Massive Kürzungen im Dänischen Rundfunk

Lars Trudsø von der dänischen Gewerkschaft Dansk Magisterforening vor dem Gewerkschafts Club in Hamburg
Foto: Knut Henkel

In Dänemark hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit massiven Etatkürzungen zu kämpfen. Mitverantwortlich ist die Dänische Volkspartei. Die habe einen „Rachefeldzug“ gegen den vermeintlichen „Linkssender“ initiiert, sagte Lars Trudsø von der dänischen Gewerkschaft Dansk Magisterforening auf einer Veranstaltung der dju in ver.di am 14. Mai in Hamburg. Zentrales Thema der Diskussion waren die europaweit zunehmenden Angriffe von rechten Parteien auf Presse und Rundfunk.

„Vendetta“, Blutrache, nennt Lars Trudsø von der dänischen Gewerkschaft Dansk Magisterforening die tiefen Einschnitte, denen sich „Danmarks Radio“ gegenübersieht. „Eine 20-prozentige Etatkürzung bei einer öffentlichen Sendeanstalt ist europaweit beispiellos“, meint Trudsø, der für den Radio- und Fernsehsender arbeitet und im Hamburger Gewerkschaftshaus auf dem Podium saß. Eingeladen war er, um über die aktuelle Situation von „Danmarks Radio“, über die Hintergründe der Kürzungen und den Einfluss der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei zu informieren und zu diskutieren.

Sie ist für den 65-jährigen Radiomann die Triebfeder der Budgetkürzung, die schrittweise im Laufe der kommenden fünf Jahre erfolgen soll. Jedes Jahr muss der Sender mit umgerechnet rund 21 Millionen Euro weniger auskommen und effizienter werden – so die politischen Vorgaben. Darauf hat die Dänische Volkspartei gedrungen, auf deren Stimmen die rechtsliberal-konservative Regierung von Lars Løkke Rasmussen angewiesen ist. Die Partei, die vergleichbar mit der AfD in Deutschland sei, habe zwei zentrale Gründe: „Sie wollten uns zu mehr regionaler Berichterstattung zwingen und uns zurechtstutzen. Wir waren ihnen zu groß geworden“, meint Trudsø.

Kein Einzelfall in Europa. Die britische BBC, die öffentlich-rechtlichen Sender in Norwegen (NRK) und Schweden (SVT) müssen mit weniger Geld auskommen, wurden oder werden reformiert. Auch in Deutschland ist die Debatte nicht neu. „Im Unterschied zu Deutschland sind in Dänemark Angriffe auf Danmarks Radio und deren Reporter unbekannt. An der Qualität der Berichterstattung wird nicht gezweifelt. „Lügenpresse“ ist in Dänemark kein Begriff“, so Trudsø.

Doch hohe Qualitätsstandards und effiziente Strukturen, die „Danmarks Radio“ auch von unabhängigen Analysten bescheinigt werden, haben den Sender vor der Interessensallianz von rechten sowie liberalen Parteien und Privatmedien nicht bewahrt. 381 Kollegen hat es den Job gekostet, weitere werden in den nächsten Sparrunden folgen, so Trudsø. Der ist froh nach Hamburg gekommen zu sein, um sich auch besser mit den Kolleg*innen im Nachbarland zu vernetzten. Uni Global Union, die weltweit aktive Gewerkschaftsorganisation im Dienstleistungssektor, ist dafür genauso ein Instrument wie der direkte Austausch mit Gewerkschafter*innen wie Cornelia Berger. Die Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di sitzt neben Trudsø auf dem Podium und plädiert dafür, mehr Präsenz in sozialen Netzwerke wie YouTube und Facebook zu zeigen. „Es geht darum sich den öffentlichen Dialog wiederzuholen“, sagt sie. Dort sind Parteien wie die Dänische Volkspartei oder die AfD in Deutschland, um nur zwei zu nennen, überaus aktiv wie auch neue wissenschaftliche Analysen belegen. Doch auch das polnische Beispiel zeige wie groß die Gefahr für Berichterstattung durch die stärker werdenden rechten Parteien sei, so eine Frau aus dem Publikum: „Hier vertraut man den Gerichten, dort haben sie schon ihre Unabhängigkeit verloren. Das ist ein Warnsignal“.

Eine Einschätzung, die auf dem Podium geteilt wird. Wichtig, so Cornelia Berger, sei nicht nur die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts, sondern auch ein vielfältiges Medienangebot. Dafür brauche es Engagement. In Dänemark könnte das Engagement alsbald Früchte tragen. Dort wird am 5. Juni das neue Parlament gewählt und nach den letzten Prognosen könnte sich der Stimmenanteil der Dänischen Volkspartei dann halbieren. Nicht nur für „Danmarks Radio“ wäre das eine positive Nachricht, so Lars Trudsø. An der Vendetta gegen den Sender könnte sich dann etwas ändern.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Mediatheken löschen ihre Inhalte

In Zeiten von Video-on-demand, Streaming und Mediatheken haben sich Sehgewohnheiten verändert. Zuschauer*innen  gucken wie selbstverständlich Filme, Serien, Dokus oder Nachrichten online. Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender pflegen daher inzwischen umfangreiche Mediatheken. Sendung verpasst? In den Online-Videotheken der TV-Anstalten gibt es nahezu alle Medieninhalte, um sie zu einem passenden Zeitpunkt anzuschauen, anzuhören oder nachzulesen. Irgendwann werden sie dann aber gelöscht.
mehr »

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »