Renitente Fotografen bleiben draußen

„Der Tagesspiegel“ streitet trotz verlorenem Prozess weiter

Fotos einmal bezahlen, aber mehrfach und in verschiedenen Zeitungen des Konzerns drucken – davon träumt mancher Verleger. „Der Tagesspiegel“ hatte genau dies versucht und sich vor dem Landgericht Berlin eine blutige Nase geholt. Doch trotz des Urteils ist der Streit noch nicht beendet. „Der Tagesspiegel“ hat diese Niederlage offenbar nicht verwunden und führt eine „schwarze Liste“ von renitenten Fotografen.

Fünf Fotografen hatten mit Unterstützung der IG Medien, FreeLens und dem DJV gegen die Praxis des „Tagesspiegel“ geklagt, ihre Fotos ohne zusätzliches Honorar auch in den, ebenfalls zum Holtzbrinck-Konzern gehörenden, „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ (PNN) zu veröffentlichen. „Ich habe dem ,Tagesspiegel‘ Archivmaterial verkauft, im Schnitt haben sie ungefähr zwei Fotos von mir im Monat gedruckt“, sagt Dietmar Gust. Das Landgericht Berlin hatte bereits 1999 entschieden, dass die Fotografen ein Recht auf zusätzliches Honorar haben. Bis heute wird über die Höhe gestritten. „Der Tagesspiegel“ wollte lediglich acht Mark Aufschlag zahlen, die Fotografen fordern aber, dass das Honorar nach den Empfehlungen der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing (MFM) gezahlt wird.

Pflichtangebot Homepage

Vor dem Landgericht Berlin bekamen die Bildjournalisten auch mit dieser Forderung Recht. „Der Tagesspiegel“ ging in Revision beim Bundesgerichtshof (BGH). Die Entscheidung steht noch aus. Sollte der BGH ebenfalls entscheiden, dass nach MFM gezahlt werden muss, hätte dies Auswirkungen auf alle Fotografen und Verlage in Deutschland. Denn in dem neuen Urhebervertragsgesetz hat der Gesetzgeber „eine angemessene Vergütung“ vorgesehen. Bisher ist nicht geklärt, was genau darunter zu verstehen ist.

Nach Einschätzung von Dr. Christian Donle, Rechtsanwalt der klagenden Fotografen, würde im Fall eines positiven Entscheids, MFM auch für das Urhebervertragsgesetz gelten.

Doch nicht nur vor Gericht ist das Problem noch nicht abschließend geklärt. Die Verantwortlichen des „Tagesspiegel“ versuchen nach ihrem Scheitern vor Gericht auf anderem Weg das Honorar zu sparen. Mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sollen Fotografen gezwungen werden, auf ihre Nutzungsrechte und damit auch auf die Bezahlung zu verzichten. Wer nicht mitspielt, dessen Fotos werden nicht mehr gedruckt. Dass es die „schwarze Liste“ beim „Tagesspiegel“ immer noch gibt, musste ein Bildjournalist erst kürzlich erfahren. Obwohl eine „Tagesspiegel“-Autorin Fotos des freien Fotografen gern zur Illustration eines Beitrages genutzt hätte, verlief sein Gespräch mit der „Tagesspiegel“-Fotoredaktion kurz und bezeichnend. Der Bildjournalist wies darauf hin, dass er die AGB nicht unterschrieben habe und der Rückzieher folgte prompt: „Dann haben wir leider kein Interesse.“

Betroffen sind von dieser Geschäftspraxis nicht nur die klagenden Bildjournalisten, sondern alle Fotografen, die nicht bereit waren, die AGB zu akzeptieren. Die Auswirkungen auf den Einzelnen sind unterschiedlich: Einige verloren dadurch ihren Hauptauftraggeber, für die meisten war der Abdruck im „Tagesspiegel“ lediglich ein Zuverdienst. So auch für Dietmar Gust. Er arbeitet hauptsächlich für Magazine und hat sich am Markt trotz der allgemeinen Krise behauptet. „Wichtig ist, nicht mit einer veralteten Ausrüstung zu arbeiten“, sagt Dietmar Gust.

Auch eine Homepage gehört für ihn zum Pflichtangebot. „Für einen Kunden, der mich kennt, brauche ich keine eigene Internetseite“, betont er. Für neue Auftraggeber, die vorab Arbeiten sehen wollen, sei eine eigene Homepage aber die geschicktere Lösung. Er müsse sonst teure Fotomappen verschicken, dies kostet nicht nur viel Geld sondern auch mehr Zeit.

Revolution der digitalen Fotografie

Zur Speerspitze der Fotografen, die gegen den „Tagesspiegel“ klagten, gehörte Matthias Littwin aus Potsdam. Zum Zeitpunkt seiner Klage gehörte er zu den bekanntesten Brandenburger Fotografen. Aus dem fotografischen Tagesgeschäft hat er sich heute weitgehend zurückgezogen. Nicht nur der „Tagesspiegel“ und „PNN“ seien in den vergangenen Jahren als Kunde weggebrochen, auch etliche Redaktionen, für die er gearbeitet hat, haben ihre regionalen Büros wieder geschlossen. Dazu zählen die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine“, die beide ihre Berlin-Seiten eingestellt haben. „Als Fotograf arbeite ich jetzt hauptsächlich für Firmen“, erzählt Matthias Littwin. Zusätzlich hat er sich ein zweites Standbein aufgebaut: Er entwirft und programmiert Internetseiten für Kollegen, baut Bilddatenbanken ein und führt Schulungen durch. „Die journalistische Fotografie ist eigentlich tot“, bedauert er. Die digitale Fotografie habe den Markt revolutioniert. In den Redaktionen sei es inzwischen Alltag, dass Freie, aber auch Redakteure mit einfachen Digitalkameras ihre Fotos selbst schießen.

 

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