Synchronschauspieler sind nicht selbstständig

Bundessozialgericht zeigt den Weg für mehr Rechtssicherheit auf

Synchronschauspieler_innen sind nicht selbstständig. Vielmehr handelt es sich bei ihrer Tätigkeit um eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das verkündete das Bundessozialgericht in Kassel Ende April. Verhandelt wurde in zwei Fällen die Frage, wie die Tätigkeit von Synchronschauspieler_innen sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen ist. Auch wenn noch kein abschließendes Urteil gefällt wurde, so stellten die Richter bereits klar, dass die Art der Tätigkeit eine Abrechnung auf Basis der Selbstständigkeit nicht zulässt.

Damit bestätigten sie die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in der Vorinstanz sowie des Sozialgerichts Berlin, des Sozialgerichts München und des Landessozialgerichts München. Die drei Gerichte fällten bereits Urteile in vergleichbaren Fällen, wonach die Tätigkeit eines Synchronschauspielers nicht selbstständig abzurechnen ist, sondern als unständige Beschäftigung. Diese Entscheidungen sind bereits rechtskräftig.

Hintergrund der Rechtsstreitigkeiten ist die seit einigen Jahren angewandte Abrechnungspraxis bei der Tätigkeit von Synchronschauspieler_innen. Nachdem jahrzehntelang nicht in Frage gestellt worden war, dass es sich bei diesen ungeschützten Berufen um eine abhängig Beschäftigung ­handelt, sorgte am 30. September 2005 ein Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger und das daraufhin von den Synchronfirmen vorgeschlagene sogenannte „16-Fälle Modell” für heftige Unruhe. Kern der neuen Betrachtung: Synchronschauspieler_innen sind selbstständig. Das an den Beschäftigungszeiten ausgerichtete Abrechnungsmodell ermöglichte den Firmen eine unterschiedliche Interpretation und damit
eine willkürliche Anwendung. Für die Synchronschauspieler_innen bedeute das vor allem Rechtsunsicherheit. „Diese zu beseitigen, war und ist deshalb ein Ziel der Klagen vor den Sozialgerichten. Gleichfalls muss das willkür­liche Vorgehen der Sozialversicherungsträger gestoppt werden”, sagt Till Vögler vom InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS). Betrachtet man die aktuelle Rechtsbetrachtung des Bundessozialgerichts, dann sei klar: „Die Vorgehensweise der Sozialversicherungsträger widerspricht dem Sozialversicherungsgesetz. Sie ist damit rechtswidrig.”

Bis zu einem endgültigen Urteil des Bundessozialgerichts wird jedoch noch einige Zeit vergehen. Es bedarf noch weiterer Ermittlungen, „um abschließend feststellen zu können, welche Art der abhängigen Beschäftigung in den konkreten Fällen vorliegt. Entweder müssen die Einsätze der Synchronschauspieler als „unständige” oder als „kurzfristige” Beschäftigung abgerechnet werden. Unzweifelhaft zum Ausdruck brachten die Richter allerdings: Wer überwiegend als Synchronschauspieler arbeitet, ist als unständig Beschäftigter abzurechnen”, heißt es in einer Pressemitteilung des IVS. Zudem befinden sich acht, teils ruhend gestellte, weitere Verfahren zu dieser Frage vor verschiedenen Gerichten in Deutschland. Sie werden durch den IVS finanziert und koordiniert und sollen nun wieder aufgenommen werden.

Angesichts der derzeitigen Entscheidungen der Sozialgerichte mit der bisherigen Abrechnungspraxis unreflektiert fortzufahren, betrachtet der IVS als „grob fahrlässige Missachtung der gesetzlichen Regelungen”. Der Verband stehe deshalb für baldige konstruktive Gespräche mit der Rentenversicherung und den Auftragsfirmen bereit, betont Till Vögler.

Pressemitteilung des Interessen­Verbands Synchron­schauspieler e.V.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »