Die Rundfunkpolitik ist jetzt am Zug

Manfred Kloiber ist Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes Deutschlandradio Köln und Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien in ver.di Foto: Murat Tueremis

Aufatmen – der Rundfunkbeitrag ist verfassungskonform! Damit haben die obersten Richterinnen und Richter in Karlsruhe ein weiteres Mal dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Rücken gestärkt. Denn eine sichere Finanzierung ist und bleibt das Fundament jeder guten Arbeit. Das wurde vom Bundesverfassungsgericht mit einer neuen Argumentation für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk untermauert.

Die Verfassungsrichter begründen die Existenz von ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht mehr allein mit dem Grundversorgungsauftrag in einer Demokratie, sondern auch mit der Sicherstellung der „nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegenden“ Vielfalt in der Rundfunkberichterstattung. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbes durch große amerikanische Plattform-Konzerne wie Amazon, Facebook oder Netflix ist diese Feststellung geradezu existenzsichernd für die öffentlich-rechtlichen Anbieter. Sie stärkt ihnen den Rücken für das, was in den nächsten Jahren folgt. Das ätzende politische Versteckspiel um die ausreichende und bedarfsgerechte Finanzierung der Sender erhält durch das Urteil erneut einen Dämpfer und wird hoffentlich in die richtige Richtung gelenkt. Daran ändert auch die Kritik der Richter nichts, dass für Zweitwohnungen kein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist, da dies nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren sei. Hier muss vom Gesetzgeber nachgebessert werden. Gleichwohl sinken dadurch wahrscheinlich die Einnahmen. Der Druck, den Beitrag in der nächsten Periode nach 2020 anzuheben, wächst. Diesem Druck haben sich viele Rundfunkpolitiker bislang nicht gestellt, sondern ihn der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes (KEF) und den Sendern aufgebürdet. Weder wollen sie – aus Angst vor den politischen Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – einen angemessenen Rundfunkbeitrag in den Länder-Parlamenten durchsetzen, noch wollen sie klare Ansagen über einen nach Kassenlage reduzierten Auftrag des Rundfunks machen.

Stattdessen verlangen sie Sparanstrengungen noch und nöcher. Davon können die Beschäftigten ein Lied singen, denn in den Sendern wird dieser Druck vor allem nach unten weitergegeben. Programme wie Stellen werden gestrichen, Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach nicht mehr beschäftigt – es kracht an allen Ecken und Enden! Davon bekommt das Publikum und scheinbar auch die Medienpolitik kaum etwas mit – allein wegen der hohen Professionalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich an ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag gebunden fühlen.

Das Urteil ist also vor allem ein Auftrag für die Rundfunkpolitik – jetzt endlich die Arbeit anzugehen, für klare Verhältnisse zu sorgen und den Rundfunkbeitrag zukunftssicher zu machen. Den ewigen Kritikern von der AfD und aus interessierten neoliberalen Kreisen hat das Verfassungsgericht mit dem Urteil die richtige Antwort gegeben.

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