Ulrich Manz lebt seit vielen Jahren in einem Dauerkrisengebiet: Israel. Wie viele erfahrene Kollegen, bedient er sich einer durchaus klassischen Methode: Er redet über seine Gefühle und Ängste mit anderen und die anderen mit ihm.
Traumatisierte Journalisten auf dem Kriegs- oder Katastrophenschauplatz – die gibt es praktisch nicht. Da trennt sich früh die Spreu vom Weizen, und Journalisten, die solche Situation emotional nicht ertragen können, kommen erfahrungsgemäß nie wieder in diese Lage. Der 11. September hat in den Redaktionen gezeigt, wer trotz allen Schreckens professionell reagieren und funktionieren kann und die Ereignisse zunächst nicht an sich herankommen lässt, und wer in dieser Situation emotional nicht belastbar ist. Letzterer wird hoffentlich von seinen Redaktionsleitern künftig in solchen Situationen geschont – was ihn nicht zum schlechteren Journalisten macht.
Natürlich hat von den „Belastbaren“ jeder seine eigene Methode, sich im Kriseneinsatz die Emotionen vom Hals zu halten. Der eine zwingt sich, nicht nachzudenken, der andere beschwört sich selber immer wieder – vor allem zu funktionieren. Nur ist damit nicht alles abgeschlossen, im Gegenteil. Die angeblichen Gelage zynischer Kriegsberichterstatter abends an der Bar sind weitgehend eine Mär. Da wird gar nicht so viel gesoffen, aber unendlich viel geredet, und manchmal auch geheult. Die Bar-Runde ist vor allem ein Therapie-Gespräch. Und ohne dieses Ventil würden viele die Arbeit nicht ertragen.
Soll sich doch jeder mal erinnern, was er/sie abends am 11., 12., 13. September gemacht hat? Wahrscheinlich nichts anderes, als der Katastrophen-Berichterstatter an der Bar – nämlich ununterbrochen mit Freunden, Kollegen, Familie geredet. Und wer sich da nicht getraut, zu heulen, der hat entweder ein Problem, oder er kriegt es noch.
- Ulrich Manz arbeitet als freier Journalist in Jerusalem