Journalisten angemessen vergüten

Tabea Rößner, Medienpolitikerin im Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen
Foto: Bundestag

Gespräch mit Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

M | Eine Medienpolitik „von Großen für Große” urteilten Sie vor vier Jahren über die medienpolitischen Vorhaben der Großen Koalition. Sehen Sie sich in dieser Befürchtung bestätigt?

Tabea Rößner | Die GroKo hatte Großes vor, aber sie ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Die an sich begrüßenswerte Bund-Länder-Kommission hat die eigentlichen Themen gar nicht angepackt. Etwa den Komplex der Intermediären, die Plattformregulierung. Die Frage, wie bindet man Netzwerke ein, eine Plattform wie zum Beispiel Facebook, die ja große Marktmacht hat und damit auch Meinungsmacht. Das Gleiche gilt für Intermediäre wie Google. Da vermisse ich den Mut, ein Unternehmen wie Google anzugehen, die Frage nach der Neutralität dieser marktbeherrschenden Suchmaschine zu stellen. Stattdessen kommt jetzt im Kontext der Hate-Speech-Debatte ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz um die Ecke, das nach Ansicht vieler die Meinungsfreiheit tendenziell bedroht. Auch beim Urheberrecht hat die Koalition trotz der jahrelangen Beratungsschleife mehr schlecht als recht geliefert. Und für Journalisten und Kreative hat sie keine Verbesserungen auf den Weg gebracht, dabei gäbe es hier wirklich einiges zu tun, etwa bei den Arbeitsbedingungen und den Vergütungsstrukturen.

Kernstück der Digitalen Agenda ist ein zügiger Breitbandausbau. Kritiker werfen der Koalition technologiepolitisches Versagen vor!

Das ist ein richtiges Armutszeugnis. Nach vollmundigen Ankündigungen, den Breitbandausbau voranzutreiben, hat man sich von der Telekom in die Tasche stecken lassen, hat ein Vectoring zugelassen, das den Glasfaserausbau verhindert. Blockiert wird also die von allen Experten als zukunftsfähig und nachhaltig angesehene Technologie. Ordnungspolitisch ist es für den Bund längst geboten, seine Telekom-Anteile zu verkaufen. Den Erlös wollen wir in den Ausbau des Glasfasernetzes stecken. Solange man selbst noch Miteigner ist, besteht kein Interesse an einem fairen Wettbewerb. Auch in Sachen E-Governance und freiem W-Lan im öffentlichen Raum hinkt Deutschland im europäischen Vergleich deutlich hinterher.

Im Bereich Rechtspolitik wurden diverse Gesetze verabschiedet, die aus der Sicht von Medien­organisationen bedrohlich sind, etwa das BND-Gesetz und die Vorratsdatenspeicherung. Ist die liberale Rechtsordnung in Gefahr?

Das kann man schon so sagen. Das BND-Gesetz hat im Nachhinein die massenhafte Überwachung legalisiert. Das zeigt, dass man aus den Erfahrungen mit den Snowden-Enthüllungen nicht wirklich gelernt hat. Wenn aus Gründen der Terrorabwehr Geheimnisträger, darunter Journalisten, nicht von der Vorratsdatenspeicherung ausgenommen werden, dann ist das natürlich eine Gefahr für den Rechtsstaat. Journalisten müssen frei recherchieren können. Der Quellenschutz ist extrem wichtig. Ohne Informantenschutz kein investigativer Journalismus! Deswegen brauchen wir auch den Schutz für Whistleblower. Und ein Presseauskunftsgesetz von Journalisten gegenüber Bundesbehörden. Aber bei all dem blockt die Koalition ab.

2013 wurde auf Druck der Verlegerlobby im Hauruckverfahren das umstrittene Leistungsschutzrecht eingeführt. Nach jüngsten Meldungen ist bei den Verlagen bis heute kein Cent angekommen, sie müssen sogar draufzahlen. Ist das Gesetz unterm Strich ein Rohrkrepierer?

Das Gesetz war von Anfang an schlecht gemacht. Es greift nicht, beschäftigt nur Gerichte, Anwälte, kostet Geld, aber es kommt nichts dabei rum. Geschweige denn, dass die Urheberinnen und Urheber davon profitieren. Das Sinnvollste wäre, dieses Gesetz abzuschaffen und stattdessen darüber zu diskutieren, wie denn eine sinnvolle Förderung von Journalismus im Netz, unabhängig und staatsfern organisiert, aussehen könnte.

Sinnvolle Förderung von Journalismus im Netz klingt wenig konkret. Welche Ideen haben die Grünen?

Das ist ein sensibler Bereich. Natürlich wollen Journalisten und Verlage unabhängig und staatsfern arbeiten. Deswegen verbieten sich direkte staatliche Zuschüsse. Man sollte verschiedene Modelle ausprobieren und sehen, was funktioniert. Anders als die USA haben wir in Deutschland weder eine derart ausgeprägte Stiftungskultur noch ein starkes Mäzenatentum. Es gibt vereinzelte Pflänzchen, wo Crowdfunding ausprobiert wird. Auch Spendenmodelle oder die Gemeinnützigkeit von Journalismus könnten eine Möglichkeit sein. In der Politik wird darüber aber leider kaum diskutiert.

Welche drei Kernprojekte werden Sie angehen, falls die Grünen an der nächsten Regierung beteiligt sein sollten?

1. Wir müssen die Weichen für die digitale Welt stellen. 2. Die Arbeitsleistung von Journalistinnen und Journalisten muss angemessen vergütet werden. Es kann nicht angehen, dass ein großer Teil dieser für das Funktionieren unserer Demokratie wichtigen Profession unter prekären Verhältnissen lebt. 3. Ich wünsche mir eine engagiertere Verteidigung der Pressefreiheit, in Deutschland und anderswo. Hierzulande werden Journalisten auf Pegida- und AfD-Demonstrationen tätlich angegriffen. Die Politik äußert sich dazu zu wenig. Angesichts der Situation der Medien in der Türkei darf Deutschland nicht wegen der Rücksichtnahme auf Flüchtlingsabkommen wegschauen. Auch in Polen und Ungarn steht es nicht gut um die Pressefreiheit. Als zentrale politische Kraft in Europa sollte Deutschland mit darauf einwirken, dass europäische Werte eingehalten und nicht verletzt werden.

 

 

 

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