Speziell ausgewählt und gut verpackt
Wer sich mit dem Konzept anfreunden kann, dem bietet die Neuerscheinung „Bestseller Photos“ dreifachen Genuss: Verkaufsschlager-Fotos aus vielen Teilen der Welt, sogar Aufnahmen, die im eigenen Kopf entstehen, und kurze, aber sehr informative Geschichten hinter den Bildern.
Die Idee war simpel: Der Verlag hatte anläßlich seines 40jährigen Bestehens renommierte internationale Bildagenturen um die Zusendung ihrer Erfolgsbilder gebeten. 120 Agenturen antworteten, 370 Fotos wurden für den Bildband ausgewählt: „Eine solche Bildzusammenstellung hat es noch nie gegeben“, verspricht PIAG-Projektleiter Jens Höppner.
Wenn sich „Zufallsbilder“ und „viele durchkonstruierte Stockbilder“ noch systematisieren lassen, so unterliegen die eigentlichen Motive keiner Ordnung. Da stehen Politiker- und Promifotos neben zahlreichen Tieraufnahmen.
Da findet der Betrachter mikroskopisch Kleines auf medizinischen Spezialfotos neben großflächigen Landschaftsbildern, effektvolle Werbe- und Food-Fotografien neben Momentaufnahmen von Feuerwehrleuten im Flammenmeer, Lifestyle neben einer Geiselnahme, Baukonstruktionen neben erotischen Sujets. Eine Struktur ergibt sich allenfalls aus der ganz eigenen Ästhetik jedes einzelnen Bildes. Und die entsteht erst beim Betrachter. Für den geordneten Aufbau und die klare Gliederung des Bandes allerdings sorgten die Gestalter.
Der Beteiligung von Werbeguru Michael Schirner ist auch ein inhaltlicher Höhepunkt gleich zu Beginn zu danken: „Marilyn Monroe auf Subway-Schacht“ steht da in einem schwarzen Kasten auf der sonst weißen Seite, „Arbeiter bei der Mittagspause auf einem Stahlträger des Rockefeller Center“ oder „Willy Brandt knieend am Ehrenmal der Helden des Warschauer Ghettos“. Wem schwant da was? Eine Fotoschau ohne Fotos – „nur auf den ersten Blick ist dies ein Paradoxon“. So sieht Schirner heute seine Idee zur Ausstellung „Bilder im Kopf“, die 1985 entstand. Viele der dazu ausgewählten Fotos, die „zu einem Teil unseres kollektiven visuellen Gedächtnisses geworden sind“, finden sich hier wieder – beschrieben und original. „Sind es die schönsten Bilder? Die besten? Die dramatischsten? Die grauslichsten? Nein – die wichtigsten“, meint Schirner.
Tatsächlich umspannen sie ein anderes Themenspektrum als die aktuellen „Bestseller Photos“. Für ihre Zusammenstellung galt freilich auch ein anderes Kriterium. Im zweiten Buchteil werden die „meistverkauften Fotos der Welt“ vorgestellt, die eine Art Fotokatalog kommerzieller Erfolgsmotive bilden. Eher selten fällt diese Auswahl mit der Schirner-Kategorie zusammen. Beim 72jährigen Einstein, der dem Fotografen die Zunge zeigt, allerdings schon oder bei den flüchtenden vietnamesischen Kindern nach einem Napalmangriff. Dass das nackte Mädchen „Zu heiß, zu heiß!“ schrie und später mit dem Wagen des AP-Fotografen auch ins Krankenhaus gebracht wurde, ist hier die Geschichte hinter dem Foto, die zu erfahren sich fast immer lohnt – egal, ob da die letzte Karawane über die gesamte Seidenstraße gezogen ist oder sich die Schweizer Nationalbank schwer tat, ihre Goldbarren ablichten zu lassen.
Die Entscheidung, welches Bild zum Bestseller wird, läge „in vielen Händen“, erklären die Autoren. Beim Buchmachen hatten sie vermutlich ein gutes Händchen. Alle Texte und die exakten Informationen zu Aufnahmen, Fotografen und Agenturen sind zweisprachig abgefasst.
neh
Bestseller Photos
Presse Informations AG Sinzheim 2004
456 Seiten
29,50 Euro
ISBN: 3-921864-48-8