Qualität wichtiger als das Label

Chris Vielhaus vom Online-Magazin "Perspective Daily" Foto: Kay Herschelmann

Diskussion mit Redakteur von „Perspective Daily“ über die Prinzipien des Magazins

Nur einen „ausgeruhten“ Artikel pro Tag veröffentlicht das seit 2016 erscheinende Online-Magazin „Perspective Daily“, erklärte Redakteur Chris Vielhaus beim 35. Journalismustag in seinem Workshop. Ruhe müssen auch die Leser*innen von „Perspective Daily“ mitbringen, denn die Artikel sind lang. Sie werden langfristig mit ausführlicher Recherche geplant.

Unter der Überschrift „Handwerk mit Perspektiven“ diskutierten die Teilnehmer*innen im meistbesuchten Workshop des Nachmittags, wie sich „konstruktive Erzählformen in den journalistischen Alltag einbringen“ lassen. Mit einem kleinen Quiz im Saal zu den Prozentzahlen von Analphabetentum, Kindersterblichkeit und Suizidrate zeigte Vielhaus, dass die wissenschaftliche Erkenntnis stimmt: Die Mehrheit der Nachrichteninteressierten schätzt die Wirklichkeit negativer ein als sie ist. Deshalb orientiere sich seine Redaktion an dem Spruch des US-Therapeuten Steve de Shazer „Das Reden über Probleme schafft Probleme. Das Reden über Lösungen schafft Lösungen“.

Vielhaus stellt die sechs Leitprinzipen seiner Redaktion zum konstruktiven Journalismus vor: Zukunftsorientiert berichten mit der Frage, wie kann es weitergehen. Nach vorhandenen Lösungsansätzen woanders suchen und nicht nur nach Verantwortlichen, ohne Schönfärberei oder Anpreisen von Patentrezepten. Wissenschaft nutzen als Basis der Recherche. Die Entstehung eines Missstands erläutern. Und schließlich als sechstes die Veränderbarkeit von Missständen unterstreichen und die „Selbstwirksamkeit“ betonen, also die Möglichkeiten beleuchten, die auch Leser*innen haben, wie es etwa Prozesse beim Bundesverfassungsgericht zu Klima- und Datenschutz und „Gender Pay Gap“ gezeigt haben.

Zur Alltagstauglichkeit der Prinzipien in anderen Redaktionen gab Vielhaus zu, dass nicht alles aus seiner Online-Redaktion auf andere Formate übertragbar sei, aber es sei „hilfreich, sich die Prinzipien immer wieder klar zu machen“. Alexandra Haderlein von den Nürnberger „Relevanzreportern“ berichtete, ihr Medium versuche, auch Lösungsansätze aller Beteiligten und Betroffenen in öffentlichen Debatten deutlich zu machen.

Etliche der auf den ersten fünf Folien vorgestellten Punkte wie die wissenschaftlich fundierte Basis und die gründliche, ergebnisoffene Recherche lösten beim Wissenschaftsjournalisten und Vorsitzenden der Fachgruppe Medien, Manfred Kloiber, die frustrierte Frage aus, ob das „Wiederaufleben“ der journalistischen Prinzipien unter dem Namen „Konstruktiver Journalismus“ nicht zeige, wie schlecht die Bedingungen für guten Journalismus geworden seien. Sicher seien die „Standards verwässert“ worden, hieß es in der Diskussion, konstruktiver Journalismus sei aber „nicht nur ein neues Label für alte Tugenden“. Doch letztlich sei es für alle, die guten Journalismus wollen, „verfehlt“, sich um Labels zu streiten. Diesen Einschätzungen in der Diskussion stimmte Vielhaus zu und sagte: „Ob da am Ende konstruktiver Journalismus draufsteht oder Qualitätsjournalismus, ist mir egal.“

 

 

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