Mexiko: Beim Kampf in Oaxaca wurde ein Journalist getötet
Brennende Barrikaden, schwer bewaffnete Polizisten auf der einen Seite, Bürgerwehren mit Schlagstöcken und Molotow-Cocktails auf der anderen: Oaxaca, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Süden Mexikos, erlebte Anfang November bürgerkriegsähnliche Szenen. Bei den mehrtägigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und aufständischen sozialen Organisationen gab es mindestens fünf Tote, unter ihnen ein Medienvertreter. Der US-Journalist Bradley Will wurde erschossen, als er den Angriff auf die Stadt filmte. Mehrere mexikanische Kollegen wurden verletzt.
Begonnen hatte der Konflikt im Mai, als der konservative Gouverneur Ulises Ruiz einen Streik von 70.000 Lehrern gewaltsam beenden ließ. Doch die Mitglieder der Bildungsgewerkschaft SNTE schlugen zurück: Nach wenigen Tagen heftiger Auseinandersetzungen flohen Ruiz und seine Sicherheitskräfte aus der Stadt.
Die Stadt wurde daraufhin von der „Volksversammlung der Völker von Oaxaca“ (APPO) übernommen, einem Zusammenschluss mehrerer hundert sozialer Organisationen und politischer Gruppen. Über fast fünf Monate hinweg verwaltete das Bündnis die Stadt, erhielt die Verwaltung aufrecht und baute eine Bürgermiliz auf. Ihre Forderungen: Rücktritt von Ulises Ruiz und soziale Zugeständnisse. Die „Kommune von Oaxaca“ – wie die Stadt in dieser Zeit in Anlehnung an das historische Pariser Vorbild von 1871 genannt wurde – entwickelte zunehmend Vorbildcharakter in einem Land, das von Verarmung und Korruption gekennzeichnet ist.
Die Eskalation Anfang November kam der Bundesregierung daher gerade recht. Einen Tag nach dem Mord an Bradley Will entsendete Präsident Vicente Fox rund 5.000 Bundes- und Militärpolizisten. So sollte „die Ordnung und der Friede“ wieder hergestellt werden, wie es am 28. Oktober im fernen Mexiko-Stadt hieß. Doch Fox‘ Version wurde rasch angezweifelt. Nach bisherigen Erkenntnissen war die Eskalation in Oaxaca gezielt herbeigeführt worden, um einen Vorwand für die Intervention zu liefern. Augenzeugen und das Filmmaterial, das Bradley Will kurz vor seinem Tod aufgenommen hatte, belegen: Der Überfall auf die Selbstverwaltung von Oaxaca ging von Polizisten in Zivil aus. Verantwortlich gemacht werden von der APPO zudem Paramilitärs, die der ehemaligen Staatspartei, der „Partei der Institutionellen Revolution“ angehören. Zu ihr gehört auch der umstrittene Gouverneur.
Für einen geplanten Angriff spricht das gezielte Vorgehen gegen Journalisten und Medien. Bradley Will, der für die New Yorker Internetseite des alternativen Onlineportals Indymedia arbeitete, wurde nach Augenzeugenberichten vom Dach des Rathauses aus mit gezielten Schüssen in Brust und Bauch ermordet. An anderen Stellen der Stadt wurden zugleich zwei mexikanische Pressefotografen von Scharfschützen ins Visier genommen, einer von ihnen erlitt einen Streifschuss am Bein. Zeugen waren auch nach der Besetzung Oaxacas durch die Bundespolizei nicht erwünscht: Der Stadtkern wurde abgesperrt, mehrere Fernsehteams brutal zurückgedrängt. Auch dabei gab es Verletzte.
Die Angriffe auf unabhängige Medienvertreter kamen nicht unerwartet: Von Beginn an hatten sich Aufständische und Anhänger von Gouverneur Ruiz einen regelrechten Medienkrieg geliefert. Während die APPO-Aktivisten vom Universitätsradio aus senden, sorgten ihre Gegenspieler mit der provisorischen Station „La Voz de Oaxaca“ (Die Stimme von Oaxaca) für Gegenpropaganda. Diese Station ging unmittelbar vor dem Angriff der Paramilitärs auf Sendung.
Trotz zunehmenden Widerstandes auch auf parlamentarischer Ebene weigert sich Gouverneur Ruiz zurückzutreten. Ob er im Amt bleibt, oder abgelöst wird: Jede künftige Regierung wird daran gemessen werden, in welchem Maße sie die gezielten Morde an Aktivisten und Journalisten während des Kampfes um Oaxaca aufzuklären hilft.