Das türkische Verfassungsgericht hat heute die Freilassung der beiden Journalisten Sahin Alpay und Mehmet Altan angeordnet, die seit Sommer 2016 in Untersuchungshaft sitzen. Ebenso wie der Cumhuriyet-Mitarbeiter Turhan Günay, der bereits Ende Juli letzten Jahres aus der Haft entlassen worden war, hatten sie gegen ihre Haft Beschwerde eingereicht. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Prozesse wie etwa den von Deniz Yücel sein.
Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßte die Entscheidung des Gerichts, das seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Juli 2016 „gelähmt“ gewesen sei, forderte aber zugleich die Freilassung der über 100 weiteren inhaftierten Journalistinnen und Journalisten in der Türkei. „Nach anderthalb Jahren Schweigen beendet das türkische Verfassungsgericht endlich die willkürliche Untersuchungshaft von Sahin Alpay und Mehmet Altan“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die heutige Entscheidung sollte als Präzedenzfall dienen. Wir fordern die türkische Justiz auf, die über 100 weiteren inhaftierten Journalisten freizulassen.“
Mihr hatte bereits vor zwei Tagen in einem Interview mit radioeins vermutet, dass das Gericht die Journalisten freilassen würde. Das Stillschweigen der obersten Richter in den vergangenen anderthalb Jahren habe dazu geführt, dass viele Journalist_innen, darunter auch Deniz Yücel, Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) eingelegt haben. Diese Klagen würden dem Bild der Türkei in der internationalen Öffentlichkeit jedoch immens schaden. Es sei daher davon auszugehen, so Mihr in dem Interview, dass das Verfassungsgericht dem EuGH mit einem Grundsatzurteil zuvorkommen wolle.
Das gibt auch Anlass zu neuer Hoffnung für Deniz Yücel, der nun seit knapp einem Jahr und noch immer ohne Anklage in türkischer Untersuchungshaft sitzt. Auch er hatte sowohl vor dem Verfassungsgericht der Türkei als auch vor dem EuGH Beschwerde eingereicht. Nach Angaben von ROG habe die türkische Regierung Anfang Januar ihre Stellungnahme zu Yücels Haftbeschwerde vor dem Verfassungsgericht eingereicht. Seine Anwälte hätten demnach nun eine Frist von zwei Wochen, um die Stellungnahme zu erwidern.