Zypries verpasst Künstlern einen Korb

Günter Grass erneuerte Bölls Ruf nach „Ende der Bescheidenheit“

Glückliche Fügung für Brigitte Zypries, dass der Bundespräsident just am Abend des 17. Januar zum Dinner geladen hatte. Zwar hätte das Fingerfood, das im Magnushaus am Berliner Kupfergraben gereicht wurde, wohl auch ihren Ansprüchen genügt, doch musste sie so weder fachkundige Kritik am Entwurf ihres Ministeriums für einen „Zweiten Korb“ der Urheberrechtsnovelle anhören noch das eindringliche Plädoyer von Günter Grass für die Rechte der Kreativen. Bevor der Literaturnobelpreisträger die Bundesjustizministerin noch zur Kehrwende auffordern konnte, war sie entschwunden.

Brüskiert hatte Zypries die Kreativen aber bereits zuvor. Just fünf Tage vor dem hochkarätig besetzten Symposium der Verwertungsgesellschaft Wort in Berlin präsentierte sie den Medien in der Hauptstadt die Grundzüge ihres überarbeiteten Gesetzesentwurfes für die Kabinettsberatung im Februar. Den „Korb für Künstler“ – so der Titel der VG-Wort-Veranstaltung – bekamen die Urheber also schon im Vorwege verpasst.

Denn ändern soll sich an den ministerialen Plänen eines „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ weder etwas beim Wegfall der Schutzvorschrift über Vereinbarungen für unbekannte Nutzungsarten noch bei der Bindung der Urhebervergütungen für Vervielfältigungsgeräte und Speichermedien an den Verkaufspreis.

Als einziges Zugeständnis an die massive Kritik der Kreativen ist die Ministerin von der totalen Rechteübertragung der Filmurheber und Schauspieler an die Produzenten qua Gesetz („cessio legis“) abgerückt. So hätte sich der VS-Vorsitzende Fred Breinersdorfer, Drehbuchautor und Produzent, seine kurzweiligen Ausführungen zur „gesetzlichen Vernichtung von Autorenrechten im Film“ beim Symposium vielleicht auch sparen können. Dass er es dennoch nicht tat (Zypries war ohnehin lange weg), bescherte dem Abend der VG Wort einen dritten kreativen Höhepunkt.

Den zweiten hatte Heribert Prantl, Innenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, mit seinem launigen Vortrag über die Kopiervergütungen gesetzt. Wenn immer mehr kopiert werde, müssten die Vergütungen an die Urheber (ihr „Arbeitslohn“) eigentlich steigen, konstatierte der Journalist. Doch die Höhe der Vergütungen sei seit zwanzig Jahren festgeschrieben und durch das neue Gesetz sollen die Urheber weniger erhalten. „Mit dem Geld, das den Urhebern zusteht, soll Wirtschafts- und Industrieförderung betrieben werden“, so Prantl. „Das ist Diebstahl.“

„Sobald der Referentenentwurf im Detail überprüft wird, sind es wieder einmal die Künstler, deren Rechte als Urheber beschnitten oder nach ihrem Tod eliminiert werden sollen. Verkehrswidrig fährt der Reformzug in die falsche Richtung“, beschied bereits anfangs Günter Grass. Und fragte unter Bezugnahme auf die Auseinandersetzungen um das Urhebervertragsrecht: „Kann es sein, dass die Bundesregierung eine erneute Kampagne der Verleger mit Großanzeigen fürchtet und bereits jetzt vor der Macht der Lobby kapituliert?“ – Eine Antwort bekam weder er noch sein Auditorium, denn die Vertreterin jener Regierung war ja bereits nach ihrem Grußwortbeschwichtigungsversuch entschwunden.

Schade, denn Grass‘ Rede „Wir Urheber!“ war eine lautstarke Aufforderung an den Gesetzgeber und diejenigen, denen die Kreativität der Urheber zu „Lohn und Brot“ verhilft, „zu allererst über den gesellschaftlichen Stellenwert aller kreativ tätigen Künstler nachzudenken“, bevor sie sich mit Reformen des Urheberrechts befassen.

„Vor dreieinhalb Jahrzehnten hat Heinrich Böll von seinen Mitautoren das ‚Ende der Bescheidenheit‘ gefordert. Wir haben Anlass, diesen Ruf zu erneuern“, resümierte Grass. „Zwar fehlt es uns an Macht, doch als Urheber werden wir das letzte Wort haben.“

 

Weitere aktuelle Beiträge

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »