Es ist unbestritten: Die flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen ist eines der wichtigsten Ziele, wenn Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben möchte. Das war auch ein wichtiges Thema auf der „Anga Com“ in Köln, Fachmesse und Kongress für Breitband, Kabel und Satellit. Allerdings wurde einmal mehr klar: Die bisher gesteckten Ziele konnten noch nicht erreicht werden. Und der Weg hin zur Gigabit-Gesellschaft, die bis 2025 hierzulande Wirklichkeit werden soll, ist noch längst nicht geebnet.
„Wir haben das Ziel, 50 MBit flächendeckend anzubieten, noch nicht erreichen können“, zog der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart, direkt zu Anfang des „Breitbandtags“ auf der „Anga Com“ ein ernüchterndes Resümee. Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland haben zwar bereits 83 Prozent aller Haushalte grundsätzlich Zugang zu Internetanschlüssen mit dieser Kapazität, bundesweit sind es aber nur etwa 77 Prozent, in ländlichen Regionen gerade mal 37 Prozent. „Da muss sich noch eine Menge tun“, stellte der Minister fest, „wir brauchen dringend einfache Regeln bei den Förderverfahren für den Breitbandausbau für die Städte und Kommunen.“ Bürgermeister und Landräte beispielsweise müssten sich mit „dicken“ Aktenordnern auseinandersetzen, die alle zwei Wochen auf den neuesten Stand gebracht werden müssten: „Da fasst man sich an den Kopf.“
Das mag auch der Grund dafür sein, dass von den 3,5 Milliarden Euro, die die letzte Bundesregierung im Jahr 2015 als Fördertopf für den digitalen Ausbau bereitgestellt hatte, nur 26,6 Millionen bis Ende Mai ausgezahlt wurden. In konkrete Bauprojekte flossen sogar nur 3,1 Millionen Euro.
Pinkwart wies allerdings auch darauf hin, dass strenge EU-Vorgaben hinsichtlich des Beihilferechts, wenn es um Förderungen geht, die Prozesse erschwerten. Dort, wo schon eine gewisse Infrastruktur vorhanden ist, darf bisher nicht mehr für den weiteren Ausbau gefördert werden. Diese Regelungen würden aber aktuell neu verhandelt und modifiziert, um den bürokratischen Aufwand zu verringern.
Grundsätzlich sei aber die Privatwirtschaft, also Telekommunikationswirtschaft sowie Kabelnetzbetreiber, gefordert, um die weitere Digitalisierung voranzutreiben. Bis 2025 soll so eine Gigabit-Gesellschaft entstanden sein, mit Anschlüssen, die bis zu 1000 MBit bieten. Das wurde von den Teilnehmer_innen begrüßt, zugleich jedoch als ambitioniertes Ziel angesehen, vielleicht zu ambitioniert. Denn dieses Ziel kann letztlich nur durch den Ausbau des Glasfasernetzes erreicht werden. Aber da beginnen die Schwierigkeiten schon mit dem Fachpersonal, das fehlt, um die Vorhaben umzusetzen, wie Anga-Präsident Thomas Braun berichtete: „Uns fehlt zunehmend das Personal. Sowohl im Tiefbau als auch bei den Technikern gibt es große Rekrutierungsprobleme.“
Uneins ist sich die Branche zudem, wenn es um das Thema Regulierung geht. Marktteilnehmer wie Deutsche Telekom oder Vodafone wollen weniger Regulierung für sich selbst, wünschen das aber bei ihren Konkurrenten, damit kein unzulässiger Wettbewerb stattfindet.
„Das Glasfasernetz soll regulativ anders behandelt werden“, beklagte etwa der Leiter Politische Interessenvertretung Regulierung und Bundesländer bei der Deutschen Telekom AG, Marcus Isermann, „die Kabelnetzbetreiber wollen aber, dass die Telekom reguliert wird. Jetzt mit dem Zusammenschluss Vodafone und Unity Media gibt es dafür keine Bedingungen mehr.“
Der Abteilungsleiter Digitale Gesellschaft im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Tobias Miethaner mahnte jedenfalls: „Es ist uns wichtig, dass der Markt in die gleiche Richtung zieht. Für uns kommt es darauf an, dass die Privaten da bauen, wo wir es brauchen, in den weißen und grauen Flächen.“ Mit zehn bis zwölf Milliarden Euro will er „alle weißen Flecken“ fördern: „Auch hier ist das Förderverfahren vereinfacht. Wir werden nur noch in Gigabit-Projekte investieren und haben die Höchstfördersummen auf 30 Millionen Euro erhöht. Das gilt auch für den Ausbau bestehender Infrastruktur.“
Pinkwart schließlich wies auf die Veränderungen der kompletten Lebenswelt hin, sobald die Netze eingerichtet seien: Staus könnten der Vergangenheit angehören, neue Mobilitätskonzepte, die Verbreitung von Home-Office sowie E-Government die Gesellschaft umfassend wandeln. „Aber“, so die Mahnung des Politikers, „wir brauchen auch den Wandel von der Factory 4.0 hin zu Bildung 5.0, damit wir zukünftig weiterhin die Technologie bestimmen und nicht umgekehrt.“
Im Bereich Digitalisierung belegt Deutschland übrigens im europäischen Vergleich Platz elf und siedelt sich damit im Mittelfeld an. Das hat jetzt zumindest eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY ergeben. Frankreich erreicht demnach Platz 17 und Italien Platz 25. Die nordischen Länder Dänemark, Schweden und Finnland führen das Ranking an.