Die Menschen vertrauen den Medien nicht mehr – oder doch? Darüber diskutierten auf Einladung von ver.di Wolfgang Donsbach, Albrecht Müller und Detlef Esslinger am 19. März bei der Veranstaltung „Vertrauenskrise der Medien“ im DGB-Haus München. Soviel sei gesagt: Einig wurden sie sich nicht.
Nur noch ein Drittel aller Deutschen glaubt an die Integrität des Journalismus – das hat Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden, schon 2009 mit einer repräsentativen Studie herausgefunden. Ein alarmierendes Ergebnis: Der Journalismus scheint den Menschen zu mächtig, zu boulevardesk, unethisch und korrupt. Auch an diesem Abend bewegt das Thema offensichtlich, sonst wären nicht so viele Menschen zur Debatte gekommen. Denen sagt Donsbach: „Journalisten müssen keine besseren Menschen sein.“ Aber Kontrollmechanismen in den Redaktionen würden helfen, die Qualität des eigenen Produkts zu gewährleisten.
Exklusiv sei diese Vertrauenskrise aber nicht. Auch das Vertrauen in politische Institutionen und Parteien schwinde, sagt der Wissenschaftler. Der Grund: Die Welt, und damit auch die Medien, seien immer komplexer und schwieriger zu verstehen. Und was der Mensch nicht verstehe, das lehne er eben ab.
Dabei haben es die Journalisten nicht einfach: Obwohl sich die Deutschen im internationalen Vergleich relativ pluralistisch informieren könnten, falle es gerade jungen Menschen durch den Einfluss des Internets schwer, qualitativ hochwertigen Journalismus zu erkennen. So zu berichten, dass alle Leser und Zuschauer zufrieden sind, sei sowieso schwierig. Das liege am sogenannten „Hostile Media Phenomenon“, erklärt Donsbach: Anhänger einer bestimmten Position tendieren dazu, die Berichterstattung zu diesem Thema als unfair wahrzunehmen – auch wenn sie eigentlich als objektiv einzustufen ist. „Wenn die Süddeutsche Zeitung also von beiden Seiten Beschwerdebriefe bekommt, dann hat sie es richtig gemacht“, sagt Donsbach, „dann hat sie die Mitte getroffen.“
Für Albrecht Müller befinden sich die Medien in einer tiefen, hausgemachten Vertrauenskrise. Jüngstes Beispiel sei der Skandal um den Varoufakis-Mittelfinger. Müllers Webseite „Nachdenkseiten“ soll ein kritischer Gegenpol zu den klassischen Massenmedien sein, die seiner Meinung nach schon lange nicht mehr ihre eigentlichen Aufgaben erfüllen. Müller sagt: „Die Medien sollten sich verändern, nicht die Kritiker.“ Denn die Berichterstattung der Medien entspreche nicht mehr der Lebenswirklichkeit der Menschen. Zwar gebe es einige „herausragende Produkte“ im Journalismus, nur verschwänden diese schnell wieder aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit. Stattdessen dominierten Kampagnen-Journalismus, mangelnde Fachkenntnis, einseitige Berichterstattung und der Einfluss von PR und Werbung. Müller nennt das „Gleichschaltung„, benutzt damit bewusst Nazi-Vokabular. Für seine Wortwahl wurde er in der Vergangenheit oft kritisiert, so auch an diesem Abend durch Detlef Esslinger.
Müller sieht „eindeutige Verbindungen“ zwischen den Medien auf der einen Seite und Politik und Wirtschaft auf der anderen. Ein Beispiel: „Kein Medium hat sich dafür interessiert, dass alle Banken systemrelevant sind“, sagt Müller. Das liege daran, dass alle Banken werberelevant seien. Dass wissenschaftliche Studien behaupten, die Medien seien wegen schwindender Anzeigenzahlen immer weniger abhängig von Werbekunden, verwundere nicht – auch die Wissenschaft sei abhängig von Wirtschaft und Politik.
Journalisten sind auch nur Menschen – so lässt sich Detlef Esslingers Position zusammenfassen. Der stellvertretender Leiter im Ressort Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung meint, es gebe keine Vertrauenskrise. Er spricht lieber von einer „Entzauberung“ oder „Enttäuschung“ von Idealvorstellungen.
Wie in jedem Beruf gebe es auch im Journalismus bessere und schlechtere Produkte. Nur: „Der Journalismus ist vom Wesen her öffentlich“, sagt Esslinger, Fehler kriege jeder mit. Es ärgere ihn aber, wenn Journalisten statt einer gewissen Redlichkeit pauschal der Vorsatz zur Lüge unterstellt werde, oder wenn gleich alle Medien für die „Pleitegriechen“-Kampagne einer Zeitung in Sippenhaft genommen würden. „Es gibt nicht die Medien“, sagt Esslinger, stattdessen würden in Deutschland zu allen Themen unterschiedliche Meinungen angeboten, zumindest auf überregionaler Ebene. Auch in der Süddeutschen Zeitung unterschieden sich die Meinungen der verschiedenen Kommentatoren.
„Wir wollen schon gern auf unsere Unzulänglichkeiten hingewiesen werden„, sagt Esslinger. Doch fehle es Journalisten, aber auch Verlegern, an einer Service-Orientierung. Das merke er an den Reaktionen der Leser. Denn die wundern sich darüber, wenn er auch wirklich auf ihre Mails antwortet, erzählt Esslinger. Also müssten sich beide Seiten ändern, Kritiker und Journalisten, sagt der Journalist. Er fordert: „Treten Sie uns mit einer gewissen Skepsis entgegen.“