Fünf Landesmedienanstalten diskutierten mit Experten und den Machern von über 200 privaten Sendern beim dritten Lokal-TV-Kongress über die Rolle dieser Mediengattung. Zu deren teils prekärer Lage gab es zwar zahlreiche – auch mit Fakten untermauerte – Klagen am brandenburgischen Schwielowsee. Doch innovative Vorschläge und medienpolitische Bekenntnisse zur Problemlösung rechtfertigten durchaus das selbstbewusste Motto des kleinen TV-Gipfels „Die (Medien-)Zukunft ist lokal!“
Zum dritten Mal hatten die Landesmedienanstalten aus Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen nach Werder bei Potsdam eingeladen, um bei einem Kongress über Lokal-TV in Deutschland zu diskutieren. Mit rund 200 Programmmachern, Vertretern aus Medienpolitik und Medienaufsicht sowie Experten für Technik, Vermarktung und Bildung verzeichnete die Veranstaltung eine Rekordbeteiligung. Eine interessante Mischung aus Vorträgen, Paneldiskussionen, Workshops und Showcases beförderte den Wissens- und Erfahrungsaustausch einer Mediengattung, der Prof. Dr. Frank Fechner von der TU Ilmenau in einem Impulsreferat bescheinigte, sie sei „eine Blume, die im Verborgenen blüht“. Damit sie noch besser wahrgenommen und sich entfalten könne sei durchaus auch eine gesetzlich verankerte Förderung angebracht. Immerhin wachse der aktuelle Produktionsdruck durch soziale Medien und führe mit schrumpfender Personaldecke sowie einem Einbruch des traditionellen Werbemarktes zu wachsenden Problemen für Lokal-TV.
Das ist übrigens – mit Blick auf die Schweiz und andere Länder – eine schon länger vorgetragene Forderung in der deutschen Lokal-TV-Szene. Und wird mittlerweile auch von den großen Privat-TV-Gruppen erhoben mit der Begründung: Man trage schließlich nicht unwesentlich zur gesellschaftlichen Meinungsbildung bei. Dabei fördern die aus öffentlich-rechtlichen Gebührengeldern finanzierten Landesmedienanstalten schon jetzt Lokal-TV. Aber eher indirekt – etwa bei Aus- und Fortbildung, Technik und Verbreitung. Direkte Programmfinanzierung wie bei ARD, ZDF & Co. ist den Privatfunkkontrolleuren beim privaten Lokal-TV untersagt – ebenso wie im Printbereich oder bei Internet-Angeboten. Auch wenn diese durch Digitalisierung und sich rasant verändernde Nutzung geschäftlich unter Druck geraten. Zu „alten“ Problemen gesellen sich also auch neue …
Digitalisierung als Chance auch für kleine TV-Veranstalter
Dass der Umbruch in der Medienbranche nicht nur eine Bedrohung für Lokal-TV ist, verdeutlichten mehrere Experten. So sprach die berlin-brandenburgische mabb-Direktorin Dr. Anja Zimmer von der Digitalisierung als „Chance für kleine TV-Veranstalter, innovative Formate zu entwickeln und junge Zielgruppen besser zu erreichen“. Wichtig sei es, „lokale Inhalte für ein breites Publikum attraktiver zu machen“ und die teure lineare Verbreitung durch neue Ausspielwege zu ergänzen. Crossmediale Workflows seien gefragt und besonders in Zeiten von Fake-News könnte Lokal-TV mit Glaubwürdigkeit punkten.
Schon zur Eröffnung des Kongresses hatte Grit Wißkirchen aus Sachsen, Vize-Präsidentin und Medienrätin der SLM, konstatiert, dass „gerade Lokal-TV als Bindeglied zwischen Gartenzaun und lokaler Berichterstattung dritter öffentlich-rechtlicher Programme sehr wichtig“ sei. Es gehe darum, mit den Branchenvertretern Strategien für die Zukunft zu erarbeiten. Die sah Prof. Dr. Wiebke Möhring von der TU Dortmund in der professionellen Aufbereitung von lokalem Bewegtbild und der direkten Interaktion. Das könne im Social-Media-Zeitalter zu einem wesentlichen Unterscheidungsmerkmal von Lokal.TV werden. Denn: Durch die Alltäglichkeit von Internet mit wachsendem AV-Konsum verliere Lokal-TV seinen bisherigen USP.
Auf die Bedürfnisse der Kunden konzentrieren
Wie das in der Praxis funktioniert, verdeutlichte Ralph Kühnl vom Rhein-Neckar Fernsehen, der sich bei einer Podiumsdebatte zwar als „Fan des Rückkanals“ outete, aber Facebook und seine Algorithmen durchaus kritisch sieht. Sein Zukunftsrezept: Wandel seines Senders RNF zu einem erfolgreich durch Werbung finanzierten, lokalen Nachrichten-TV-Kanal unter Einbindung von Zuschauern als „Bürgerreporter“. Noch weiter gingen Prof. Dr. Katja Nettesheim und Heike Poley von der Beratungsagentur MEDIATE und warnten in ihrer Präsentation zu „Junges Lokal-TV“: „Eine echte Zukunft kann nur jemand haben, der sich stark auf die Bedürfnisse seiner Kunden konzentriert!“. Sie empfahlen dazu eigene Zuschauerbefragungen. Aber deren Umsetzung stößt auch an Grenzen. Denn: Was macht ein Lokal-TV-Sender, wenn dabei herauskommt, dass die Bewohner einer bestimmten Region vor allem deutsche Folklore bzw. Heimatabend, Schönheits- und Gesangswettbewerbe oder Musiktrailer, Miss-Wahlen und Unfälle sehen wollen?
Wie dagegen gutes Lokal-Fernsehen funktionieren kann, verdeutlichten die Beiträge beim Show Case aus den fünf ostdeutschen Bundesländern zum Ausklang des ersten Kongresstages. Die Themen reichten von Flüchtlingsausbildung (Stadtkanal Brandenburg) und Fremdenfeindlichkeit (Oberlausitz TV) über Fahrradkonzert (TV Schwerin) und lokales Kabarett (MDF 1, Magdeburg) bis zu „Weltpolitik in der Provinz“ (Altenburg TV). Besonderen Anklang fand das Magdeburger Angebot, ihre Sendungen allen interessierten Sendern zur Verfügung zu stellen und so den Programmaustausch anzukurbeln – auch über Sachsen-Anhalt hinaus. Mit BLKTV, dem Burgenlandkreis Regional-TV, gibt es einen ersten Kunden, wie die engagierten Macher beim abendlichen Networking versicherten.
Kooperationen anstatt Konkurrenz zu Öffentlich-rechtlichen
Richtig praktisch wurde es am zweiten Tag des Lokal-TV-Kongresses mit seinen vielfältigen Workshops. Dabei ging es u. a. um rechtliche Rahmenbedingungen für Drohnenaufnahmen in Deutschland, Maßnahmen zur Reichweitenerhöhung, Vermarktung und Monetarisierung der produzierten Programminhalte, Fortbildungsangebote sowie neue Produktionsformate und Ausspielwege. Beim Showcase Schweiz tauchte auch die Frage auf, was deutsche Medienpolitik lernen könnte. Statt Konkurrenz mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte es etwa Kooperationen von Dritten der ARD-Anstalten mit privaten Lokal-TV-Sendern bei Vor-Ort-Berichterstattung geben, war eine der Ideen.
Sowohl in den Workshops wie auch am Rande wurden innovative Lösungen präsentiert, wie die Verbreitung und Vermarktung von Lokal-TV im Zuge der Digitalisierung klar verbessert werden kann. So präsentierte Frank Strässle von der Bayerischen Medientechnik (bmt) das Lokal-TV-Portal für Satellit und Antenne. 2012 gestartet, bündelt es kostengünstig Lokal-TV-Angebote aus immer mehr Bundesländern, die dann als Livestream oder Videoabruf mittels HbbTV (Red Button) an mittlerweile 10 Millionen smarten TV-Empfangsgeräten nutzbar sind. Matthias Schmidt von der regiocombo.Deutschland warb für eine gemeinsame Vermarktung von Lokal-TV. Er kooperiert u.a. mit Sebastian Labonte (smart tv market), der mit Klaus Juli (M.E.N.) an einer Smart-TV-Lösung arbeitet, die erfolgreiche YouTuber mit reichweitenstarken AV-Bewegtbild-Angeboten und Lokal.TV kombiniert. Ohnehin sind die größeren Lokal-TV-Sender mit TV-Apps und Mediatheken aktiv und kaum ein Sender kommt mehr ohne eigenen Social-Media-Account aus.
Das Abschlussplenum des 2017er Lokal-TV-Kongresses stellt die Frage „Wie geht´s weiter?“ in den Mittelpunkt. Dabei bot Michael Tallai von der Mediengruppe Thüringen als Regionalzeitungsvertreter den Lokal-TV-Sendern eine Online-Kooperation an. Als positiv konstatierte René Falkner vom Bundesverband Lokal.TV ( BLTV), dass die Sender stärker mit einer Stimme sprechen und die Finanzierungsdebatte an Fahrt aufgenommen habe. Aktives Engagement versprach Bärbel Romanowski-Sühl vom mabb-Medienrat und rief den Lokal-TV-Machern zu: „Haltet durch!“. Allerdings mahnte der Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt TLM, Jochen Fasco, dass sich die lokalen Fernsehmacher nicht nur auf neue Förderung wie „Rettungsboote auf der Titanic“ verlassen sollten: Profilierung als Marke und digitale Modernisierung sei das Gebot der Stunde.