30 Jahre Herbsttreffen der Medienfrauen von ARD, ZDF, ORF
„Frauen auf Draht machen Druck“, „Gemeinsam bleiben wir lästig“ oder „ohne uns wird Euch Hören und Sehen vergehen“: Die Titel der ersten Jahre künden vom „Ende der Bescheidenheit“ gegenüber massiver Frauenbenachteiligung in Sendern und Programm. Heute, im Jahr 2007, sieht frau das moderater. „Junge Talente oder aus Erfahrung gut“ heißt das Motto, zu dem vom 5. bis 7. Oktober beim Hessischen Rundfunk (HR) in Frankfurt rund 250 Medienfrauen von ARD, ZDF und ORF, zusammenkamen, um den Dialog zwischen jungen, älteren und alten Kolleginnen selbstbewusst und zukunftsorientiert zu führen.
Dass der Fortschritt häufig immer noch als Schnecke daherkommt, zeigten die obligatorischen Berichte aus den Sendern. Leitungsfunktionen sind trotz manch erfreulicher Positionierungen von Frauen immer noch mehrheitlich männlich besetzt, die Einrichtung von Betriebskindergärten zieht sich hin. Antidiskriminierung, Gleichstellung oder gar Geschlechtergerechtigkeit sind weiterhin Aufgaben, um die gerungen werden muss.
Wie ungelöst das Problem, Beruf und Familie zu vereinbaren, heute im Rundfunk und anderswo immer noch ist, machte eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Wie weiblich ist die Zukunft?“ deutlich. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth setzte sich vehement für eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Krippenplätzen ein, finanziert von Bund und Kommunen. Sie kritisierte die bayerische Elterngeld-Forderung. Die Managerin Regine Stachelhaus, wunderte sich, „warum in vielen europäischen Ländern Frauen mit kleinen Kindern völlig problemlos ihrem Beruf nachgehen, nur hier nicht.“ Woran das liegen könnte, machten die anwesenden Herren in der Runde deutlich. Der eine erzählte, dass er „nur Töchter“ habe, der andere wusste „von gestörten Kindern, wo die Mutter nicht genügend zu Hause war“. Die Autorin Susanne Fröhlich empfahl den jungen Kolleginnen deshalb: „Augen auf bei der Partnerwahl!“ Vereinbarung von Beruf und Familie, so die Schlussfolgerung, muss nicht nur strukturell gelöst werden, sondern auch in den Köpfen.
„Saure Gurke“ kreiert
Highlight des Treffens war die „Festrede“. Ute Mies-Weber, Gleichstellungsbeauftragte der Deutschen Welle und eine der Frauen der ersten Stunde. Sie konnte in Wort und Bild belegen, wie viel dennoch in diesen 30 Jahren erreicht worden ist. In den Führungsetagen von ARD und ZDF gab es in den Anfangsjahren lediglich eine einzige Frau unter 130 Männern. Für die Programme, so die legendäre Küchenhoff-Studie von 1975, galt: „Männer handeln, Frauen kommen vor“. Eine Untersuchung über die Situation der Mitarbeiterinnen im WDR legte mit Daten und Fakten das Ausmaß der Frauenbenachteiligung offen. Gründe genug, dass Frauen in den Sendern sich zusammenschlossen und, unterstützt von der damaligen Mediengewerkschaft RFFU, Kontakte untereinander knüpften.
Das erste Herbsttreffen fand 1978 in Frankfurt statt, damals noch in einer Jugendherberge. Bereits 1979 beim Berliner Treffen arbeiteten die Medienfrauen an einem Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz. Mit der Empörung über das miese Frauenbild im Fernsehen wurde die „Saure Gurke“ kreiert, die nun alljährlich für ein prägnantes Beispiel frauenfeindlichen Fernsehens verliehen wird.
Die Forderung nach „Frauenförderung“ wurde zu einem Schwerpunktthema. Aber es dauerte, bis am 1. Dezember 1989 WDR-Intendant Nowottny den ersten Frauenförderplan unterzeichnete und die erste Gleichstellungsbeauftragte berufen wurde. Ab 1883 wurden die neuen Medienentwicklungen thematisiert. Auch die aktuelle Politik beeinflusste die Treffen. „Frauen M(m)acht Europa“ war die Forderung in München 1993. Das Hinzukommen der neuen Sender MDR und ORB regte dazu an, in Leipzig 1996 das „grenzenlose Miteinander“ zu hinterfragen.
Die Treffen in zahlreichen workshops boten auch Möglichkeiten für Weiterbildung und Empowerment. Wie Netzwerken funktioniert oder „schlummernde Potentiale“ geweckt werden, waren Angebote, die hier ebenso ihren Platz hatten wie „die Situation von Migrantinnen“ oder die „Macht des Internets“.
Die mit Spannung erwartete Verleihung der „Sauren Gurke“ traf diesmal die ZDF-Produktion „Lafer! Lichter! Lecker.“ „Der Stammtisch mit seiner klaren Rollenzuteilung hat ein neues Zuhause in der Küche gefunden“, urteilten die Jurorinnen. Ein „Weltspiegel“-Beitrag des BR, musste sich mit einem Trostpreis begnügen. Eine „Gurkenwarnung“ erhielt der NDR, falls er seine Sendung „Im Greisenland“ nicht für die „nächsten 30 Jahre (mindestens) im Archiv versenkt.“
Zum Schluss wurden zwei Resolutionen einstimmig verabschiedet: Wenn ARD-Programmdirektor Struve im kommenden Jahr nach 16 Jahren sein Amt abgibt, „wird es Zeit, dass eine Frau das Ruder übernimmt und die ARD auf einen klaren öffentlich-rechtlichen Kurs steuert.“
„Jung und aus Erfahrung gut“. Unter dem Motto fordern die Medienfrauen die Anstalten auf: „Trotz Stellenabbau muss es gesicherte Beschäftigungsverhältnisse für alle Altergruppen geben, damit der generationenübergreifende Dialog stattfinden kann und die Jungen von den Errungenschaften der Alten profitieren können. Das kollektive Gedächtnis von ARD, ZDF und ORF muss bewahrt, gepflegt und genutzt werden, damit wir neues schaffen können!“