Filme zur weltweiten ökologischen und politischen Krise
Wer über politische Filmemacherinnen auf dem Laufenden sein will, tut gut daran, das jährlich – abwechselnd in Dortmund und Köln stattfindende – Internationale Frauenfilmfestival (IFFF) zu besuchen. Die in Dortmund gezeigten Spiel- und Dokumentarfilme sind Gradmesser, bei welchen Themen „Handlungsbedarf besteht, die Welt zu verändern“. Unter anderem ging es um den Klimawandel, Fluchtbewegungen und soziale Ausgrenzung, sowie den medialen und politischen Umgang mit der Gefahr atomarer Verseuchung, den Krieg in Afghanistan und radikalen Feminismus.
Viele der rund 7.500 Besucherinnen haben das Internationale Frauenfilmfestival vom 12. bis 17. April als Aufruf zum Protest mit filmischen Möglichkeiten erlebt. Das Festivalteam unter Leitung von Silke Räbiger (Foto) führte vor Augen, auf welch spannende Weise Filmemacherinnen weltweit sich politisch einmischen und künstlerisch provokativ mit realen Problemen auseinandersetzen. Angesichts der in Dortmund gebotenen Vielfalt war zu verspüren, welch erschreckende kulturelle und politische Enthaltsamkeit das öffentlich-rechtliche Fernsehen bestimmt. Das nehme seinen verfassungsgemäßen Bildungsauftrag kaum mehr wahr, war aus dem Publikum und auf Diskussionspodien zu vernehmen.
Das Festival zeigte hingegen in Spielfilmen im Wettbewerb und seiner Programmsektion „Was tun – Filme zur Situation“ 50 zeitgemäße und historische Filme zur weltweiten ökologischen, politischen und ideologischen Krise. Deutlich wurde, dass Filmemacherinnen aus aller Welt sich mit der Ratlosigkeit gegenüber globalen Problemen auseinandersetzen. So lag das Festival trotz seiner bereits langzeitig voraus geplanten Thematik auch nach der japanischen atomaren Katastrophe am Puls der Zeit: „Als hätten wir es geahnt“, so Stefanie Görtz, Pressereferentin des Festivals.
Die Umweltorganisationen Attac, Greenpeace und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beteiligten sich maßgeblich am Festival. Alles drehte sich um Klimaerwärmung, Umweltzerstörung und Konsumverhalten. Der BUND präsentierte den Film von Briar March „There was once an island“ (Es war einmal eine Insel). Die Neuseeländerin zeigt die Bedrohung der Menschen in Takuu, einem Atoll im Südpazifik: Die steigende Flut zwingt die Bevölkerung der Insel zum Umzug aufs Festland. Nichts wird mehr sein wie zuvor: Vorbei mit dem ehemals weitgehend selbst bestimmten Leben auf der einst traumhaften Insel; deren Bewohner werden künftig anderswo ihre Haut mit Lohnarbeit zu Markte tragen müssen. Ein in Kooperation mit Attac gezeigter Schweizer Film „A road not taken“ (Ein Weg, der nicht genommen wurde) von Christina Hemauer und Roman Keller rollt ein vergessenes Kapitel amerikanischer Umweltpolitik auf: Präsident Jimmy Carter hatte schon 1979 auf dem Dach des Weißen Hauses Sonnenkollektoren installieren lassen, unter Ronald Reagans Regime waren sie wieder entfernt worden. In Franny Armstrongs Dokudrama „The Age of stupid“ schildert der Oscar nominierte und kürzlich verstorbene Schauspieler Pete Postlethwaite unsere nahe Zukunft: 2055 steht London unter Wasser, Las Vegas versinkt im Wüstensand, die Arktis ist nahezu komplett geschmolzen. Armstong sollte für die anschließende Filmdiskussion per Video live zugeschaltet sein, weil die Regisseurin konsequenterweise mit ihrer Reisetätigkeit nicht ausufernd dazu beitragen wollte, solche Prozesse zu beschleunigen. Zwar mussten die Zuschauerinnen erleben, dass die Übertragungstechnik nicht funktionierte – was aber der Aufbruchstimmung keinen Abbruch tat, sondern nur realistisch zeigte, dass eventuell künftig einige Dinge auch ohne Perfektionsanspruch funktionieren müssen. Greenpeace hatte den Film gesponsert; einer der Aktivisten der Organisation war zur Stelle, um dafür zu werben, sich in lokalen Gruppen zu organisieren und Aktivitäten zu entwickeln, „den von Konzernen initiierten Wahnsinn zu stoppen“.
Protest kann nicht nur in Schwellenländern stattfinden, wie die ermutigende Dokumentation von Kim Longinotto „Pink Saris“ zeigt, die aufgrund einer starken Protagonistin nahezu spielfilmartige Züge aufweist. Die Anführerin der feministischen Kämpferinnen in der nordindischen Region Uttar Pradesh Sampat Pal Devi hat ihre Lektion gelernt: „Bist Du schüchtern, stirbst Du“. In leuchtend pinkfarbene Gewänder gehüllt tritt sie gemeinsam mit anderen Frauen der niederen Kaste für Frauenrechte ein. „Du wirst heulen wie ein Schlosshund“ und „Ich werde dich ins Gefängnis bringen“, brüllt sie Patriarchen an. Davon, dass Letzteres gar nicht so einfach ist, weil die Gesetze die Handschrift der Unterdrücker tragen, lässt sich Devi nicht beeindrucken: Im örtlichen Polizeirevier erhebt sie ihre Stimme und droht mit der Presse.
Welche verheerenden Wirkungen internationale Waffenlieferungen für die afghanische Bevölkerung haben, zeigte die mit dem auf 10.000 Euro dotierten Dokumentarfilmpreis ausgezeichnete Filmemacherin Helga Reidemeister: „Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul“: Mit ihrem Dokumentarfilm stellte sie unter Beweis, dass ein politisch engagierter Film mitnichten ein langweiliges Lehrstück sein muss, sondern sein Publikum emotional mitreißen kann. Reidemeister, bereits seit 1968 politisch aktiv, machte deutlich, dass der Trend beim freien Dokumentarfilm wieder hin zur Parteinahme geht. Zurückhaltung sei eine typische Spielregel von fest angestellten Journalisten, die eine bürgerliche Karriere haben, so die Filmemacherin. „Wir freien Dokumentarfilmer sind eher Anarchisten, die sehr diszipliniert arbeiten. Um Ergreifendes von Menschen zu erzählen, gelte es, heftig daran zu arbeiten, „keine Distanz aufkommen zu lassen“.