Ältere Frauen: Dem Fernsehvolk nicht zumutbar?

Fragen und Forderungen beim Kölner Medienkongreß über die Medienpräsenz älterer Menschen

Werden ältere Menschen in Hörfunk und Fernsehen „Überhört und übersehen?“. Diese Frage stellte ein internationaler Medienkongreß in Köln, den das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) gemeinsam mit dem WDR, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem NRW-Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit und der „Nederlands Platform Ouderen en Europa“ in Köln veranstaltete. Anlaß war zum einen das UNO-Jahr für Senioren, zum anderen lieferten aktuelle Untersuchungen zum Altersbild im Fernsehen und zur Altersstruktur der Konsument/innen Diskussionsstoff. Ein wichtiges Ergebnis: Ältere Moderatorinnen und Expertinnen werden Zuschauer/innen europaweit nicht zugemutet, wohingegen ihre männlichen Altersgenossen als besonders seriös und weise gelten, sobald sie faltig und weißhaarig sind.

Immerhin sind derzeit 35 Prozent der Deutschen über 50, 22 Prozent über 60, der Anteil wird steigen, die Frauen sind die große Mehrheit. 90 Prozent der über 60jährigen sind weder hilfs- noch pflegebedürftig, offenbar aber wird medial etwas ganz anderes vermittelt: Regelmäßig werden bei Umfragen mindestens 15 bis 20 Prozent der Alten im Heim vermutet (es sind nur etwas über 5 Prozent), Alter wird bei uns mit Krankheit und geistigen Defiziten verbunden. Zwei Klischees überwiegen: gesunde, reiselustige, wohlhabende „junge Alte“ oder pflegebedürftige Greise. Ganz anders in den USA: Dort sind es die fitten, fidelen Alten, die wellnessmäßig über den Bildschirm hüpfen und in Japan ist das Alter immer weise und erhaben. Dabei bleibt dort wie hier die Vielfalt einer Gruppe auf der Strecke, die so heterogen ist wie noch nie. Wer mit Mitte 40 arbeitslos wird, gilt als „älterer Arbeitsloser“, wer mit 90 chinesische Existenzgründer berät, als dynamischer Seniorpartner, Frührentner mit 58 beginnen ein Studium, 75jährige Witwen treten ihre erste Welttreise an, aber es gibt auch die 54jährige Großmutter, die ihre 80jährigen Eltern pflegt. Das macht Forderungen nach eigenen Sendungen so schwierig, wie sie beispielsweise die Bundesseniorenministerin Bergmann erhob. („Da ist so viel im Umbruch, daß die Bilder nicht nachkommen.“)

Sendungen mit Kultstatus

Erstmals wurde in einer (nicht repräsentativen) SWR-Umfrage tatsächlich mehrheitlich der Wunsch nach eigenen Sendungen geäußert – bislang war das nie der Fall. Einer KDA-Studie zufolge gibt es in 122 befragten Sendern ganze acht Sendungen, die sich speziell an ein älteres Publikum wenden. Geradezu „vorbildlich“ nennt das KDA den WDR mit „Addis Stunde“ im West-Fernsehen, präsentiert vom 66jährigen ehemaligen Sportredakteur Addi Furler und die beliebteste Hörfunksendung Deutschlands, „In unserem Alter“ auf WDR 4, mit samstäglich 2 Millionen Hörerinnen und Hörern. Gerade abgeschafft werden soll im ORB die Sendung „Aktiv“ speziell für ältere Ostdeutsche, Kultstatus hat dagegen seit 30 Jahren der „Seniorenclub“ im ORF für Hochbetagte, der SWR verfolgt bis 2008 das Leben von 30 Menschen nach der Pensionierung, in Frankreich ist „Radio bleu“ eine eigene Hörfunkwelle für die 50 plus x Generation. „Im Gesamtprogramm bestens vertreten“ sieht WDR-Fernsehchef Nikolaus Brender die Älteren, seine Hörfunkkollegin Monika Piel verwies auf ganz überwiegend älteres Publikum bei den Hörfunkwellen 3 und 5.

Eine frische WDR Studie ermittelte zwar in gut einem Viertel aller Sendungen (in ARD, ZDF, WDR, RTL, SAT 1, ProSieben) und in gut einem Zehntel aller Einzelbeiträge Ältere als Akteure, man registrierte aber nur 1 Prozent „Altersthemen“. Bei früheren Untersuchungen wurden höhere Anteile von Auftritten Älterer ermittelt – obwohl über 71 Prozent der ZDF-Gucker und 67 Prozent der ARD-Zuschauer über 50 sind und auch das „junge“ RTL 45,5 Prozent über 50jährige Seher hat. Die WDR-Studie ermittelte als stereotype Altersbilder männliche Experten, Egozentriker oder etwas vertrottelte Typen, Frauen, wenn überhaupt, erscheinen als Omis oder traditionelle Hausfrauen. In Nachrichten und Magazinen, den bevorzugten Sendungen Älterer, wird über das Alter vorzugsweise mittels passivem Leiden berichtet. Die Präsenzchance für über 60jährige steigt, wenn sie Prominente aus Kultur- und Showgeschäft sind oder sich durch Skurrilität unterscheiden. Insofern ist das Altersbild im Fernsehen gar nicht altersspezifisch oder -diskriminierend, sondern fernsehgerecht. Die WDR-Medienforschung konstatierte zudem, daß im Gegensatz zur sozialen Realität in der Fernsehrealität auf eine Frau drei Männer kommen. Das entspricht den realen Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen. Auch nach einer europäischen Studie erscheinen Expertinnen über 65 Jahre überhaupt nicht auf dem Bildschirm („No female experts, aged over 65, were presented“) und im Alter zwischen 50 und 64 Jahren kommt eine einzige kompetente Frau auf neun Männer: In Regierungen und Wirschaft haben eben Männer ab 50 das Sagen. Die Programme natürlich werden auch von über 50jährigen gemacht.

Für die Werbung nicht existent

Für die Werbung sind auch diese bedeutenden Männer völlig irrelevant, beziehungsweise nicht vorhanden: Kein Werbetreibender zahlt in Deutschland für Sendungen, die von Menschen über 49 Jahre gesehen werden. SAT 1 mußte bekanntermaßen „Der Bergdoktor“ oder das „Glücksrad“ gerade wegen ihrer Beliebtheit bei den Oldies absetzen. Für die Werbung beginnt das Alter mit 49, für Sendungen, die sich an das Durchschnittsalter beispielsweise des Bundeskabinetts richten, zahlt im kommerziellen Rundfunk niemand, in den USA geht das konsumrelevante Alter gar nur bis 35. „Kukidents“ nannte RTL-Senior Helmut Thoma seine Altersgenossen: Sendungen mit fünf Millionen Zuschauern, von denen drei Millionen unter 50 sind, bringen erheblich mehr Werbegelder als Programme mit sieben Millionen, von denen sechs den 50. Geburtstag hinter sich haben. Bei den Öffentlich-Rechtlichen sieht man folgerichtig in den Werbezeiten auch nur schöne junge konsumfreudige Menschen.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Mediennutzung Älterer, was meistens ab 55 Jahren heißt, nicht von der Jüngerer, sie schauen aber eine ganze Stunde länger am Tag ins Fernsehprogramm. Information (steigend mit dem Alter) mehr als Unterhaltung, wobei sie selber in der Unterhaltung noch wesentlich weniger vorkommen als in Informationssendungen. (Wenn „ein Rau“ oder „ein Biedenkopf“ in den Nachrichten erscheint, steigt für die Forscher natürlich der Faktor „Anteil Älterer“ stark an).

Wie es sich für einen ordentlichen Kongreß gehört, wurden zum Ende Forderungen formuliert: „Klischeefreie Altersbilder“ soll es geben, vor allem Vielfalt und auch in der Werbung das trottelige und verspottende Image korrigiert werden. Unter anderem verlangt man, daß ältere Frauen wesentlich mehr im Programm vertreten sein müssen. Das könnte insofern funktionieren, als die nächsten Frauengenerationen, die in Rente gehen, wesentlich besser ausgebildet sein werden als die jetzigen. Und die wollen vielleicht einfach keine krakeelenden Greisinnen oder häkelnden Omis mehr sehen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Kodex für mehr Respekt beim Film

Auf Initiative der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) und Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen und Audiovisuelle Medien hat eine Gruppe aus Branchenvertreter*innen von Verbänden, TV-Sendern, Streamingdiensten, Förderern und unter Beteiligung der BKM, der Themis Vertrauensstelle e. V. und der BG ETEM nach über einem Jahr gemeinsamer Beratung heute den Respect Code Film (RCF) beschlossen.
mehr »

rbb-Intendantin blockiert Tarifeinigung

ver.di ruft die Beschäftigten des rbb ab dem 30. Oktober 2024 zu einem dreitägigen Warnstreik auf. Grund ist die Weigerung der Intendantin Ulrike Demmer, den seit dem Frühjahr ausgehandelten Beendigungsschutz-Tarifvertrag für freie Beschäftigte im Programm zu unterzeichnen und in Kraft zu setzen. Dabei hat auch der Verwaltungsrat dem Tarifvertrag schon seit Monaten zugestimmt.
mehr »

Keine Rundfunkreform ohne faire Finanzierung

Die heutige Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Leipzig hat sich auf ihrer Sitzung zu einer Rundfunkreform in mehreren Staatsverträgen geeinigt. Zu einer Reform oder bedarfsgerechten Erhöhung des Rundfunkbeitrages konnte keine Einigung erzielt werden. ver.di kritisiert die Verzögerung und fordert eine angemessene Finanzierung.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »