New Yorker Medienaktivsten Yes Men überraschten auch bei der re:publica
Extra zur re:publica sind die beiden US-amerikanischen Medienaktivisten Mike Bonanno und Andy Bichlbaum über den Atlantik gekommen. Berühmt wurden sie als Yes Men. In ihrem Eröffnungsvortrag zeigten sie Videos ihrer letzten Aktionen und stellten neue Projekte vor. Immer wieder haben sie sich – verkleidet und unter falschem Namen – als Vertreter von Unternehmen, Regierungen oder internationalen Organisationen Zugang zu wichtigen Kongressen und Tagungen verschafft.
Zuletzt gaben sich Bonanno und Bichlbaum bei einem Homeland-Security-Kongress in Washington als Vertreter des US-Energieministeriums aus und hielten vor den überraschten Teilnehmern einen Vortrag zu den Folgen des Klimawandels. Dieser werde zukünftig zur Bedrohung für die Sicherheit der USA, weil durch die klimatischen Veränderungen vermehrt mit Aufständen und Unruhen zu rechnen sei, so Bichlbaum zu diesem Vortrag. Neben Admirälen, Offizieren sowie Elitesoldaten der Navy Seals waren auch zahlreiche Vertragspartner amerikanischer Sicherheitsbehörden anwesend. Das Publikum staunte nicht schlecht, als Bonanno und Bichlbaum einen vermeintlichen Plan des Energieministeriums für die Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2030 präsentierten.
Da sie wiederholt mit spektakulären Reden auf Konferenzen für Aufregung gesorgt haben, würden sie immer wieder gefragt, wie es ihnen gelänge, zu hochsensiblen Veranstaltungen Zutritt zu erhalten. Das sei gar nicht so schwer, berichteten die beiden Aktivisten, die damit bereits vielfach Erfahrungen gesammelt haben. Für den Homeland-Security-Kongress hätte man den Konferenzveranstalter mit dem Angebot kontaktiert, den ehemaligen US-Außenminister Colin Powell als Redner zu vermitteln. Kein Veranstalter derartiger Tagungen könne sich so etwas entgehen lassen, „die sind immer an Highlights interessiert“, erzählte Bonanno. Powell kam natürlich nicht, aber als Ersatz würde das Ministerium einen anderen Redner schicken, ließen sie dem Veranstalter mitteilen. Unter dieser gefälschten Identität kamen die Yes Men, und am Ende der Konferenz brachten sie die Teilnehmer sogar dazu, singend einen indianischen Tanz aufzuführen. Alles wurde gefilmt, denn die mediale Präsentation ist Teil ihrer Aktionen.
Zuvor hatten sie die US-Handelskammer ins Visier genommen. Diese gebe täglich rund eine halbe Mio. US-Dollar aus, um die Meinung der Regierung zu beeinflussen, erklärten die beiden Aktivisten. So auch, um einen Gesetzentwurf für erneuerbare Energien zu bekämpfen. Als Vertreter der Handelskammer hielten die Yes Men eine Pressekonferenz zum Klimawandel ab. Sie teilten den verblüfften Pressevertretern mit, die Kammer habe ihren Standpunkt geändert und plädiere jetzt für eine Umstellung auf regenerierbare Energien. Die Handelskammer habe anschließend viel Aufwand betreiben müssen, um das zu dementieren, berichteten die beiden erfreut. Allerdings wurden sie aufgrund dieser Aktion erstmals verklagt, ohne dass es jedoch zu einer Verurteilung kam.
Seit über zehn Jahren geben Bonanno und Bichlbaum mit humorvollen Aktionen Denkanstöße, kämpfen gegen mediale Hegemonien und prangern auf kreative Weise die sozialen Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung an. Eigentlich heißen sie Igor Vamos und Jacques Servin, aber unter den Namen kennt sie keiner. Ihr Erfolg begann mit einer gefälschten Webseite der World Trade Organization WTO. Sie sicherten sich die Internet-Domain gatt.org und imitierten die Internet-Plattform der Welthandelsorganisation. Über diese Webseite erhielten sie zunehmend Einladungen zu wichtigen Konferenzen, die sie für provokative Vorträge nutzten. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die beiden als Professor bzw. Romanautor. Hinter den Kulissen wirkt ein weltweiter Stab von Helfern an den Aktionen mit. Mit dem Yeslab betreibt die Gruppe inzwischen eine Vernetzungsplattform, um Erfahrungen an andere Aktivistengruppen weiterzugeben und sie bei der Gestaltung ungewöhnlicher Aktionen zu beraten. „Ein wesentlicher Punkt, den wir im Yeslab lehren, lautet: Eine Aktion muss von Anfang an dokumentiert werden; der Entstehungsprozess genauso, wie die Aktion selbst“, und das möglichst multimedial, sagte Bichlbaum. „Das macht Aktionen effektiver, denn es entsteht Material, das weiterlebt.“
Mithilfe professioneller Filmemacher haben sie ihre Aktionen verfilmt. So entstanden die Filme „The Yes Men“ von 2003 und „The Yes Men Fix the World“ von 2009, mit denen sie viel Anerkennung und große Erfolge erlangten, unter anderem bei der Berlinale. Zu den bekanntesten Aktionen zählt eine BBC-Nachrichtensendung mit einem vorgetäuschten Schuldeingeständnis für den Chemieunfall in Bhopal durch das Unternehmen Dow Chemical, das die verantwortliche Firma Union Carbide aufgekauft hatte. Bis Dow-Chemical-Sprecher anschließend die Schuldanerkennung dementiert hatten, waren der Aktienkurs des Chemie-Unternehmens im Keller und der Image-Verlust groß.
Nun arbeiten sie an ihrem dritten Film, „The Yes Men are revolting“, der 2015 erscheinen soll. Der Klimawandel spiele in dem neuen Film eine zentrale Rolle, erzählten die beiden Aktivisten im Gespräch mit der M. Gefragt nach den Zielen ihrer Aktionen, sagte uns Bonanno: „Es geht uns um soziale und ökonomische Gerechtigkeit“, und Bichlbaum ergänzte: „Oder ganz simpel um Demokratie“.