…und dem Volk ein Stück Rundfunkfreiheit gestohlen“
Kritische Anmerkungen zum paraphierten Staatsvertrag über die Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
Der württembergische Löwe mit den badischen Greifschwingen flog über den Bildschirm. Vier Herren mit überaus selbstzufriedenen Gesichtern, aus jedem Knopfloch das Eigenlob blitzend, präsentierten sich nach sieben Sitzungen der Südwestwelt: Intendant Teufel und Intendant Beck, im Nebenberuf Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, zusammen mit den Landesfunkhausdirektoren im Ministerrang Goll und Brüderle stellen den großen Wurf zur ARD-Reform und zur Neuordnung von SDR und SWF vor: Der per Staatsvertrag reglementierte Südwestrundfunk wurde einer kaum nachhakenden JournalistInnenschar selbstgefällig präsentiert. (Sie waren am Vorabend schon gebrieft worden.) Die Bitternis, die aus diesen Zeilen spricht, ist nur zu berechtigt. Hier kommt die Begründung:
Man fragt sich, warum die Herren samt Troß soviel Zeit benötigten. Der paraphierte Staatsvertrag fußt in vielen Punkten auf dem nicht immer glücklichen Intendanten-Papier, das im Wege der Verhandlungen in erheblichem Umfang verschlechtert wurde.
Zum Beispiel bei der Bestands- und Entwicklungs-Garantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kurzerhand schrieben die Politiker im Staatsvertrag die Programme fest und diktieren, daß jede Erweiterung durch sie genehmigt werden muß. Oh du Eigenständigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie sie das Verfassungsgericht in seinem Urteil wegweisend definiert – Beck und Teufel haben die besten Programmgrundsätze aus badischen Rechts-Gefilden aus „ihrem“ Rundfunk ferngehalten.
Keine Teilhabe am multimedialen Diensten und Märkten. Nur forschen und entwickeln darf der Sender. Zum Beispiel DAB und dann seine Ergebnisse der Industrie kostenlos für deren Profite zur Verfügung stellen.
Merke: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG Medien werden das nicht
widerspruchlos hinnnehmen. Alle rechtlichen Mittel werden geprüft .Wenn die Parlamente keine verfassungsrechtliche Weisheit zeigen, muß der Weg nach Karlsruhe möglicherweise beschritten werden. BündnispartnerInnen werden schon gesucht. Auch für Aktionen.
Der Diebstahl eines Stücks Rundfunkfreiheit kann vom Volk nicht hingenommen werden.
Nicht genug der Eingriffe. Da muß der Sender seine Frequenzen von Experten und der Landesanstalt für Kommunikation kritisch unter die Lupe nehmen lassen und jedes überflüssige lokale Frequenzlein dem dualen Rundfunk-, sprich den privaten Rundfunkveranstaltern, zur Ver-fügung stellen. Die gieren teilweise nach lokalen Werbefenstern. Lokale und regionale Werbung ist dem SWR sowieso verboten. Da wissen wir einmal mehr, daß die Politiker aus dem Südwesten keine Freunde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind. Die jetzt paraphierte Konstruktion ist untauglich für eine vernünftige ARD-Reform. Weder der Saarländische Rundfunk noch eventuell der Hessische Rundfunk werden diesen staatlich verordneten Rundfunk wollen
Daß einige kommerzielle Lokalsender auf Kosten der Beschäftigten kaputtgespart werden und Qualität dabei noch mehr auf der Strecke bleibt, interessieren CDU, FDP und Landesregierung nicht. Auch, daß nur ein Landesmediengesetz nach dem Muster Nordrhein-Westfalens dem Privaten Rundfunk im Lande die Existenz und Entwicklung erleichtern würde, wird hartnäckig von den tapferen Medienpolitikern ignoriert.
Immer noch nicht genug: Die Ministerpräsidenten und ihre liberalen Helfer in der zweiten Reihe haben in ihren sieben Sitzungen gleich die Arbeit des Rundfunkrates, der Geschäftsleitung und der Beschäftigten miterledigt. – Zwei hier, zwei da, zwei dort, dann zweimal drei – fertig ist der Programmbrei. Die Programmgestaltung ist Chefsache. Alles klar?
Kein vernünftiger Mensch kann etwas gegen programmlichen Zuwachs in Rheinland-Pfalz haben. Aber, daß die Regionalisierung aus jeder zweiten Zeile des formatierten Radios und des mit getrennten Logos auftretenden dritten Fernsehprogrammes herausspringt, läßt die Befürchtung wachsen, daß das vortreffliche Programm-Prinzip der Nähe auch zu kleinkarierter Berichterstattung führen wird.
Warum zum Beispiel dem zweiten Kultur-Programm die lokalen und regionalen Fenster staatsvertraglich versagt sind, ist schwer nachvollziehbar.
Ein kleiner verfassungsrechtlicher Hinweis an die ignoranten Medienpolitiker an der Landesspitze: Der SDR ist siegreich vom Karlsruher Verfassungsgericht zurückgekehrt, als es um das Radio Stuttgart (lokales Fenster im Programm SDR1) ging. Wer läuft schon mit den Verfassungsgerichtsurteilen unterm Arm herum.
Auch der Jugend im Wilden Süden wird ein erfolgreiches Programm beschnitten: SDR 3. Nach dem Willen der Programm-Macher Teufel und Beck wird SDR 3 auf das Sendegebiet des Regierungsbezirkes Stuttgart begrenzt. Der Teufel steckt im Detail: Da, wie schon erwähnt, lokale und regionale Werbung und Sponsoring dem SWR untersagt sind, stellt sich die Frage, ob SDR 3 überhaupt existieren kann. Oder darf der SWR-Landesrundfunkrat das „Erlebnisgebiet Stuttgart“ bis nach Heidelberg ausdehnen?
Genug ist nicht genug: Nicht nur die Rundfunk-Entwicklung liegt an der Kandare, das Programm ist im Griff; nun kommt der dritte Streich: In Mainz und Stuttgart residieren jeweils ein „starker Landesfunkhausdirektor“; je nach Parteipräferenz.
Im Klartext heißt das, daß sich die beiden Ministerpräsidenten einen nach ihrem Zuschnitt genehmen Unterintendanten geschaffen haben, der Haushaltsrechte besitzt, Programme bestimmt im jeweiligen landeseigenen Hörfunk und Fernsehen und vom eigenen Landesrundfunkrat und nicht vom gesamten Rundfunk-rat gewählt wird. Ob das dem Intendanten schmeckt?. Der kann gar nichts dagegen tun, als sich mit den starken Herren arrangieren. Daß diese neue Leitungsebene eine zusätzliche Hierarchie gegenüber dem real existierenden SDR und SWF darstellt und zusätzliches Geld kostet, stört nicht einmal Herrn Oettinger von der CDU-Landtagsfraktion im Ländle. Obwohl der, und nicht nur er, kräftige personelle Aderlasse bei der Rundfunkfusion erwartete. Damit wird’s nichts.
Das tut den Beschäftigten schon weh: Gehaltsverzicht in erheblichem Maße bis zum 31. 12. 2000, damit so ein Landesfunkhausdirektor sein stattliches Salär einstreicht. Warum werden die nicht von den Parteien bezahlt?
Leider immer noch nicht Schluß: Die Gremien des SWR:
Regierungsfern? Nein! Haben sich die Parteien etwas zurückgezogen aus Rundfunkrat und Verwaltungsrat? Mitnichten.
Von vierundsiebzig Vertretern beider Gremien sind über zwanzig Prozent aus Partei und Regierung. Leider wurden den Nichtwählern in beiden Ländern keine entsprechenden Sitze eingeräumt. Das wäre noch eine Reform wert – garantiert regierungsfern!
Auch die Zusammensetzung der gesellschaftlich relevanten Gruppen (die Vertreter in den Rundfunk-, Verwaltungs- und Landesrundfunkrat entsenden dürfen) ist nicht auf der Höhe der Zeit und schon gar nicht Standard des Jahres 2000: Vertriebenen- Verbände gibt es immer noch, die Unternehmer-Organisationen sind zahlreich vertreten. Die Gewerkschaften dürfen sich um ihren Sitz prügeln. Die ArbeitnehmerInnen-Vertreter wurden mit Sitz und Stimme im Landesrundfunkrat vergessen. Auch der Personalrat von Baden-Baden darf – im Gegensatz zu den Personalräten in Mainz und Stuttgart (Landesfunkhäuser!?!) – keine Vertreter mit Sitz und Stimme in die Gremien entsenden.
Auch hier erwarten wir, daß wie in den vorangegangnen Punkten das letzte Wort noch nicht im Staatsvertrag steht.
Die Parteien zum Beispiel, verantworten künftig ihre eigenen Programme im SWR. Da werden sich nicht nur die sogenannten Republikaner freuen.
Kommen wir zum Schluß: Gut ist, daß die Tarifverträge fürdie Beschäftigten und der Ausschluß von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen bis zum 31. 12. 2000 gesichert sind. Wir haben das teuflische Ministerwort gehört. Auch die Zahl der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Honorare wurden von der IG Medien tarifvertraglich gesichert. Soweit sind wir mit dem SWR einverstanden. Wir stehen zu un-
serem Beschäftigungs-Bündnis mit und für den neuen Sender.
Aber Mitbestimmung für die Angestellten und so manches andere notwendige Reförmchen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde erst gar nicht zugelassen.
Weiterkämpfen lohnt sich. Denn der Rundfunk gehört dem Volk und nicht der Regierung. Das müssen wir jetzt so vielen wie möglich deutlich machen. Auch in den Parlamenten.