Verleger im Aufwind

Niedersachsen zieht beim kommerziellen Lokalfunk nach

Die schwarz-gelbe Landesregierung Niedersachsens will nicht länger hinter anderen Bundesländern zurück stehen und hat deshalb im Juni eine überarbeitete Fassung des neuen Mediengesetzes vorgelegt. Ab Januar 2011 sollen demnach werbefinanzierte Hörfunk- und Fernsehprogramme nicht nur landesweit, sondern auch auf regionaler und lokaler Ebene ausgestrahlt werden können.

Vor allem den Zeitungsverlagen will die Regierung so auf die Sprünge helfen – das Gesetz räumt ihnen Beteiligungen von bis zu 49,9 Prozent ein. Weil gut Dreiviertel aller kreisfreien Städte und Landkreise Niedersachsens sogenannte Ein-Zeitungs-Regionen sind, fürchten Kritiker nun noch weniger Meinungsvielfalt als bisher.

„Der Veranstalter eines lokalen oder regionalen Rundfunkprogramms hat sein Programm auf das jeweilige lokal oder regional begrenzte Gebiet auszurichten“, heißt es im aktuellen Entwurf des Niedersächsischen Mediengesetzes. Dieser Satz, der sich wie eine Binsenweisheit liest, schafft erstmals die rechtlichen Voraussetzungen für den kommerziellen Lokalfunk in Niedersachsen. Gemeint sind Sender, die sich vor allem aus Werbung finanzieren. Pures Kommerzprogramm, wie etwa in den Verkaufsshows von Homeshopping-Sendern, ist eher nicht zu erwarten.
Für Diskussionen um die Novelle sorgt indes nicht so sehr die Art des Programms als vielmehr die Tatsache, in welchem Maße die Verleger daran mitwirken dürfen: Beteiligungen von fast 50 Prozent räumt ihnen der aktuelle Entwurf ein, und damit deutlich mehr als die Mediengesetze anderer Bundesländer. „Die Zeitungsverleger geraten zunehmend in die Defensive, da ihnen die Anzeigenerlöse wegbrechen“, verteidigt Reinhold Albert, der scheidende Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), die hohen Beteiligungsmöglichkeiten. „Die Verlage müssen jetzt in den audiovisuellen Bereich investieren, um mehr Werbeeinnahmen zu erzielen.“ Wie sehr seiner Behörde das Wohl der Verleger am Herzen liegt, zeigt ein Gutachten, dass die NLM erstellen ließ. Daraus geht hervor, dass im lokalen Bereich Werbepotenziale schlummerten, die noch nicht ausgeschöpft seien, erläutert Albert.
Die Gewerkschaften ver.di, DGB und IG Metall halten den Gesetzentwurf in einer gemeinsamen Stellungnahme indes nicht für geeignet, einen „belebteren, noch vielfältigeren und zukunftsorientierten einheimischen Medienmarkt mit gesunden Strukturen“ zu schaffen, wie es darin heißt. „Meinungsvielfalt hat etwas mit Qualität zu tun. Hier aber wird ein Medium geschaffen, das die Verleger vor allem wirtschaftlich stützen soll“, warnt Amadore Kobus, Leiterin des Fachbereichs Medien im ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Die Beteiliungsmöglichkeiten der Verleger von bis zu 49,9 Prozent hält sie für viel zu hoch. Ihre Prognose: Wenn überhaupt, werde sich lokaler Kommerzfunk – ob nun Radio oder Fernsehen – nur in Ballungsgebieten lohnen, wo genügend Geldgeber zu finden sind. Darauf deutet die Situation im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen hin, wo es den kommerziellen Lokalfunk seit 20 Jahren gibt. „Die 46 Radiosender werden von den Verlegern wirtschaftlich als Erfolgsmodell angepriesen“, sagt Jutta Klebon, ver.di-Mediensekretärin aus Düsseldorf.
Unterdessen rückt die Landesregierung in Niedersachsen offenbar nicht von der hohen Beteiligung der Verleger am Kommerzfunk ab. Wohl aber von anderen Zielen. Sah die erste Fassung des Mediengesetzes noch vor, dass sich Bürgermeister und Gemeinderäte am kommerziellen Lokalfunk direkt und mit bis zu 24,9 Prozent beteiligen können, ist im überarbeiteten Entwurf vom Juni keine Rede mehr davon. Die sogenannten Gebietskörperschaften dürfen sich jetzt nur noch mittelbar, also etwa über Medienbeteiligungsunternehmen, einbringen, heißt es dazu aus der Staatskanzlei in Hannover.
Unter Druck geraten dürften jetzt vor allem Bürgerradios und Offene Kanäle, die mit 15 Vollzeit-Sendern an 30 Standorten noch vergleichsweise gut in Niedersachsen vertreten sind. Die Pläne sehen vor, sie künftig nicht in gleicher Weise wie den kommerziellen Lokalfunk zu behandeln. So dürfen beispielsweise die Kommerzsender die ihnen zugewiesenen Frequenzen, einschließlich einer Verlängerung, 20 Jahre, die Bürgersender aber nur zwölf Jahre lang nutzen, bevor sie neu ausgeschrieben werden. Die Richtung steht offenbar fest: Während sich die eine Sendersparte langfristig etablieren soll, behält man sich bei der anderen flexiblere Möglichkeiten für Veränderungen vor.
„Umso besser es den Verlagen wirtschaftlich geht, umso eher werden sie besser bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und umso höher wird die Qualität der Medien werden“, prophezeite Ministerpräsident Christian Wulff im Februar während einer Landtagsdebatte über die Situation auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seines Bundeslandes. Doch deutet die Erfahrung in anderen Bundesländern auf eine zunehmende Kommerzialisierung der Medienlandschaft in Niedersachsen hin, ohne dass es zu nennenswerten Impulsen für mehr Beschäftigung kommen wird. „Wir haben bisher ganz gut ohne den kommerziellen Lokalfunk gelebt“, so Amadore Kobus. „Ich denke, das könnte so weiter gehen. Interessanter wäre es, sich für mehr Vielfalt und Qualität in den bestehenden Medien einzusetzen.“

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