Blühende Medienlandschaften sucht man in Thüringen vergebens. Die wenigen Zeitungen sind überwiegend fest in der Hand der WAZ-Gruppe. Mit der Spezialisierung auf Kindermedien hat der Freistaat gleichwohl eine interessante Nische erschlossen.
Bernd das Brot, die populäre Puppe aus dem Kinderkanal wie immer übellaunig – das unförmige Kastenweißbrot mit den viel zu kurz geratenen Armen ist im Straßenbild Erfurts allgegenwärtig. Bernd steht für den Erfolg einer Branche, deren Aufstieg in Thüringen mit der Gründung des öffentlich-rechtlichen KIKA vor 13 Jahren begann. Dies war zugleich der Startschuss für die Entwicklung des so genannten Kindermedienlandes Thüringen.
„Man findet hier ‘ne Menge schöner Locations und Motive, kann hier ganz tolle Landschaften bedrehen“, sagt Katharina Rietz, Produzentin von „Schloss Einstein“, der populären KIKA-Internatssoap über Liebe, Freundschaft, Konkurrenz und Stress in der Schule. Der KIKA sei ein Kristallisationspunkt, um den herum sich weitere Kindermedien scharren. Die Unterstützung von Stadt und Land, auch von politischer Seite, macht das Produzieren hier sehr angenehm“ lobt Rietz die Ansiedlungspolitik des Freistaats. Erst kürzlich wurde eine neue „Schloss-Einstein“-Staffel mit 52 Folgen abgedreht.
Produziert wird in den Studios des vor gut zwei Jahren gegründeten Kindermedienzentrums in unmittelbarer Nachbarschaft von MDR und KIKA. Eigentümerin des mit 27 Millionen von der EU geförderten Projektes ist die Landes-Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen – kurz: STIFT. An die 15 Film- und Fernsehproduktionsfirmen sowie Dienstleister haben sich im Kindermedienzentrum bereits angesiedelt. Darunter das Unternehmen Saxonia Media, das neben „Schloss Einstein“ auch Folgen von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ hier produziert und die Kinderfilm GmbH, die anspruchsvolle Kino- und TV-Formate für Kinder und Jugendliche herstellt. Oder die Hamburger Animationsfirma „Trickompany“, – bekannt für Serien und Filme wie „Käpt’n Blaubär“ und „Werner“.
Die Studios sind ausgebucht. „Selbst Optimisten haben nicht mit einem solchen Erfolg gerechnet“, meint STIFT-Geschäftsführer Sven Günther. Die Anfangsphase war viel kürzer als wir dachten. „Wir sind im fest mietbaren Bereich mit einer Vollauslastung gestartet, und auch im temporären Produktionsbereich hat sich das Zentrum inzwischen einen Namen gemacht“, freut sich Günther. Die Erwartungen hätten sich „übererfüllt“.
Spatenstich für Erweiterungsbau
Dass sich diese Erfolgsstory ausgerechnet im kleinen Freistaat Thüringen abspielt, beruht auf einem einfachen Kalkül der Landesmedienpolitiker. Den Markt der klassischen Medien wie Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunk hätten Standorte wie Köln, Hamburg, München und Berlin längst unter sich aufgeteilt. Daher habe man sich auf die Nische Kindermedien spezialisiert. Diese Rechnung ging auf. Für viele Firmen sei es eben „interessant, im Umfeld des Kinderkanals zu produzieren“, sagt Günther. Zum anderen hätten sich die Firmen auf die Arbeit mit Kindern und für Kinder spezialisiert. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, was wir haben, was wir weiter ausbauen wollen.“
Auf Grund des Bewerberandrangs platzt das Kindermedienzentrum bereits aus allen Nähten. Im Herbst erfolgt der Spatenstich für einen Erweiterungsbau, der bis 2011 fertig sein soll. Prominente Neumieter stehen schon auf der Matte: unter anderem die Abteilung Kindermedien des Fraunhofer-Instituts in Ilmenau.
Die vorübergehend aufblühende Presse Thüringens hat sich dagegen längst in monopolisierte Einfalt verwandelt. Zum Beispiel Eisenach: Kurzzeitig existierten nach der Wende in der Wartburg-Gemeinde sieben Tageszeitungen. Doch der Gründungsenthusiasmus der Nachwendezeit erwies sich rasch als Scheinblüte. Der Versuch mittelständischer Westverleger, etwa der Marburger „Oberhessischen Presse“, im Nachbarland Fuß zu fassen, scheiterte rasch an den harten Marktrealitäten. Schon Mitte der neunziger Jahre waren nur noch zwei übrig: Die Thüringer Allgemeine und die Eisenacher Presse, eine Lokalausgabe der Thüringischen Landeszeitung. Doch selbst diese reduzierte Vielfalt täuscht. Beide Blätter erscheinen in derselben Verlagsgruppe, der „Zeitungsgruppe Thüringen“. Man kooperiert miteinander in der Herstellung, beim Vertrieb und beim Anzeigengeschäft. Wettbewerb findet allenfalls im Lokalen statt. 430.000 Zeitungsexemplare werden zwischen Gera und Suhl werktäglich im Schnitt verkauft. Drei Viertel davon stammen aus der Zeitungsgruppe Thüringen, einer Tochter der Essener WAZ-Gruppe. Am Aufstieg der im Branchenjargon als „Konzentrationskrake von der Ruhr“ berüchtigten Gruppe lässt sich beispielhaft zeigen, mit welchen aggressiven Methoden westdeutsche Konzerne nach 1989 die Zeitungslandschaft planierten. Ursprünglich hatte die Treuhandanstalt die Thüringer Allgemeine – ehemals: Das Volk – in Erfurt und die Ostthüringer Nachrichten – ehemals Volkswacht – in Gera 1991 nicht zum Verkauf angeboten. In Übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt wollte die Treuhand einen allzu dominierenden Einfluss der WAZ-Gruppe im 2.3 Millionen Einwohner kleinen Bundesland Thüringen verhindern. Dabei hatten sich die Essener noch zu DDR-Zeiten kurz vor der deutschen Einheit in einer Art wilder Kooperation 50 Prozent Anteile an der Thüringer Allgemeinen (TA) gesichert. Zwecks Vermeidung einer Verhandlungslösung trickste der Konzern die Wettbewerbshüter nach allen Regeln der Kunst aus. Über Nacht brachte er in Gera zum 1. Juli 1991 ein „neues“ Blatt heraus, die Ostthüringer Zeitung (OTZ). Die Redaktion bestand faktisch aus den abgeworbenen Mitarbeitern der alten Ostthüringer Nachrichten. Deren Abonnenten erhielten nun die neue OTZ. Wie es weiter ging, ist dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts unschwer zu entnehmen: „Die Ostthüringer Verlag GmbH war …nicht in der Lage, die Ostthüringer Nachrichten weiter zu publizieren und stellte ihr Erscheinen ein. Das ursprüngliche Vorhaben des Erwerbs von 40% der Anteile an der Ostthüringer Verlag GmbH war damit für die WAZ gegenstandslos geworden. In der Eigengründung der ‚Ostthüringer Zeitung lag kein vom Bundeskartellamt aufgreifbarer kartellrechtlicher Tatbestand, da kein Erwerbsvorgang gegeben war.“
Dieser Vorgang zementierte die dominante Position der WAZ auf dem Zeitungsmarkt Thüringens. Sie beherrscht seitdem die beiden auflagenstärksten Titel, die TA und die OTZ. Verstärkt wird diese Marktmacht noch durch die gleichfalls zur „Zeitungsgruppe Thüringen“ (ZGT) gehörende Thüringische Landeszeitung (TLZ). Die TLZ gilt als einzige noch erscheinende Tageszeitung mit Vollredaktion aus der DDR-Ära, die nicht aus einem SED-Organ hervorgegangen ist.
Die Medienvielfalt jenseits der ZGT-Blätter ist überschaubar. In Suhl, am Südwestrand des Thüringer Waldes, steht der Glaspalast der Suhler Verlagsgesellschaft SVG. Sie gibt die Zeitung Freies Wort heraus, unter gleichem Namen einst die kleinste SED-Bezirkszeitung. Nach der Wende übernahm der Süddeutsche Verlag 1991 einen Mehrheitsanteil von 70 Prozent am Verlag, die restlichen 30 Prozent sicherte sich die SPD-Medienholding DDVG. Doch trotz dieser gediegen liberal-sozialdemokratischen Besitzerstruktur verbindet sich mit dem Titel Freies Wort der längste Arbeitskampf in der deutschen Zeitungsnachkriegsgeschichte.
Erfolgreicher Streik in Suhl
Sechs Wochen lang streikten die Beschäftigen des Blatts im Frühjahr 1996 gegen die radikalen Sanierungspläne des Managements. Dieses versuchte damals, die Redakteursgehälter im Vergleich zu den in Westdeutschland geltenden Tarifen um ein Drittel zu kürzen. Der Arbeitskampf endete mit einem Kompromiss. Ursprünglich war auch der Plan ventiliert worden, den Titel Freies Wort zu liquidieren und das Blatt in der wesentlich kleineren Südthüringer Zeitung (stz) aufgehen zu lassen. Zu dieser ungewöhnlichen Fusion nach dem Motto „Lokalblättchen schluckt Regionalzeitung“ kam es jedoch nicht. Das Manöver, auf diese Weise der Belegschaft des Freien Worts den ungünstigeren Tarifvertrag der stz aufzudrücken, scheiterte. Die im benachbarten Barchfeld hergestellte stz erscheint im Südthüringer Verlag mit einer Verkaufsauflage von gerade mal 17.000 Exemplaren. Die erst 1990 gegründete stz ist faktisch die letzte der zahlreichen Neugründungen, die nach der Wende vor allem durch das Engagement zahlreicher grenznaher Westverlage entstanden waren. Mittlerweile bilden stz und Freies Wort gemeinsam mit der Coburger Neuen Presse und der Frankenpost aus Hof die „Regionalzeitungsgruppe Hof/Coburg/Suhl“ des Süddeutschen Verlags. Die vier Blätter produzieren den überregionalen Mantelteil gemeinsam.
Der Radiomarkt Thüringens ist wie anderswo auch zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern heftig umkämpft. Erster von der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) lizenzierter Privatsender war 1992 in Weimar „Antenne Thüringen“. Drei Jahre später folgte in der Landeshauptstadt Erfurt die „Landeswelle Thüringen“. Nach einer Untersuchung der TLM aus dem Jahr 2008 übertrafen beide Sender ihren lizenzrechtlich festgelegten Informationsanteil von 15 Prozent im Tagesprogramm „deutlich“. Wer jemals mit dem Auto durch das Sendegebiet fuhr, dürfte zumindest gefühlte Zweifel anmelden. Eine weitere Auflage – die Mindestsendezeit für Regionalinformationen – wurde nur von der „Antenne“ erfüllt. Nicht überragend auch das Abschneiden der Konkurrenzsender des öffentlich-rechtlichen Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Zwar schaffte „MDR 1 Radio Thüringen“ mit 20 Prozent den höchsten Info-Anteil aller Sender. Dagegen blieb „Jump“, wie die beiden privaten Platzhirsche auf ein jüngeres Publikum unter 50 Jahren konzentriert, sogar unterhalb der 15-Prozent-Marke.
Die von einem Privatsender kaum unterscheidbare Popwelle „Jump“ blickt auf eine interessante Vorgeschichte zurück. Ihr Vorläufer war die 1992 gestartete, anfangs durchaus erfolgreiche Pop- und Servicewelle „MDR Life“, die sich in Format und Anmutung an privaten Unterhaltungsdampfern orientierte. Spätestens mit dem Sendestart von „Antenne“ und „Landeswelle“ sank der Stern von „MDR Life“. Trotz diverser hektischer Programmreformen siechte das Programm dahin. 1999 schließlich wurde es eingestellt und Anfang 2000 unter dem Namen „Jump“ komplett neu gestartet.