Bei Klaus Stuttmanns Zeichnungen kriegen alle ihr Fett ab
KS heißt sein Signum. Die Spezies, der er zugehört, sei „überschaubar“. Nur fünfzehn bis zwanzig Zeichner leben wohl hierzulande ausschließlich von dem, was sie an politischen Tageskarikaturen produzieren. Alles „nette Kollegen“, sagt Klaus Stuttmann. Zweimal im Jahr treffe man sich, wenn die Karikaturenpreise vergeben werden. 2008 hat Stuttmann bei der „Rückblende“ – dem für ihn „wichtigsten“ Preis – wieder mal die Nase vorn gehabt. Über die Publikumsehrung beim „Deutschen Karikaturenpreis“ 2007 freut er sich besonders. Stuttmann sei in der Community „mit Abstand der Beste“, meint sein Kollege, Freund und Urlaubsvertreter Reiner Schwalme. Oft habe er einfach diese „Scheißideen“, die die Sache dermaßen auf den Punkt brächten, dass man den Einfall „lieber selbst gehabt hätte“. Stuttmann nennt das Lob „maßlos übertrieben“. Drei Dinge brauche ein Karikaturist: Zum einen politische Kenntnisse, um Situationen und aktuelle Geschehnisse schnell zu analysieren und eine Meinung zu artikulieren. Zum anderen die Fähigkeit, die Dinge zuzuspitzen und eine treffende Pointe zu finden. Und natürlich auch etwas zeichnerisches Talent. Doch das sei für die Umsetzung letztlich „gar nicht so wichtig“.
Eine künstlerische Ausbildung hat der 1949 geborene, im Schwäbischen aufgewachsene Stuttmann auch nie erfahren. Zwar zeichnete er seit seiner Kindheit, studierte dann aber Geschichte und Kunstgeschichte, um „die zeitgenössische abstrakte Malerei besser zu verstehen“. Das sei ihm zwar bis zum Ende nicht gelungen, doch er legte eine dicke Magisterarbeit vor, die sich mit den Illustrationen Wilhelm von Kaulbachs zu Goethes „Reinecke Fuchs“ befasste. Wissenschaftlich wollte er jedoch nicht weiter arbeiten. Der Zufall und die Zeiten brachten ihn zu anderem: „Ich war 1970 nach Berlin gekommen, in die Nach-68er-Zeit und habe mich als Student stark politisch engagiert. Ich habe meist die Flugblätter layoutet und die langen Texte mit Zeichnungen aufgelockert.“ Daraus einen Beruf zu machen, fügte sich, als er bei der SEW-Zeitung Wahrheit zum Karikaturisten avancierte. Die Arbeit gefiel ihm, hatte aber auch ihren Preis: Keine andere Redaktion wollte ihm etwas abnehmen, nicht einmal die Gewerkschaftsblätter. Als 1989 das Aus kam, stand auch der Karikaturist vor einer Lebenswende. Nach Monaten gelang es ihm, mit der taz ins Geschäft zu kommen. Über den Eulenspiegel folgte eine regelmäßige Mitarbeit bei der Leipziger Volkszeitung, die ihm als erste einen richtigen Vertrag anbot. Und als er dann noch begann, täglich eine Kari für die junge welt zu zeichnen, habe er im Leben „erstmals gut verdient“. Inzwischen arbeitet er regelmäßig auch für den Tagesspiegel oder den Freitag, schickt seine Zeichnungen ständig an etwa zehn Redaktionen.
Lange schien die Zeitungs-Karikatur doch eher im Verborgenen zu blühen, habe machen können, was sie wolle. Der sogenannte Karikaturenstreit mit den dänischen Mohammed-Abbildungen änderte das, erklärt Stuttmann. Bei aller Problematik: Karikaturisten seien nun „wieder wer“ im Meinungsgeschäft. Er selbst wurde 2006 wider Willen in den Strudel hineingezogen, nachdem er bewaffnete Bundeswehrsoldaten gegen iranische Spieler mit Sprengstoffgürteln an der Mittellinie hatte antreten lassen. Eigentlich eine innenpolitisch gemeinte Sache, weil über den Einsatz der Bundeswehr bei der Fußball-WM gemutmaßt wurde. Angegriffen fühlten sich vor allem Exiliraner, die ihre Fußballer-Idole verunglimpft sahen – „ein totales Missverständnis“. Dem Zeichner brachte das seinerzeit Morddrohungen und einige Tage „im Untergrund“ ein. Der Tagesspiegel, der die Karikatur gedruckt hatte, ging in die Offensive. Über fünfzig KarikaturistenkollegInnen solidarisierten sich umgehend. In Zeiten der Globalisierung sei es schwieriger geworden mit dem lokalen Humorverständnis, meint Stuttmann rückblickend. Bei allem, was mit dem Thema Religion vermengt werden könnte, sei er nun noch achtsamer. Doch Ängstlichkeit ist seine Sache nicht. Im Allgemeinen zeichne er „genau wie vorher“ – mit Distanz zu allem Herrschenden, gegen den Mainstream, aber nicht einseitig. Der Holzhammer sei sein Instrument nie gewesen. Für ihn haben Karikaturen die Aufgabe, „Widerhaken auszustreuen“, mit Andeutungen und Assoziationen zu spielen, die Betrachter intellektuell zu fordern. Und da kriegen, je nach politischer Lage, alle Protagonisten ihr Fett ab. Eine 2008er Zwischenbilanz-Werkschau, die gerade in der Berliner MedienGalerie gezeigt wurde, hatte zwar „so gut wie keine Kanzlerin“, geriet aber fast zur „Gedenkausstellung für Kurt Beck“.
Zeitungsarbeit ist unerbittlich. „Spätestens ab Mittag“ beginnt für den Zeichner die heiße Phase. Ihm muss die Pointe einfallen, mit der er ein Thema behandelt, das mit den Schlagzeilen am nächsten Morgen korrespondiert. Wenn die Idee da sei, gehe der Rest oft recht schnell. Seit 2001 zeichnet Stuttmann nur noch am Computer, findet „genial“, wie zügig er digital ändern, kontern, anpassen, versenden kann. Halb Fünf muss seine Lieferung raus sein: eine, manchmal auch zwei oder drei politische Tageskarikaturen.
Im Gegensatz zu manchem Kollegen nimmt er gelassen, dass es von seinen elektronischen Arbeiten kein Original mehr gibt. Notfalls druckt er eben eine kleine Serie und signiert mit dem angestammten KS. Er werde auch im Alter nicht mit Ölmalerei beginnen. Er sieht sich nicht als Künstler, sondern „mehr als Journalist“.