Peru: Preis wirkt auf Medien in der Region

Gustavo Gorriti und Romina Mella Prdo von IDL-Reporteros
Foto: Knut Henkel

IDL-Reporteros heißt die sechsköpfige peruanische Redaktion, die 2019 den „Global Shining Light Award“ verliehen bekam. Der international wichtigste Preis für investigativen Journalismus wird alle zwei Jahre vergeben. Für Gustavo Gorriti, Redaktionsleiter von IDL-Reporteros, ist die Verleihung nach Lateinamerika ein Glücksfall. Im Kontext der omnipräsenten Korruption könnte sie kleine unabhängige wie große etablierte Redaktionen animieren, mehr und hintergründiger zu recherchieren.

Gustavo Gorriti und seine Kollegin Romina Mella sind nervös. Alle paar Minuten greifen sie zum Mobiltelefon und kontrollieren die eingehenden Botschaften. Die verheißen nichts Gutes, denn im Parlament von Peru probten 86 Abgeordnete gerade den Aufstand gegen Präsident Martín Vizcarra. „Es sind vor allem die Abgeordneten von Fuerza Popular und der Apra, die sich mit Händen und Füssen gegen die Initiativen des Präsidenten wehren, mit denen er die Korruption eindämmen will“, erklärt Gustavo Gorriti. Der 71-Jährige leitet die sechsköpfige Redaktion von IDL-Reporteros, die am 7. Juli 2018 mit der Veröffentlichung von Telefonmitschnitten zwischen hohen Richtern korrupte Strukturen im Justizsystem des Landes aufdeckte. „Lava Juez“ so viel wie „Geldwäsche unter Richtern“ wird der Korruptionsskandal in Peru genannt und ist nach „Lava Jato“ (Auto-Wäsche) der zweite weitreichende Korruptionsskandal, den IDL-Reporteros aufgedeckt haben.

Dadurch haben sie maßgeblich zur politischen Krise beigetragen, der Präsident Martín Vizcarra derzeit beizukommen sucht, indem er das Parlament auflöste und Neuwahlen für den 26. Januar 2020 ankündigte. Für Gustavo Gorriti die einzige Option im Machtkampf mit einem Parlament, in dem die korrupten Parteien angeführt von der Fuerza Popular die Mehrheit haben. „Sie blockieren, bremsen die Reforminitiativen der Regierung, und so ist es ist zu harten Konfrontationen gekommen. Peru drohte unregierbar zu werden und alle Umfragen belegen, dass die Bevölkerung es satt hat von Kleptokraten regiert zu werden. Die Entscheidung war überfällig.“

Harte Recherche im Interesse der Allgemeinheit

Dazu haben IDL-Reporteros ihren Teil beigetragen. Bereits 2011 begannen die Journalisten unter der Regie von Gorriti und der 34-jährigen Romina Mella mit Recherchen im Kontext öffentlicher Auftragsvergaben durch den brasilianischen Baukonzern Odebrecht in Peru – drei Jahre, bevor die Ermittlungen gegen den Konzern in Brasilien publik wurden. Nach und nach wurde klar, dass keiner der letzten fünf Präsidenten Perus den Geldkuverts des Baukonzerns widerstand, der systematisch bestach, um zu Aufträgen zu kommen. Mit Ollanta Humala und Pedro Pablo Kuczynski sitzen zwei Ex-Präsidenten in Untersuchungshaft, während das Auslieferungsgesuch der peruanischen Behörden an die USA für Alejandro Toledo läuft. Ex-Präsident Alan García hingegen hat vor ein paar Monaten Selbstmord begangen, als die Ermittler bei ihm vorstellig wurden, und der fünfte im Bunde, Ex-Diktator Alberto „Kenya“ Fujimori, verbüßt seit Jahren seine Haftstrafe. Dessen Tochter Keiko zieht hingegen hinter den Kulissen die Fäden und lenkt die Blockadestrategie ihrer Partei Fuerza Popular jetzt aus der Untersuchungshaft. Dort sitzt sie, weil sie illegale Wahlkampffinanzierung vom Odebrecht-Konzern erhalten haben soll.

Ansporn für das Team und darüber hinaus

Daran hat kaum jemand in Peru Zweifel, die Zustimmung zur Partei befindet sich Umfragen zu Folge im freien Fall. Darin liegt der zentrale Grund, weshalb sich die Parlamentarier nicht nur von Fuerza Popular mit Händen und Füßen gegen die Anti-Korruptionsstrategie des Präsidenten wehren. Die Abgeordneten drohen die Immunität zu verlieren und kämpfen um ihre Pfründe, so Romina Mella. Sie leitet den regionalen Rechercheverbund „Red de Periodismo Estructurado“, der länderübergreifend recherchiert hat, wie das System der prallen Umschläge funktionierte. Als Vorteil bei der Korruptions-Recherche im peruanischen Justizsystem „Lava Juez“ erwies sich zudem die Tatsache, dass die Redaktion unter dem Dach der Menschenrechtsorganisation „Instituto de Defensa Legal“ angesiedelt ist und von mehreren Stiftungen wie der Open Society Foundation finanziert wird. „Zwei der Anwälte von IDL haben uns beraten, Tipps zu den Strukturen in der Justiz gegeben, so dass wir sehr schnell vorankamen“, erinnert sich die Journalistin, die seit der Gründung von IDL-Reporteros 2010 zur Redaktion gehört.

Schon die Nominierung für den „Global Shining Light Award“ war für sie eine Bestätigung der eigenen Arbeit. Die Preisverleihung ist nun zusätzlicher Ansporn für das gesamte Team und werde laut Gorriti in die ganze Region ausstrahlen. „Der Preis stärkt den investigativen Journalismus nicht nur in Peru, sondern in der ganzen Region und ist nicht nur Motivation für kleine, digitale Redaktionen wie wir, sondern bringt auch große traditionelle Medien in Zugzwang“, prognostiziert er. „El Comercio“, das Flaggschiff der peruanischen Tageszeitungen, hat bereits ein paar neue Gesichter eingestellt. Das könnte, so Gorriti, durchaus Schule machen in der von Korruption gebeutelten Region.

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fußball-EM: Eine Halbzeitbilanz

Spätestens seit dem Gruppensieg der deutschen Nationalelf wechselte die Stimmung im Lande von Skepsis zu Optimismus. Ausgedrückt in Zahlen: Vor dem Start des Turniers trauten gerade mal sieben Prozent der Mannschaft den Titelgewinn zu, nach drei Partien stieg dieser Wert auf 36 Prozent. Entsprechend wuchs auch das Interesse an den TV-Übertragungen.
mehr »

N-Ost: Alles ist europäisch

Vor fast 20 Jahren wurde N-Ost als Korrespondentennetzwerk für Berichterstattung und Expertise über Osteuropa gegründet. Mittlerweile versteht sich N-Ost als Medien-NGO, die sich für die europaweite Zusammenarbeit zwischen Journalist*innen einsetzt. Zum Netzwerk, das seinen Sitz in Berlin hat, gehören nach eigenen Angaben mehr als 500 Journalist*innen und Medien aus ganz Europa. Einen wesentlichen Schwerpunkt bildet die Berichterstattung aus der Ukraine.
mehr »

Das Internet als Nachrichtenquelle

„Das Internet stellt erstmals die wichtigste Nachrichtenquelle der erwachsenen Online-Bevölkerung in Deutschland dar“. So der aktuelle Reuters Institute Digital News Report 2024.  Er liefert interessante Befunde für die journalistische Arbeit – etwa zu Nachrichtenvermeidung, Medienvertrauen und Erwartungen an Nachrichtengestaltung in Zeiten zunehmender Internetnutzung.
mehr »

Fußball-EM: Zu Gast bei Freunden?

Vier Wochen vor EM-Start überraschte der Deutsche Fussballbund (DFB) mit einer originellen Kaderpräsentation. Anstelle einer drögen Pressekonferenz setzte man auf eine teils witzige Salami-Taktik: Mal durfte ein TV-Sender einen Namen verkünden, dann wieder druckte eine Bäckerei den Namen Chris Führich auf ihre Tüten. Das Bespielen sozialer Netzwerke wie X oder Instagram dagegen funktionierte nicht optimal – da hat der Verband noch Nachholbedarf.
mehr »