringer praktischer Relevanz dürfte die Neuregelung sein, nach der Studenten, sofern sie nicht nur nebenbei studieren, und Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, der Zugang zum Krankenversicherungsschutz nach dem KSVG verwehrt wird. Für Studierende dürfte es in vielen Fällen problematisch werden, nachzuweisen, was denn ihre „Haupttätigkeit“ ist.

Ebenfalls problematisch könnte sich eine Neuregelung in Bezug auf die Meldung des voraussichtlichen Jahreseinkommens an die KSK auswirken. Nach dem neuen § 12 KSVG soll die KSK dieses Jahreseinkommen nicht nur schätzen, wenn eine Meldung des Versicherten unterbleibt (so war es auch bisher), sondern auch, wenn „die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren.“ Hier werden Konzessionen an die durch keinerlei Fakten belegbare „Missbrauchs-Vermutung“ gemacht, die bürokratisches Misstrauen gegenüber den Versicherten manifestieren und im Zweifelsfalle zu langwierigen Verwaltungsverfahren führen wird.

Versicherungslücke für Ältere geschlossen

Der Gesetzentwurf enthält aber auch uneingeschränkt Positives. Zum einen wird endlich die Lehrtätigkeit in der Sparte Wort in die Versicherungspflicht einbezogen. Zum anderen erhalten ältere Künstler und Publizisten einen leichteren Zugang zur günstigen Krankenversicherung der Rentner. Wenn sie bereits vor In-Kraft-Treten des KSVG im Jahre 1983 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, werden sie dort versichert, wenn sie während neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Rentenantragstellung nach dem KSVG versichert waren. Damit wird eine Lücke im Versicherungsschutz geschlossen.

Neu außerdem: Der Gesetzentwurf sieht vor, die Künstlersozialkasse an die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven anzugliedern. Bisher war die KSK im Wege der Organleihe an die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen angebunden.

 

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