Schlimmer als unter Mubarak

In Ägypten wird man als Journalist kriminalisiert, wenn man seiner Arbeit nachgeht. Das ist die Schlussfolgerung aus dem Urteil eines Kairoer Gerichts gegen mehrere Journalisten des Fernsehsenders Al-Dschasira English. Für sieben beziehungsweise zehn Jahre ins Gefängnis müssen Peter Greste und seine Kollegen Mohamed Fahmi und Baher Mohamed. Sie sollen „falsche Nachrichten” veröffentlicht und eine terroristische Organisation unterstützt haben – gemeint ist die Muslimbruderschaft, die vor kurzem noch den gewählten Präsidenten stellte.


Im Juli 2013 wurde Mohamed Mursi gestürzt, und das Militär hat die Macht übernommen. General Abdel Fattah al-Sisi ist mit angeblich 46 Prozent Wahlbeteiligung zum Staatschef gewählt worden, und im Januar trat eine neue Verfassung in Kraft, die nominell die Pressefreiheit garantiert. Aber das Papier ist einmal mehr geduldig.
Die Justiz in Ägypten geht mit aller Härte gegen Anhänger der Muslimbrüder und liberale Kräfte vor, verhängte schon hunderte Todesurteile. Der Fernsehsender al-Dschasira gilt als Unterstützer Mursis und wird ebenfalls nicht verschont, zuletzt in diesem Verfahren, das zeitweise einer Farce ähnelte (siehe S. 38).

Die Besitzverhältnisse Al-Dschasiras – der Sender gehört der Herrscherfamilie in Katar, die tatsächlich die Muslimbrüder unterstützt hat – sind unglücklich, können aber das Vorgehen natürlich nicht rechtfertigen. Die verurteilten Journalisten haben während ihrer Recherche mit Mitgliedern der Muslimbruderschaft gesprochen, Hinweise, dass sie die Gruppe unterstützt hätten, konnte das Gericht nicht finden.
Folglich ist dieser Schuldspruch ein Skandal und verletzt Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in gröbster Weise.

Längst ist Ägypten in Sachen Repression wieder an dem Punkt angekommen, an dem sich im arabischen Frühling 2011 der Volkszorn gegen Hosni Mubarak entlud. Da darf die internationale Gemeinschaft nicht wegsehen. Sie sollte sich für die umgehende Freilassung der drei Journalisten einsetzen – für alle drei wohlgemerkt, nicht nur für Peter Greste, der als Australier weiß, dass die Regierung in Canberra für seine Haftentlassung kämpfen wird. Verurteilte Ägypter haben keine solche Lobby. Umso wichtiger ist der Einsatz der Zivilgesellschaft für ihre Freiheit.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Eine Stimme für afghanische Mädchen

Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Maydegol“ über viele Jahre eine junge Muay-Thai-Boxerin aus Afghanistan, die im Iran unter schwierigen Umständen für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. Im Interview erzählt Alambeigi, welche Rolle das Kopftuch für den Film spielt, was sie von der jungen Generation gelernt hat und warum der Film endet, bevor Maydegol endlich gelingt, was sie sich wünscht.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »