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Crossmediales auf dem Landesmedientag in Hessen

Der Titel klingt bedrohlich, findet der Medienberater. Viel zu defensiv, geradezu ängstlich, ergänzt der Ressortleiter. „Crossmedia. Feste und Freie: Da kommt was auf uns zu!“ hieß die Überschrift des Landesmedientages der hessischen dju in Frankfurt am Main.

Ganz klar. Es gibt kaum eine Zeitung, die nicht im Netz vertreten ist. Aber ist das schon Crossmedia, wenn Printtexte ins Web gestellt werden? Zumindest ein Anfang. Wer Crossmedia rein technisch versteht, drückt seinen Reportern eine Kamera in die Hand. Wer Crossmedia zum Kostensenken nutzen will, versucht, noch mehr aus den gleichen Leuten herauszuquetschen. Ganz falsch, findet Steffen Büffel. „Die Zukunft der Zeitung“, erklärt der selbstständige Medienberater, „ist nicht crossmedial, sie ist lesernah.“
Nichts ist klar. Crossmedia ist noch eine bunte Mischung aus Heilsversprechen für Verleger, mehr Arbeitszufriedenheit und mehr Belastung für die Inhaltslieferanten, Ende des Autismus und der Allwissenheit von Redakteuren, ein Platz für Schmuddelecken und großes Experimentierfeld.
Es war das erste und bislang einzige Mal, dass der Server der Würzburger Regionalzeitung Main-Post zusammenbrach. Die Unterfranken waren begierig auf die Ergebnisse der bayerischen Kommunalwahl am 2. März, die schon abends ins Netz eingestellt wurden. Nach einer Million Zugriffen machte der Server nicht mehr mit. Tempomacher Internet: Es hängt die Zeitung ab, übernimmt die Aktualität.
Erster Redaktionsschluss um 17.45 Uhr, das war einmal. Schon in Kürze gibt es bei der Frankfurter Rundschau (FR) drei neue Online-Schlusszeiten: um 9, 12 und 15.30 Uhr. Das krempelt die Arbeit um. Nicht nur technisch mit einem neuen Redaktions- und einem neuen Onlinesystem. Auch organisatorisch: Weil das Onlineressort nicht beliebig aufgestockt werden kann, muss jeder der 150 FR-Redakteure künftig auch für Online denken und schreiben. Los geht es mit den beiden Pilotredaktionen Wirtschaft und Magazin, deren Ressortleiter ihren Onlinebereich selbst planen und betreuen, zunächst nur unterstützt von einem Onlineredakteur.
Auf Redakteure kommt mehr Belastung zu, sagt FR-Chefredakteur Uwe Vorkötter. Auch lieb gewordene Gewohnheiten sprengt die neue Arbeitsorganisation. Seit einem Jahr ist Print und Online am Newsdesk zwar zusammengeführt. „Doch Menschen, die nebeneinander sitzen, reden nicht zwangsläufig miteinander.“ Crossmediales Arbeiten, macht Vorkötter deutlich, soll auch das Ende autistischen Arbeitens sein.

Erstmals Plus durch online

Mit Online und Multimedia wollen Verleger verlorene Leser zurückgewinnen und neue erreichen. Statt Auflage und Abonnements zählen Klicks. Davon hat die Main-Post reichlich. Sie war die erste deutsche Zeitung, die den Readerscan einführte, und eine der ersten, die auf den Newsdesk setzte. Das Labor der Holtzbrinck-Gruppe. Deshalb wundert es nicht, dass die Unterfranken über mehr Onlineerfahrungen verfügen als etwa hessische Zeitungen. Auf die kommt vieles erst noch zu.
13 Millionen Klicks im Monat. Tendenz steigend. „Wir haben unsere Reichweite vergrößert und verzeichnen mit Online Umsätze, die anfangen Spaß zu machen“, schwärmt Folker Quack aus der Main-Post-Chefredaktion, beziffert die Zuwächse aber nicht. Erstmals brachte Online in diesem Jahr ein Plus, doch den Medienwandel hin zu Multimedia finanziert noch immer die Zeitung. Die Main-Post hat außer ihrem Zeitungsportal viele zusätzliche Spielwiesen, etwa die Pfiffikuszeitung für Kinder, das Siebentagemagazin neun7 („das läuft nicht gut“), einen virtuellen Weinfestkalender oder den Partykanal zum Flirten, Chatten, Spielen und Hochladen eigener Fotos. Spätestens bei Titeln wie „Sexgott oder Schlafmütze?“, rümpfen Redakteure die Nasen. „Was bringt dem Verlag so eine digitale Brunftzone?“, fragt denn auch ein Journalist. Folker Quack, der gleich zweimal sagt, froh zu sein, dass die Redaktion nichts mit dem Partykanal zu tun hat, macht dennoch deutlich: Er hat den zweitstärksten Zugriff nach dem Main-Post-Portal, lenkt den einen oder anderen „Sexgott“ auf die Zeitung und, daraus macht er keinen Hehl: „Wir besetzen Felder, bevor es andere tun.“
Manches geht auch daneben, wenn sich Zeitungsinhalte im Netz tummeln. Die 1968er Bewegung im Internet zu dokumentieren, bedeutete für die Frankfurter Rundschau einen enormen Aufwand und einen grandiosen Misserfolg. „Eine Fotostrecke mit Britney Spears hätte uns mehr gebracht“, kommentierte ein Onliner lakonisch. Zu einer Verflachung werde es in der FR aber nicht kommen, verspricht Vorkötter. Es werde im Online klare Grenzen geben, hier die redaktionellen Inhalte, dort der Bürgerjournalismus. Aufgabe der Journalisten bleibe, Ordnung ins digitale Sammelbecken zu bringen. Journalisten müssten auch im Online ihre ureigenste Aufgabe erfüllen, wie Zusammenhänge aufzeigen, Hintergründe liefern und kommentieren. Allerdings zwinge das Internet auch zum Zuhören, sagt Quack. Leser steuerten ihre Meinung und eigene Informationen bei, die der Journalist, crossmedial eben, für seinen nächsten Kommentar aufgreifen kann. „Ein solches Feedback macht auch Spaß“, verspricht Medienberater Büffel, selbst überzeugter Blogger.
Und was wird künftig von Freien erwartet? Eben nicht nur Text liefern, sondern auch „den originellen Schnappschuss“ mitbringen oder ein Video, „das kann auch wacklig sein“, sagt Vorkötter. Auf die Qualität komme es nicht so an. Hauptsache lesernah.

 
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