Cyber-Krieg

Iranische Regierung verteidigt Meinungsmonopol mit allen Mitteln

Kritische Zeitungen und Internetseiten, Blogger und ausländische Sender sind ungeeignet für das iranische Volk. Findet die Regierung von Mahmud Ahamadinedschad und gründete eine iranische Cyber-Armee. Nach den Präsidentschaftswahlen und den massiven Schlägen gegen die Opposition sind mehr als 100 Journalisten und Blogger in die Türkei geflohen. 50 dieser Regimekritiker sollen in Deutschland aufgenommen werden, kündigte die Bundesregierung an. Und der Cyber-Krieg um Informationen im Iran geht weiter.

„Was gut und islamisch ist, entscheiden wir“, heißt es aus den Kreisen des Informationsministeriums. Zum Ärger der westlichen Länder sperrt das Regime von Ahmadinedschad der Bevölkerung den Zugang zu freien Informationen. Betroffen sind auch die BBC, Deutsche Welle, Voice of America und viele andere auf persisch sendende Informations- und Unterhaltungssender.
Die in die Türkei geflohenen Journalisten und Blogger wünschen sich, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Denn die Türkei pflegt eine umfangreiche, auch militärisch-geheimdienstliche Zusammenarbeit mit dem Iran. Bisher verliefen die Verhandlungen um ihre Aufnahme in die EU schleppend.
Wie eine Bilanz der Repressionen gegen Medienschaffende in der Islamischen Republik von „Reporter ohne Grenzen“ vom 6. Juni zeigt, hatten die Exilsuchenden guten Grund zu fliehen: Mehr als 170 Journalisten und Blogger, davon 32 Frauen, wurden in den vergangenen zwölf Monaten festgenommen, 37 von ihnen sind noch im Gefängnis. 22 Journalisten und Blogger wurden zu insgesamt 135 Jahren Gefängnis verurteilt. Gerade ist die iranische Journalistin Zhila Bani Jaghob, diesjährige Gewinnerin des „Reporter ohne Grenzen Award“, zu 30 Jahren Berufsverbot und einem Jahr Haft verurteilt worden. Über 80 Journalisten warten derzeit auf ihren Prozess oder ihr Urteil. Die Summe der Kautionen zur Entlassung inhaftierter Medienschaffender beträgt umgerechnet mehr als vier Millionen Euro. 23 Zeitungen wurden verboten, Tausende von Websites gesperrt. Wann und wo die Regierung will, schaltet sie sämtliche SMS-Dienste ab. Sie sperrt den Zugang zu Facebook, YouTube und Twitter.
Der Iran sendet per Satellit in verschiedenen Sprachen weltweit eigene TV-Sendungen ins Ausland. Ein Beispiel sind die TV-Sender Press-TV in englischsprachigem Programm, Salam und Sahar und Al-Alam-TV in Arabisch. Das englischsprachige Press-TV-Programm kann nur über Satellit gesehen werden. Dem eigenen Volk aber verbietet die Regierung die Nutzung von Satellitenschüsseln für den Empfang ausländischer Sender. Dafür werden Störsender eingesetzt. Die dadurch entstehende Strahlung verursache Migräne, Augenschmerzen und Atembeschwerden, klagen Mitglieder des Teheraner Stadtrats. Ihre Proteste werden ignoriert, sagt Masume Ebtekar, frühere Umweltministerin und jetzige Teheraner Statdrätin.

Millionen Portale gefiltert

„Der Satellitenbetreiber Eutelsat ermöglicht es der iranischen Regierung einerseits, seine Propaganda ins Ausland auszustrahlen. Andererseits gibt es seitens Eutelsat keine Sanktionen dagegen, dass Iran den Empfang westlicher Auslandssender wie Deutsche Welle, BBC oder Voice of America durch technische Störungen gezielt unterdrückt“, sagte die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi in einem Gespräch mit der Deutschen Welle am 19. Mai.
Nachdem die Website von Ahmadinedschad vor fünf Jahren Ziel von Hackerangriffen wurde, hat der iranische Regierungschef die Hacker für seine politischen Ziele entdeckt und versucht, diese Experten mit Geld, Erpressung und Androhung von Gefängnis für sich zu engagieren. Die „Iranian Cyber Army“ entstand, inzwischen sind über 100 Spezialisten mit modernster Technologie ausgestattet. Das Team des Informationsministeriums heiße „Simorg“ (Märchenvogel, Lämmergeier), berichtete der geflohene iranische Kommunikationsexperte Arasch Alborzie in einem Interview bei dem im Prag ansässigen Sender Radio Farda.
Die „Cyber-Armee“ der Regierung verschärft ständig ihr Internet-Filtersystem. Die Internetzensur im Iran ist eine der umfassendsten und komplexesten der Welt – die Software stammt hauptsächlich aus westlichen Ländern. Laut offiziellen Angaben wurden fünf Millionen Portale gefiltert und dazu mehrere Millionen Websites als „vorbeugende Maßnahme“ verboten. Denn nach Ansicht von Abdulsamad Khorramabadi, Mitarbeiter des Generalstaatsanwalts, verursacht das Internet durch seinen „Ozean von Informationen“ „soziale Schäden in der Gesellschaft“.
Die „Iranian Cyber Army“ arbeitet mit der Website „Gerdab“, auf Deutsch „Wirbel“. Nach Sperraktionen erscheint manchmal dieser Satz auf dem Bildschirm des Internetnutzers: „Seien Sie sicher, diese gute Sache wird von Gott belohnt werden.“ Die Revolutionsgarde, die einen erheblichen Anteil der iranischen Wirtschaft kontrolliert, hat ein Unternehmen namens „Nodschan“ gegründet, das Kommunikationstechnologie importiert. Seit geraumer Zeit sei die Revolutionsgarde auch Eigentümer der iranischen Telekommunikation. Arasch Alborzie berichtet von der psychologischen Kriegsführung der Revolutionsgarde. Sie setzt weltweit Gerüchte in Bild und Ton in Umlauf und stellt die Demonstranten als Krawallmacher und vom Westen gesteuert dar. Die Oppositionellen sind aber nicht untätig, es wird bereits von einer grünen „Cyber Army“ gesprochen. Sie habe neulich für einige Tage die Website „Gerdab“ gehackt.
Die EU sei entschlossen, dieser inakzeptablen Situation ein Ende zu bereiten, betonten die EU-Außenminister bei ihrem Ratstreffen in Brüssel am 22. März. Die Informationspolitik des Iran verstoße auch gegen Verpflichtungen, die der Iran im Rahmen der Internationalen Telekommunikations-Union (ITU) akzeptiert habe, heißt es in der EU-Erklärung.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fußball-EM: Eine Halbzeitbilanz

Spätestens seit dem Gruppensieg der deutschen Nationalelf wechselte die Stimmung im Lande von Skepsis zu Optimismus. Ausgedrückt in Zahlen: Vor dem Start des Turniers trauten gerade mal sieben Prozent der Mannschaft den Titelgewinn zu, nach drei Partien stieg dieser Wert auf 36 Prozent. Entsprechend wuchs auch das Interesse an den TV-Übertragungen.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »