EJF und IJF verurteilten Angriffe auf türkische Journalisten / Wahlunregelmäßigkeiten beim Weltkongress – dju lässt Ergebnisse prüfen
Die Weichen für die Arbeit der europäischen und der internationalen Journalistengewerkschaft wurden in den vergangenen Wochen neu gestellt. Dabei wurde nicht nur jeweils eine neue Führungsriege gewählt. Im Mittelpunkt der Diskussionen der Delegierten, der Anträge und Resolutionen standen die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Arbeit der europäischen und internationalen Kolleginnen und Kollegen.
Dass es spürbare Auswirkungen besonders in der Medienbranche gibt, daran bestand kein Zweifel: Bei der britischen BBC wurde beispielsweise allein in diesem Jahr das Budget um 20 Prozent gesenkt, seit 2004 hat der renommierte britische Sender 7.000 Stellen abgebaut. Die Gehälter der zypriotischen Journalisten wurden im Zuge des von der Regierung beschlossenen Sparpakets um 60 bis 70 Prozent gesenkt. Das gefährde nicht nur die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen, sondern habe absehbar auch Auswirkungen auf die journalistische Unabhängigkeit, befürchteten die zypriotischen Delegierten. Oder, wie es die IJF in ihren Grundsätzen formuliert: „There can be no press freedom if journalists exist in conditions of corruption, poverty or fear“.
Rechte Freier stärken
„Journalismus ist ein öffentliches Gut“, stellte das General Meeting der Europäischen Journalisten Föderation daher schon in seinem Titel heraus, das vom 13. bis 15. Mai im belgischen Verviers stattfand. Um dieses Gut zu erhalten und seinen Stellenwert zu stärken, forderten die rund 80 Delegierten aus 28 Ländern, Pressefreiheit und die Arbeit der Medienschaffenden zu verteidigen. Dazu müssten beispielsweise die Rechte der freien Journalisten gestärkt werden, deren Zahl steige und deren wirtschaftliche Situation vielfach prekär sei. Diesem Trend müsse mit einer stärkeren sozialen Sicherung Freier entgegen getreten werden.
Vorgestellt wurde in Verviers auch die Kampagne der EJF zur Freilassung inhaftierter Journalisten in der Türkei. Derzeit sind dort rund 100 Journalisten angeklagt, großenteils sogar inhaftiert. Zu den verschiedenen Gerichtsverfahren an verschiedenen Orten reisen, koordiniert auch von der EJF internationale Beobachter an, die durch ihre Präsenz die Türkei an ihre versprochene Demokratisierung und ihren Einsatz für Presse- und Meinungsfreiheit erinnern wollen. Die dju in ver.di unterstützt diese Kampagne und hat dazu auch einen türkischen Kollegen „adoptiert“.
Der Weltkongress der Internationalen Journalistenföderation (IJF), der vom 4. bis 7. Juni in Dublin stattfand, verurteilte das Vorgehen der Polizei gegen Demonstrierende am Taksim-Platz in Istanbul, wo es zu schweren Auseinandersetzungen kam. Die Polizei setzte Tränengas und Panzerfahrzeuge ein, mehr als ein Dutzend Medienschaffende wurde verletzt, zum Teil schwer. Das von den rund 300 Delegierten aus 120 Ländern neu gewählte Exekutivkomitee der IJF wurde beauftragt, bei der türkischen Regierung gegen den Umgang mit der Presse zu protestieren und sich für die sofortige Freilassung der inhaftierten Kollegen einzusetzen. Mit einem Freedomwalk, der an der Gedenkstätte für die ermordete irische Journalistin Veronica Guerres vorbei führte, gedachten die Delegierten der 408 Journalistinnen und Journalisten, die seit 2010 in Ausübung ihrer Arbeit ums Leben gekommen sind: „Wir geben den Toten einen Namen“, sagte Seamus Dooley von der irischen National Union of Journalists (NUJ).
Das Thema Sicherheit nahm einen breiten Raum in der Arbeit der Delegierten ein. Zuliana Lainez, Generalsekretärin der Asociacion National de Periodistas del Peru, weiß, dass der Job in manchen Gegenden höchst gefährlich ist: „Am Leben bleiben ist das Wichtigste in Ländern wie Mexiko oder Kolumbien.“ Weitere Projekte zur Verbesserung der Sicherheit sind in Planung, das kündigte der vom Kongress bestätigte IJF-Schatzmeister Wolfgang Mayer von der dju in ver.di an.
Wahlüberprüfung. Überschattet wurde der IJF-Weltkongress von einer Unregelmäßigkeit bei der Wahl des im Amt bestätigten Präsidenten Jim Boumelha. Fünf Stimmen mehr als ausgegeben landeten am Ende in der Wahlurne. Trotz massiver Proteste beschloss eine Kongressmehrheit, die Wahl dennoch anzuerkennen. Die dju in ver.di hat dazu eine Erklärung abgegeben, in der es heißt: „Die Wahl des IJF-Präsidenten entspricht nicht den demokratischen Standards, die wir als Journalisten weltweit einfordern und ist daher nicht akzeptabel.“ Man werde den Vorgang juristisch prüfen, die weitere Mitarbeit in den IJF-Gremien stünde ausdrücklich unter dem Vorbehalt dieser Prüfung. Die dju-Erklärung wurde von einem Dutzend weiterer Gewerkschaften unterzeichnet und mitgetragen.