Beitragsklau ohne Honorar

ARD-Sender informieren nicht über Weiterverwendung von Fernsehbeiträgen

Hochwertige Fernsehbeiträge kosten Geld. Und Geld ist angeblich rar in den Sendeanstalten der ARD. Die Folge sind immer neue Wiederholungen von Magazinbeiträgen – ohne dass der freie Autor darüber informiert wird. Journalisten können die Wiederholungstermine nicht an die VG Wort melden und verlieren somit Vergütungen (siehe „M“ 5 / 2003). Das wollen acht WDR-Freie nicht länger hinnehmen.

Der Kölner Sender wurde aufgefordert, in Zukunft über Wiederholungen zu informieren. Weigert sich der WDR, wollen die Freien mit Unterstützung des verdi-Landesbezirks NRW gegen den Sender klagen.

Doch der Unmut freier Kolleginnen und Kollegen geht noch weiter. Sie beobachten, dass ihre Fernseh-Beiträge regelrecht ausgeschlachtet werden. So berichtet ein WDR-Fernsehjournalist, dass er Teile seines Films zufällig im ARD-Magazin „Planet Wissen“ wieder entdeckt hat. „Die haben die Hälfte meines Films verwendet“, erzählt der Kollege. „Aber mit neuem Text und neuer Musik.“ Sein Autorenname sei nicht genannt worden.

Noch dreister ist, was einer freien Autorin widerfahren ist: Ihr Fernsehbeitrag, eine originell gemachte Posse aus der Welt der Kommunalpolitik, stieß auf große Resonanz. Am Tag nach der Ausstrahlung im WDR-Fernsehen riefen Zeitungen und Sendeanstalten an. Sie wollten das Thema ebenfalls bringen. Auch der NDR meldete sich. Die NDR-Frau habe zunächst von Übernahme für das Satiremagazin gesprochen. „Dann bat sie um Hintergrund-Informationen, stellte zahlreiche Fragen zu meinen Recherchen“, so die Autorin. Am nächsten Tag meldete sich die Anruferin erneut, fragte nach den Drehkassetten, der NDR wolle den Beitrag umschneiden. Was die Autorin verblüffte: Ihr Name sollte im Beitrag nicht genannt werden. Sie rief den zuständigen Redakteur an. Der erklärte, es sei völlig üblich, die Beiträge anderer Sender auszuschlachten und mit anderem Autorennamen zu versehen.

Name muss genannt werden

Unsere Autorin verwies auf den WDR-Urhebertarifvertrag, in dem es unter Punkt 6 ausdrücklich heißt: „Bei Änderungen, Bearbeitungen … ist … das Urheberpersönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zu wahren.“ Und: „Der Mitarbeiter ist von Änderungen … unverzüglich zu unterrichten.“ Was Sinn macht. Schließlich hat die Autorin das Thema recherchiert, sie kann z. B. sagen, ob trotz Kürzungen der Sachverhalt korrekt wiedergegeben wird. Und zur Namensnennung steht im Tarifvertrag unter Punkt 15: „Bei der Weitergabe von Produktionen des WDR an Dritte ist eine entsprechende Urheberbenennung sicherzustellen.“ Der NDR-Redakteur habe dagegen erklärt: „Ich kann mit dem Material machen, was ich will.“

Im geänderten Text drei Fehler gefunden

Doch es kam noch bitterer: Unsere freie Journalistin hatte das Thema inzwischen selbst einer ARD-Redaktion angeboten. Die war interessiert, sagt die Autorin, sie habe mit einem Autorenhonorar in Höhe von 2.000 Euro gerechnet. Doch daraus wurde nichts. Denn die NDR-Redaktion „Panorama“ hatte inzwischen erfahren, dass der WDR-Film eingetroffen war – und den Beitrag für die nächste „Panorama“-Sendung „angemeldet“. Damit war das Stück für andere ARD-Sender gesperrt. Der Autorin platzte jetzt schier der Kragen. Sie rief wiederholt bei „Panorama“ an, pochte auf ihre Rechte – und setzte schließlich am Sendetag durch, dass ihr Name im Beitrag insertiert wird. Auch den vom NDR geänderten Sprechertext bekam sie zum Gegenlesen zugefaxt. „Auf meine ausdrückliche Forderung hin“, so die Autorin. Zum Glück für den NDR. Denn der geänderte Text enthielt drei Faktenfehler, die so wenige Stunden vor Sendung noch korrigiert werden konnten. Erst nach Ausstrahlung des Beitrags erklärte sich der NDR bereit, ein Autorenhonorar von 700 Euro zu überweisen.

Lediglich ein „Einzelfall“

Kuno Haberbusch, Abteilungsleiter von Panorama / Extra 3, erklärt dazu auf Anfrage des ver.di-Landesbezirks NRW: Es handele sich um einen „Einzelfall“. In diesem Fall sei eine Regelung getroffen worden, die „weit über das eigentlich zulässige hinausging.“ Darüber hinaus gebe es „keine Übernahme von WDR-Beiträgen“. Außerdem erklärt Haberbusch: „WDR-Verträge sind für NDR-Redaktionen nicht bestimmend.“ Wolfgang Schimmel, beim ver.di-Fachbereich Medien in Stuttgart zuständig für Rechtsfragen, betont hingegen: „Auch nach dem Tarifvertrag beim NDR sind willkürliche Bearbeitungen und die Weglassung der Autorenangabe unzulässig.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »