Neue Wächter für das Sprachrohr der Neurechten

Adrette junge Leute zieren die Internetseite der Wochenzeitung Junge Freiheit (JF). „Presse- und Meinungsfreiheit“ schreibt sich das Blatt, das sich selbst in der „Tradition des klassischen Journalismus“ verortet, dort auf die Fahnen. Und im Namen dieser Pressefreiheit konnte die JF im Mai 2005 einen strategischen Erfolg für sich verbuchen. Das Bundesverfassungsgericht errichtete nach einer Verfassungsbeschwerde der JF hohe Hürden für die Nennung eines Presseorgans in Verfassungsschutzberichten.

Seitdem wurde die Junge Freiheit in keinem dieser Berichte mehr aufgeführt. Beobachtet aber wird sie weiterhin. Wer das auf Saubermann polierte „Selbstverständnis“ der Zeitung im Internet zu Ende liest, ahnt, warum. „Die Junge Freiheit“, steht dort, „hält die große kulturelle und geistige Tradition der deutschen Nation in Ehren. Ihr Ziel ist die politische Emanzipation Deutschlands und Europas und die Bewahrung der Identität und der Freiheit der Völker der Welt.“

Was sich hinter diesen in vages Plastikdeutsch verpackten chauvinistischen Chiffren verbirgt, wird in dem von den baden-württembergischen SPD-Politikern Ute Vogt und Stephan Braun herausgegebenen Sammelband „Die Wochenzeitung Junge Freiheit“ akribisch zu Tage gefördert. In klaren Analysen entlarven die Autoren die doppelbödige Ausdrucksweise der JF-Mitarbeiter, die daraufhin abziele, nach außen hin einen gemäßigten Eindruck zu hinterlassen, die eingeweihten Kreise aber mit den gewünschten ideologischen Inhalten zu beliefern. So arbeitet Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Gessenharter das „volkskonservative“ Geschichtsverständnis der JF heraus. Die „deutsche Tradition“, an die angeknüpft werde, orientiere sich am Leitbild der „Konservativen Revolution“ Carl Schmitts (1888–1985) und damit an einem der „wirkungsmächtigsten intellektuellen Zerstörer der Weimarer Republik und Steigbügelhalter der Nazis“.
Weitere Beiträge lassen hinter den geglätteten Formulierungen der JF-Autoren rassistische und antisemitische Tendenzen aufscheinen. Das Fazit fällt eindeutig aus: Die Junge Freiheit bilde „unter dem Deckmantel des Konservatismus ein Scharnier zwischen Rechtsextremismus und demokratischem Spektrum“; mit prominenten Interviewpartnern als Feigenblättern und dem Ziel, den „Sagbarkeitshorizont nach rechts“ zu verlagern. Besonders heftig wird der Kampf um die Definitionsmacht von politisch-historischen Begriffen im Internet geführt. Was Margrit Chatwin in ihrem Beitrag über die Internetenzyklopädie „Wikipedia“ am Beispiel von „Edit Wars“ um den Eintrag zur JF eindrucksvoll veranschaulicht. Nicht aufgrund ihrer schmalen Auflage, sondern wegen ihrer semantischen Vorreiterrolle braucht das Sprachrohr der Neurechten daher, wie es Braun formuliert, „neue Wächter“. Indem der Sammelband Ross und Reiter der JF nennt und didaktische Perspektiven für die Auseinandersetzung mit der Wochenzeitung liefert, macht er – trotz bisweilen unnötig polemischer Formulierungen – schon einmal einen sehr guten Anfang.

 

Stephan Braun, Ute Vogt (Hrsg.):

„Die Wochenzeitung ‚Junge Freiheit’ – Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden.“

Wiesbaden:
VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007. 358 Seiten.
39,90 Euro

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Buchtipp: Fotografieren, was ist

Einfacher und präziser als mit den Worten „Fotografieren, was ist“, lässt sich das Grundprinzip bildjournalistischer Arbeit wohl kaum erfassen. Ebenso treffend ist die Entscheidung des Göttinger Steidl-Verlags, einem Fotobuch über das Werk des deutschen Reportagefotografen und Bildjournalisten Dirk Reinartz denselben Titel zu geben. Für den Band wurden Einzelbilder und Bildstrecken zum Teil neu zusammengestellt. Ein eindrucksvolles bildjournalistisches Dokument ist entstanden.
mehr »