Ein kalter dunkler Liebesreigen
Eine Zufallsbekanntschaft im Zug. Eine Frau in den besten Jahren und ein gutaussehender Vagabund. Es liegt etwas in der Luft, vielleicht ein Liebesabenteuer oder mehr. Kaum hat der eine das Abteil für einen Moment verlassen, schnüffelt der andere in dessen Sachen herum. Aber es bleibt bei solchen Heimlichkeiten, Doris und Karl bleiben gefangen in ihren coolen Rollen, keiner lässt die Katze aus dem Sack.
Bedeutungsschwer ist diese erste Begegnung in Florian Schwarz‘ großartigem, von dokumentarischer Schärfe zeugendem Debütfilm über Beziehungsunfähigkeit, Sehnsucht und Verlassenheit als Folge des Zeitgeists. Und bei der bleibt es natürlich nicht. Karl steigt in Leipzig aus und folgt Doris. Er stöbert sie und ihren alternden Geliebten Brockmann in einer Karaokebar auf. Ein kalter, dunkler Liebes- und Todesreigen beginnt, durch eine Nacht voller Wetten und Enttäuschungen: Karl wird versuchen, ein Mädchen aus der Bar abzuschleppen – schafft er es, gewinnt er ein Frühstück mit Doris. Die bereut ihren Deal, springt für einen Moment über ihren Schatten, rennt Karl hinterher und will alles rückgängig machen. Zu spät, er hat bereits eine Andere im Schlepptau und zieht die Sache durch. „Katze im Sack“ ist ein Film über Menschen, die sich nach etwas sehnen, von dem sie nur eine vage Vorstellung haben. Liebe scheint ihnen unerreichbar, nur Sex kann man kurzfristig bekommen. Nur über ihn kommen sie sich kurzzeitig näher. Und doch ist er nie mehr als eine drastische Körperübung oder Triebbefriedigung. Je mehr Zeit verstreicht, desto kälter werden auch die Bilder. Immer näher rückt die Kamera den Menschen auf den Leib und entblößt sie: Doris, wie sie sich an ihre merkwürdige Beziehung zu Brockmann klammert, ihn mal abweist, mal becirct, ihm in der vielleicht kältesten Szene ihre nackten Brüste präsentiert. Der hockt derweil auf dem Klo, deprimiert, müde und unentschieden. Sein Tod im Verlauf der Nacht lässt den Film noch finsterer werden. Und Karl, der Zocker, auch er guckt plötzlich dumm aus der Wäsche, als er auf eine junge Verführerin trifft, die ihn nur benutzt, um als erste aus dem Kreise ihrer Freundinnen entjungfert zu werden.
24 Stunden lang sind die Nachtschwärmer in Trostlosigkeit, Einsamkeit und Verzweiflung gefangen. Nur am Ende gibt es einen kleinen Hoffnungsblitz: Doris und Karl begegnen sich erneut in einem Zugabteil. Wieder liegt etwas in der Luft, beide schmunzeln. Werden Sie diesmal ihre Chance nutzen?
D 2004
Regie: Florian Schwarz
Darsteller: Jule Böwe, Christoph Bach, Walter Kreye
86 Minuten