Der Gang nach Erfurt

Keine Beilegung des Streits um das Redaktionsstatut beim „Mannheimer Morgen“

Nun ist es offiziell: Per Brief bekamen die Redakteurinnen und Redakteure der nordbadischen Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ mitgeteilt, dass Herausgeber, Geschäftsführung und Aufsichtsrat „wegen des LAG-Urteils Revision beim Bundesarbeitsgericht einlegen“ werden. Zugleich bleibt das Redaktionsstatut nach Auffassung u.a. der Geschäftsführung „bis zu einer letztinstanzlichen Klärung aller Fragen außer Kraft“. Zudem werde durch den Rechtsanwalt des Hauses geprüft, „inwieweit das LAG-Urteil aufgibt, Änderungskündigungen vorzunehmen“.

Der damit feststehende Gang des Hauses „Mannheimer Morgen“ vor das Bundesarbeitsgericht nach Erfurt kommt eigentlich nicht überraschend, hatte er sich doch schon am Ende des Prozesses am 5. Mai abgezeichnet (siehe „M“ 7/2000 und 8-9/2000). Überraschend ist allerdings die Unverfrorenheit, mit der sich Herausgeber, Geschäftsführer und Aufsichtsrat über die Rechtsprechung insofern hinwegsetzen, als sie das Statut als nach wie vor „außer Kraft“ gesetzt sehen. Im schriftlichen Urteil des Richters Ulrich Jaeniche wird nämlich unmissverständlich „festgestellt, dass die Kündigung des Redaktionsstatus des ,Mannheimer Morgen‘ vom 4. 1. 1996 rechtsunwirksam ist und das Redaktionsstatut ungekündigt fortbesteht“.

Der Redaktionsrat des „Mannheimer Morgen“ äußerte sich deshalb befremdet über das Vorgehen der Geschäftsleitung und wies in einem eigenen Schreiben an die Redakteurinnen und Redakteure nachdrücklich darauf hin, dass „Herausgeber und Geschäftsführung nach dem erstinstanzlichen Urteil, bei dem der Verlag als Sieger hervorging, erklärten, dieses Urteil sei gültig und müsse selbstverständlich repsektiert und praktiziert werden“. Jetzt aber, da durch das zweitinstanzliche Urteil des Landesarbeitsgerichts die Redaktion besser dastehe, wolle der Verlag wider den Wortlaut der Urteilsbegründung dieses jüngste Urteil zu Gunsten der Redaktion weder respektieren noch praktizieren.

Was das weitere Vorgehen abgesehen von der eingelegten Revision betrifft, so geht in der Redaktion niemand davon aus, dass noch vor einem letztinstanzlichen Urteil aus Erfurt Änderungskündigungen verschickt werden. Der Redaktionsrat seinerseits hat unter Berufung auf das LAG-Urteil vom 5. Mai angekündigt, umgehend nach der Sommerpause die längst überfällige Neuwahl des Redaktionsrats durchzuführen.

Unklar ist nun, ob der Verlag respektiert, dass diese Neuwahl wie gewohnt innerhalb der Redaktionsräume und während der Arbeitszeit stattfindet, oder ob allein diese Frage sich zum Anstoß einer weiteren Auseinandersetzung zwischen Redaktion und Verlag entwickelt. Es bleibt spannend in Sachen Redaktionsstatut des „Mannheimer Morgen“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »