Schily muss von den USA lernen

Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz ist halbherzig und kleinmütig

Fragt man Journalisten nach Otto Schilys‘ Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz, ist die Reaktion meist eindeutig: Achselzucken und ein fragender Blick. „Was für ein Gesetz?“ Kaum jemand – selbst medienpolitisch Interessierte in Presse, Funk und Fernsehen – kennen die Pläne des Innenministers. Von dieser Unkenntnis und dem weit verbreiteten Desinteresse an dem Recht auf Akteneinsicht – einem Kern der Informationsfreiheit – profitieren die Architekten eines halbherzigen Gesetzesentwurfs.

Die Bundesregierung verspricht zwar mehr Transparenz in Politik und Verwaltung, bleibt aber auf halber Strecke stehen. Drei wesentliche Mängel führen dazu, dass die Akteneinsicht bei Bundesbehörden künftig noch hinter schon bestehende Landesgesetze in Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin zurückfällt.

Dies betrift sowohl den Umfang des Aktenzugangs, als auch die Regelung der Bearbeitungsfristen und der Gebühren. Ziel einer wirksamen Informationsfreiheit ist es, das Prinzip der „Amtsverschwiegenheit“ zu überwinden. Der vorliegende Entwurf erlaubt aber die Fortsetzung einer restriktiven Informationspraxis.

Beispielsweise können Behörden Informationen verweigern, wenn der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berührt wird,“ oder wenn es sich um Informationen aus einem „laufenden Verwaltungsverfahren“ handelt. Diese Passagen können von sturen Bürokraten jederzeit für eine Informations-Blockade genutzt werden. Außerdem sind gerade laufende Verfahren für die Bürger interessanter als vollendete Tatsachen.

Nicht nur hier muss der frühere Anwalt und engagierte Streiter für Minderheiten mehr Transparenz zulassen.

Die Beamten des Innenministeriums haben bewusst darauf verzichtet, Fristen für die Antragsbearbeitung festzulegen. Klare Zeitvorgaben sind aber unverzichtbar, damit etwa Lokaljournalisten den verschlossenen Landrat nachdrücklich auf seine Informationspflichten aufmerksam machen können. Schleswig-Holstein, übrigens Vorreiter in dieser Sache, hat die Fristen klar markiert: „unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats“ muss die Antwort erfolgen.

Schily gibt zwar vor, dass er mit den vorgesehenen Gebühren nicht abschrecken („prohibitiv wirken“) wolle; aber mit seiner Praxis bewirkt er das Gegenteil. Der vorgesehene Höchstsatz von bis zu 1000,- Mark schreckt ab und erfüllt damit auch das Ziel der Beamten. Die Gebührensätze müssen deutlich reduziert werden, zumal die Behörden Auslagen und Sachkosten auf die Bürger abwälzen können.

Auch bei einer weiteren Recherche-Möglichkeit steht Schily auf der Bremse. Das Informationsfreiheitsgesetz erlaubt Orginalakten einzusehen, sich Notizen zu machen und Akten zu kopieren. Aber auch hier ist das Kleingedruckte entscheidend. Bei „gewichtigen Gründen“ wird den Behörden nämlich das Wahlrecht zwischen Auskunft und Akteneinsicht eingeräumt. Auch in diesem Punkt sind die Landesgesetze weitreichender und eindeutiger.

Der „Bürgerrechtler Schily“ sollte sich einen Ruck geben und mindestens die Standards des Landes Schleswig-Holstein für das geplante Bundesgesetz übernehmen.

Die Debatte um das noch unzulängliche Informationsfreiheitsgesetz bietet neben verbesserten Recherche-Möglichkeiten aber noch eine andere Chance. Würden Journalisten häufiger und intensiver auf ihre Informationsrechte – auch nach den Landespressegesetzen – pochen und sich nicht von jedem Behördensprecher abspeisen lassen, dann könnte sich in Deutschland langsam eine offenere Informationskultur entwickeln. Der allseits beklagte Trend zu rasant zunehmender kanalisierter Information – nicht nur der Berliner Ministerien – könnte so gebrochen werden. Verweigerte oder thematisch extrem begrenzte Interviews, Informationsblockaden und Verzögerungen würden zumindest eingeschränkt. Vorausgesetzt alle Journalisten würden gemeinsam mit Mediengewerkschaften den beamteten Informationsverweigern geschlossen die rote Karte zeigen.

Aber – alle Veränderungen an dem halbherzigen Gesetzesentwurf aus dem Hause Schily und der kanalisierten Informationspraxis zahlreicher Behörden – haben nur eine Chance, wenn sich eine wichtige Voraussetzung ändert. Das

Informationsfreiheitsgesetz darf nicht nur die Sache von wenigen Spezialisten und einigen Beamten bleiben.


Mit dem Thema „Informationsfreiheits-Gesetze“ beschäftigte sich auch die Titelgeschichte in „M“ 6/01: „Der transparente Staat“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »