Weimer, ein konservativer Kulturkämpfer

Foto: ver.di

Der neue Staatsminister und Bundesbeauftragter für Kultur und Medien Wolfram Weimer gilt politisch als Vertreter des liberal-konservativen Spektrums. Als ausgewiesener Kenner der Kulturpolitik war er bis zu seiner überraschenden Berufung im Mai nicht aufgefallen. Dagegen kann er aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen als Chefredakteur diverser Blätter (Welt, Cicero, Focus) sowie als Verleger des Magazins The European im Medienbereich eine beachtliche Expertise vorweisen.

Seinem Beitrag zum fast vergessenen Kampf um die Schönheit der deutschen Sprache, verlieh Weimer gleich zu Beginn seiner Amtszeit neue Aktualität. Ganz auf  Linie seines bereits 2018 veröffentlichten „Konservativen Manifests“ untersagte der Staatsminister per Amtsschreiben in seiner Behörde das Gendern. Ausgerechnet in der Bild am Sonntag machte er sich Anfang August stark für den entsprechenden „Erhalt der Sprachkultur im Land der Dichter und Denker“. Gegenüber der dpa forderte er darüber hinaus alle öffentlich geförderten Institutionen auf, dieser Linie zu folgen – „von Museen über Stiftungen bis hin zu Rundfunkanstalten“. Die Begeisterung über Weimers missionarischen Eifer hält sich einstweilen in Grenzen.

Digitalabgabe erwünscht

In seiner Bundestagsjungfernrede formulierte er als Credo, die Politik solle nicht versuchen, „Kultur und Medien zu instrumentalisieren“. Erste Umrisse seiner Vorhaben sind inzwischen zu erkennen. Für einige Aufregung sorgte Ende Mai seine Ankündigung, eine Digitalabgabe für die Betreiber großer Online-Plattformen nach österreichischem Vorbild einzuführen. Konzerne wie Alphabet/Google, Meta/Facebook-Instagram und Co. „profitieren enorm von der medialen und kulturellen Leistung sowie der Infrastruktur unseres Landes“, so Weimer, „sie zahlen aber kaum Steuern, investieren zu wenig und geben der Gesellschaft viel zu wenig zurück“.

In Österreich sind die BigTech-Plattformen bereits seit 2020 verpflichtet, fünf Prozent ihrer Werbeeinnahmen abzuführen. Ähnliche Regelungen gibt es auch in Frankreich und Großbritannien. Weimer schlägt sogar eine zehnprozentige Abgabe vor. Aus dem Regierungslager erntete er sofort Widerspruch. „Wir sollten nicht über mehr, sondern über weniger Handelshemmnisse sprechen“, begründete Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ihre Ablehnung. Auch Digitalminister Karsten Wildberger zeigte sich zurückhaltend. Deutschland solle lieber „selbst Digitalkonzerne groß machen“.  Möglicherweise zeigten Drohungen der US-Regierung mit Strafzöllen Wirkung.

Ambitionen in viele Richtungen

Völlig überraschend kam Weimers Vorstoß indes nicht – immerhin enthält der Koalitionsvertrag einen Prüfauftrag für die Einführung der Digitalabgabe, „deren Erlöse dem Medienstandort zugutekommen“ sollen. Das entspricht auch der ver.di-Forderung, mit einer solchen Digitalsteuer hierzulande „eine vielfältige unabhängige Medienlandschaft und die digitale Souveränität“ zu fördern

Ambitioniert hatte sich der Staatsminister auch in Sachen Filmpolitik gezeigt. Von den großen US-Streaming-Anbietern Netflix, Amazon Prime und Disney+ forderte er verstärktes Engagement. „Wer vom deutschen Markt und steuerfinanzierter Förderung profitiert, soll auch vermehrt in deutsche Filmproduktionen investieren. Vor einem Streaming-Gipfel mit den US-Branchengrößen plädierte er für entsprechende „freiwillige Selbstverpflichtungen“. Konkrete Zusagen vermochte er bei dem Treffen jedoch nicht einzusammeln.

Immerhin hätten alle das Ziel, „den Produktionsstandort in Deutschland zu stärken“, resümierte er danach und versprach, weitere Anreize zu schaffen, „um diese Dynamik zu verstärken“. So werde Deutschland „eine Heimat für die kreative Wertschöpfung und mehr Erfolgsserien und Blockbuster made in Germany“.

Die materiellen Voraussetzungen dafür soll der von Weimer ausgehandelte neue Rekordetat für Kultur und Medien liefern. Der Regierungsentwurf für seinen Haushalt sieht für 2026 Ausgaben in Höhe von 2,5 Milliarden Euro vor – gegenüber dem Vorjahresentwurf ein Plus von rund zehn Prozent, was Weimer prompt als „kultur- und medienpolitischen Aufbruch“ feierte.

Filmförderung soll profitieren

Ein Großteil der Steigerung soll dabei auf die Filmförderung entfallen, eine auf den ersten Blick gute Nachricht für die Filmbranche. Dieser Eindruck einer Verdoppelung der Mittel von 133 auf 250 Millionen Euro im nächsten Jahr täuscht allerdings. Knapp die Hälfte des Gesamtvolumens steht unter Sperrvermerk und bedarf der Freigabe durch den Bundesfinanzminister. Damit wird ein Junktim zur Investitionsabgabe der Streaming-Plattformen geschaffen, wie sie die Produktionsallianz (ein Branchenverband mit 375 Mitgliedern) in Höhe von 20 Prozent des Umsatzes in deutsche Produktionen fordert. Ob sich Netflix & Co. darauf einlassen, ist aber fraglich. In der Filmbranche sei bereits von „Erpressung“ die Rede, da die dringend benötigten Fördermittel nur im Falle einer Einigung Weimers mit den Streaming-Anbietern freigegeben würden, bemerkte die FAZ.

Der Koalitionsvertrag bekennt sich pflichtschuldig zu einem „pluralen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Allzu viel Sympathie scheint der neue Staatsminister für ARD und ZDF allerdings nicht zu empfinden. Zumindest missfällt ihm die aktuelle Finanzierung. Noch vor drei Jahren polemisierte er in seinem European gegen deren mit „Zwangsgebühren“ erzielten „Rekordeinnahmen“.

TV-Treffen im Kanzleramt

Mangels Zuständigkeit schaltete Weimer sich umso vehementer in die gegenwärtig laufenden Machtkämpfe im Privatfunk ein. Konkret geht es um eine mögliche Übernahme des TV-Konzerns ProSiebenSat.1 durch den von Pier Silvio Berlusconi (Sohn des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio) geführten Großaktionär Media for Europe (MFE). Einziger potenter Wettbewerber ist der zweite Großaktionär von P7S1, das tschechische Unternehmen PPF. Im Interview mit dem Spiegel zeigte sich Weimer besorgt, ob im Falle eines Zuschlags für MFE „die journalistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit auch nach dem Eigentümerwechsel gewahrt bleibt“. Die zum Regierungsbündnis von Georgia Meloni gehörende Partei Forza Italia steht nach wie vor unter dem Einfluss der Berlusconi-Familie.

Im September will Weimer den MFE-Chef im Kanzleramt treffen, um die Konsequenzen des möglichen Deals für den TV-Standort Deutschland zu erörtern. Möglicherweise sind dann schon alle Messen gesungen. In der ersten August-Woche empfahlen Vorstand und Aufsichtsrat von P7S1, im laufenden Übernahmekampf den Aktionären das nachgebesserte MFE-Angebot anzunehmen.

Medienrechtliche Mittel zur Verhinderung des Einstiegs von Berlusconi stehen Weimer kaum zur Verfügung. Das deutsche Medienkonzentrationsrecht dürfte in diesem Fall kaum greifen – schließlich ist die Präsenz italienischer Unternehmen auf dem deutschen Markt bescheiden. Nicht ausgeschlossen, dass der deutsche Sender nach und nach auf die populistische Linie der neuen Mehrheitseigner umgepolt wird.

Ein Sender, auf den Weimer sehr wohl Einfluss nehmen kann, ist die Deutsche Welle. „Angesichts des drohenden Wegfalls der amerikanischen Sender Voice of America und Radio Free Europe“ gelte es, die Deutsche Welle „in ihrer Rolle als Stimme der Freiheit noch weiter zu stärken, um Menschen weltweit mit unabhängig und sorgfältig recherchierten Nachrichten zu versorgen“, sagte Weimer bei seinem Antrittsbesuch im Juni. Am 1.Oktober 2025 tritt die bisherige Verwaltungsdirektorin Barbara Massing die Nachfolge von Peter Limbourg als neue Intendantin an. Der Bund finanziert die Welle aus dem Kultur- und Medienhaushalt in diesem Jahr mit mehr als 400 Millionen Euro.

 

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