„Pressesonderverbindungen“

Viel Aufregung um ein neues Buch, das das ganze Repertoire an Verbindungen von Geheimdienst und Journalisten enthüllt

„Wenn sie wenigstens Huren wären! Sie leisteten gute handwerkliche Arbeit, ohne allzuviel Engagement und mit verträglichem Auskommen.“ Diesen Seufzer stieß Manfred Bissinger 1987 aus. Doch er mußte resigniert feststellen: Verrufene Männer taugen nicht zur professionellen Hurerei, sie werden Journalisten und sind dabei anderen Herren zu Diensten. Doch ähnlich wie beim Blick ins Rotlichtmilieu bleibt Bissinger dezent anonym. Unter der Überschrift „Warum so viele Journalisten für den Geheimdienst arbeiten“ schreibt er über eine Namensliste, bei der ihm „die Augen übergelaufen“ seien. Nennen mochte er die Namen nicht, denn „es gibt keine Zeugen, die helfen würden, den Wahrheitsbeweis anzutreten. Der Prozeß wäre also nicht durchzustehen.“

Nun aber ist sie da, die Namensliste. 230 Journalistinnen und Journalisten, die 1970 beim BND als „Pressesonderverbindungen“ registriert waren. Entsprechend dürfte das Personenregister der meistgelesene Teil in Erich Schmidt-Eenbooms „Undercover“ sein.

Doch genau darin liegt der Fehler. Ackermann, Karl – ARON; Brost, Erich – BORSCHT; Boenisch, Peter – BONGERT; Naumann, Michael – NORDDORF; Paczensky, Gerd von – PAULUS; Scheffler, Herbert – SCHULTHEIS; Zwick, Werner – ZUFALL – hinter dieser Auswahl von Namen mitsamt den vom BND verpaßten Decknamen verbirgt sich das gesamte Repertoire: von einem Journalisten, an dem der BND interessiert war, über einen zufälligen Kontakt, bis hin zu einem „voll tragfähigen, regelmäßigen oder häufigen Kontakten“ mit einem Medienvertreter. Das „Who’s Who“ der deutschen Journalistenelite, von dem jetzt in allen Rezensionen gesprochen wird, findet sich durchaus im Register von Schmidt-Eenboom, doch sagt das keineswegs etwas über die Intensität der Verbindung zum BND. Und selbst die Unterscheidung des BND zwischen den „voll tragfähigen Kontakten“ (Kategorie I), den „Formalkontakten“ (II) und den „Zufallskontakten“ (III) ist da wenig hilfreich. Es handelt sich hierbei allein um Einschätzungen des BND. Diese sagen mindestens so viel aus über Intention und Rechtfertigungsbedarf der BND-Mitarbeiter sowie das machtpolitische Fingerhakeln zwischen Nachrichtendienst und Bundesregierung wie über die tatsächliche geheimdienstliche Tätigkeit von Journalistinnen und Journalisten. Medienleute der Kategorie I haben für ihre Informationen weder automatisch Geld erhalten, noch waren sie zwangsläufig konspirativ tätig. Allein, die Informationen, die der BND aus Gesprächen mit ihnen gewann, erschienen ergiebig, der Kontakt regelmäßig. Das Erstaunen, mit dem deshalb heute einige prominente Schreiber auf ihre „Enttarnung“ reagieren, ist damit teilweise durchaus nachvollziehbar.

„Marion – eine Agentin? Das ist ja lachhaft“, so reagiert Theo Sommer auf die Offenbarung, die „Zeit“-Herausgeberin Gräfin von Dönhoff sei als DOROTHEA eine der 230 registrierten Pressesonderverbindungen – und gehöre unter diesen zu den soliden Kontakten. Aber Agententätigkeit – also konspirative Tätigkeit – wird ihr auch keineswegs vorgeworfen. Berichtet wird statt dessen von gelegentlichen Besuchen eines Mitarbeiters des Nachrichtendienstes, bei denen über alles Denkbare geplaudert wurde. Andere sprechen von „Angelegenheiten kolossaler Belanglosigkeit“ (von Paczensky), die für die Herren vom BND dennoch von Belang zu sein schienen.

Nein, Schmidt-Eenboom enttarnt nicht Hunderte bundesdeutscher Journalisten als heimliche Spitzel, Spione und Agenten. Er macht aber sehr detailreich, oftmals auch detailversessen und damit vom Wesentlichen ablenkend nachvollziehbar, wie fließend Übergänge verlaufen vom recherchierenden Journalisten, der Informationen des BND gezielt nutzt, zum unfreiwilligen Desinformierer, der gezielten Falschmeldungen des BND aufsitzt (vgl. Seite 20), bis zum unkritischen Berichterstatter, der schlicht der Pullacher PR auf den Leim geht und schließlich auch jenem, der nach journalistischen Begegnungen zusätzlich einen Bericht für den Nachrichtendienst fertigt.

Ein beträchtlicher Teil der von Schmidt-Eenboom zusammengetragenen Fakten betrifft den dritten Typus. Hier geht es nicht um illegale Informationsbeschaffung im Interesse heimlicher Staatsdiener, sondern um die unkritische, oftmals nicht gegenrecherchierte Übernahme von PR im Dienste des BND. „Das schlechte nachrichtendienstliche Ergebnis müssen wir durch eine gute Presse wettmachen.“ Diese Parole des BND-Direktors Kurt Weiß aus dem Jahr 1962 gehört in das ganz kleine Einmaleins der strategischen Öffentlichkeitsarbeit. Daß der BND damit oftmals und – für ihn besonders schmeichelhaft – auch bei prominenten AutorInnen wie bspw. Marion Dönhoff erfolgreich war, weist Schmidt-Eenboom präzis nach. Enttäuschend genug für einen sich kritisch und aufklärerisch gebenden Journalismus. Eine massenhafte Enttarnung ist es allerdings nicht. Wer das Buch genau liest, wird diese präzisen Unterscheidungen finden.

Damit bietet Schmidt-Eenboom eine Präzision im Umgang mit Quellen und Material, die man sich bei der Auseinandersetzung mit Akten des Amtes für Staatssicherheit oftmals gewünscht hätte.

Zugleich suggeriert „Undercover“ – allein schon durch seinen Titel – mehr. Da wird „an der journalistischen Front erfolgreich“ gekämpft, die „Geister der Desinformation werden beschworen“ und „Pullach nimmt die Chefetage ins Visier“. Mit dieser Agententhriller- und Kriegsrethorik trägt Schmidt-Eenboom selbst zu Desinformation bei. Denn die meisten journalistischen Dienstleistungen für den BND laufen vollkommen unblutig und unspektakulär ab.

Eindrucksvoll beschreibt Erich Schmidt-Eenboom mit seiner akribischen Dokumentation, in welchem Umfang der BND verfassungswidrig Inlandsaufklärung betreibt und sich dabei „klandestiner Pressearbeit“ bedient hat. Vor allem in der Springer-Presse und beim „Münchener Merkur“ werden dabei auch zahlreiche Personen als echte Zuarbeiter geoutet.

Nach einem ersten Aufschrei zahlreicher genannter Journalisten noch vor der Veröffentlichung des Buchs, ist es anschließend juristisch erstaunlich ruhig zugegangen. Fünf Journalisten versuchten, per einstweiliger Verfügung eine Schwärzung ihres Namens durchzusetzen. Erfolgreich war damit jetzt der Ex-BILD-Chefredakteur und spätere Regierungssprecher Peter Boenisch. Von ihm behauptet Schmidt-Eenboom: Boenisch „war nicht nur an den Leiter der Dienststelle 923 (die sich mit den Pressekontakten befaßte) angebunden, sondern tafelte auch 1978 regelmäßig mit BND-Präsident Gerhard Wessel“. Wenn das keine Konspiration ist!


siehe auch das Interview mit Erich Schmidt-Eenboom

„Eine beträchtliche Summe von Skandalen“

 

 

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