Gesetzentwurf liegt auf Eis – CDU/CSU-Fraktion in Blockadehaltung
Generation Praktikum“ – ein Schlagwort hat in den vergangenen Jahren Karriere in den Medien gemacht. Kein Wunder, wissen Journalistinnen und Journalisten doch oft genau, worum es geht. Denn in Redaktionen kommen Praktikanten mit Studienabschluss, die in die Arbeitsabläufe voll integriert sind, besonders häufig vor. Deshalb hat die Praktika-Offensive der dju in ver.di, des DJV und der Jugendpresse Deutschland Ende März im Berliner ver.di-Haus zur Diskussion geladen: „Praktika gesetzlich regulieren – Fluch oder Segen?“ hieß die Frage an das Podium.
Fünf waren sich einig, nur einer opponierte: Staatssekretär Klaus Brandner und Abgeordnete Anette Kramme von der SPD, der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring, Jessica Heyser von der DGB-Jugend und Julia Balanowski als Vertreterin der Praktika-Offensive forderten eine gesetzliche Regelung des Praktikums(un)wesens, wie es besonders im Medien- und Kulturbereich zu finden ist. Vor einer „Überregulierung“ warnte dagegen Roland Wolf von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), der keinerlei Handlungsbedarf sah, da die Ausbeutung von Praktikanten „nur Einzelfälle“ seien.
Doch das Bild auf dem Podium spiegelte nicht die Kräfteverhältnisse im Deutschen Bundestag wider, denn hier hat die CDU/CSU-Fraktion einen Rückzieher gemacht. Vor zwei Jahren hatte es eine „Rekordpetition“ (Gehring) zur gesetzlichen Regulierung der vielfach unbezahlten und lang dauernden Praktika mit über 60.000 Unterschriften in den Petitionsausschuss des Bundestags geschafft. Die Vertreter des Arbeits- und des Wissenschaftsministeriums, zeigten sich für eine Regulierung aufgeschlossen. Arbeitsminister Olaf Scholz legte einen Gesetzentwurf vor, doch der konservative Koalitionspartner zuckte nach einem Aufschrei der Deutschen Industrie- und Handelskammer zurück. Diese hatte behauptet, durch den Zwang zu Praktikumsverträgen würde die Hälfte dieser Plätze wegfallen. Für das Podium fand die Praktika-Offensive keinen Vertreter der CDU/CSU-Fraktion, der dem überwiegend jungen Publikum den Rückzug an diesem Abend erläutern mochte.
Arbeitsmissbrauch kaschiert
„Das Gesetz ist fertig, es könnte morgen eingebracht werden“, unterstrich Brandner, Staatssekretär im Arbeitsministerium, „aber es findet keine parlamentarische Mehrheit.“ Damit ist der Versuch, die Praktika über den schwammigen Paragraphen 26 des Berufsausbildungsgesetzes (BBiG) hinaus zu regeln, für diese Legislaturperiode wohl erledigt. Nach den Vorstellungen der Befürworter sollten Praktika per Vertrag mit klaren Ausbildungszielen, Dauer und Zeugnis geregelt werden. Praktika nach einem Hochschulabschluss, einem Berufsabschluss also, müssten abgelehnt werden, erklärten die Politiker von SPD und Grünen. Arbeitgebervertreter Wolf hielt dagegen, dass „Praktika die Möglichkeit eines Einstiegs in die Arbeitsfähigkeit geben“, denn aus seiner Sicht qualifiziere nicht jedes Studium für einen Beruf. Dafür gebe es Probe- und Einarbeitungszeiten, konterte die rot-grüne Podiumskoalition.
Der Titel „Praktikum“ kaschiere oft nur einen „Arbeitsmissbrauch“, erklärte Brandner: „Das ist die Auseinandersetzung, vor der wir stehen.“ Gerade in den Medien gebe es genug Beispiele, dass Praktikanten mit voller Arbeitsleistung in die Redaktionsabläufe eingebunden seien, waren sich Arbeitsrechtlerin Kramme und die Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlags, Renate Gensch, einig. „Das ist Lohnwucher, solche Arbeit müsste nach den ortsüblichen Löhnen bezahlt werden“, stellte die Juristin fest. Der Betriebsrat des Berliner Verlags widerspreche grundsätzlich jeder Praktikumsbeschäftigung für Hochschulabsolventen, sagte Gensch.
„Den unbezahlten Jahrespraktikant darf es nicht geben“, forderte Gehring, doch er spielte den Ball an die jungen Berufseinsteiger zurück: „Wieso kommt jemand auf die Idee, zehn Praktika und mehr zu machen?“ Er erhalte Bewerbungen von jungen Leuten mit sehr gutem Studienabschluss, die während des Studiums mehrfach Praktika absolviert haben und sich trotzdem noch mal als Praktikanten anböten statt als wissenschaftliche Mitarbeiter. „Die junge Generation hat auch die Selbstverantwortung sich richtig zu bewerben.“ Die von Moderatorin Carla Kniestedt ebenfalls gestellte Frage, warum junge Leute sich nach dem Studium auf Praktikumsplätze bewerben, beantworteten Julia Balanowski von der Praktika-Offensive und Stimmen aus dem Saal mit dem Hinweis auf eine von Berufseinsteigern überrannte Branche, mit der Hoffnung, durch ein Praktikum endlich an einen der begehrten Volontariatsplätze zu kommen, mit der Aussicht, wichtige Kontakte aufzubauen um doch irgendwie in den Journalismus hineinzurutschen, mit der Furcht vor Lücken in der Biographie.
„Wenn die Unternehmer keine gesetzliche Regulierung wollen, warum haben sie dann nicht bei unserer Initiative mitgemacht, um freiwillige Standards zu setzen“, fragte Balanowski in der Abschlussrunde. „Für mich als MdB ist es ein stückweit deprimierend, dass es bisher nicht geklappt hat Praktika zu regulieren und dass die Politik keinen Mini-Schutzschirm aufgespannt hat“, sagte Gehring mit Blick auf die Wirtschaftskrise. Die SPD-Abgeordnete Kramme abschließend: „Der Wähler entscheidet und er kann sich orientieren an Themen wie Praktika, Mindestlohn und Zeitarbeit.“