Beim RBB geht es jetzt ans Eingemachte  

Fernsehzentrum des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin. Foto: rbb/Gundula Krause

Schlimmer geht immer. Im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) geht es ans Eingemachte, sprich: an das Programm. 49 Millionen Euro will Interims-Intendantin Katrin Vernau bis Ende 2024 einsparen. Die Misswirtschaft der ehemaligen Geschäftsleitung um Patricia Schlesinger geht vor allem auf Kosten von Programm und Personal. Bis zum 1. 1. 2025 sollen insgesamt 100 Stellen abgebaut werden. ver.di fordert mehr sozialen Schutz für Freie und in der Inflation angemessene Gehalts- und Honorarerhöhungen.

Schon bei ihren beiden Auftritten im Haushaltsausschuss des Brandenburger Landtags hatte Vernau „deutliche Einsparungen“ angekündigt. Auf einer Belegschaftsversammlung am 22. Februar gab sie jetzt Details für die „Neuaufstellung“ des RBB bekannt. Insgesamt 49 Millionen Euro müsse der Sender bis zum Ende der laufenden Beitragsperiode (Ende 2024) einsparen. Allein 41 Millionen beziehen sich auf die von der ehemaligen Intendanz nicht vorschriftsmäßig zurückgelegten Beiträge. Dazu kommen weitere rund acht Millionen Euro, die für 2023/24 als Einsparziel durch die Ex-Geschäftsleitung zwar vorgesehen, aber nicht mit entsprechenden Maßnahmen unterlegt waren.

„Diese Kurskorrektur ist ein Kraftakt, aber dringend erforderlich“, bekräftigte Vernau. Ohne entschiedenes Handeln würde man „spätestens Ende 2024 in einen finanziellen Abgrund blicken“.  Dann wäre die Zahlungsfähigkeit des Senders gefährdet. Mit den vorgesehenen Maßnahmen stehe der RBB „auf wirtschaftlich solider Basis“ und sei „programmstrategisch für die Zukunft gut aufgestellt“.

Als „Taktgeber“ der Sparmaßnahmen werde die Programmdirektion ihre Ausgaben gegenüber der bisherigen Planung bis Ende 2024 allein um 21 Millionen Euro senken. Beim Fernsehen will sich der RBB auf die Kernsendezeit zwischen 18 und 22 Uhr konzentrieren. Nicht angetastet werden die Nachrichtenflaggschiffe RBB24 Abendschau und RBB24 Brandenburg aktuell. Für Sendungen wie „Thadeusz“ oder „Studio Orange“ sieht es dagegen schlecht aus. Erhebliche Einsparungen erwartet Vernau vom Verbleib der Federführung für das Studio Warschau beim Westdeutschen Rundfunk (WDR).  Das Studio war aus Prestigegründen von Schlesinger erst im September 2022 zum RBB geholt worden.  Ebenso wenig aus eigener Kraft leisten könne sich der RBB die weitere Finanzierung des ARD-Mittagsmagazins im Ersten. Über neuen Konditionen für eine Fortführung des MM wird es Gespräche zwischen ARD und ZDF geben. Immerhin: Die Regionalstudios in Cottbus und Frankfurt/Oder bleiben erhalten.

Deutlich sinken sollen die Personalkosten, und zwar um knapp elf Millionen Euro bis 2024. Nach den Plänen Vernaus werden „bis zum 1. Januar 2025 insgesamt 100 Stellen abgebaut“. Diese Zielmarke soll erreicht werden durch den bereits verhängten Stopp zur Nachbesetzung von Stellen sowie durch den Abbau von Stellen, die in der Ära Schlesinger außerhalb des regulären Plans aufgebaut worden waren. Auch die Geschäftsleitung wird verkleinert, von bisher vier auf zwei Direktionen. Eine eigenständige juristische Direktion entfällt. Gleichzeitig soll die im ARD-Vergleich überdurchschnittlich hohe Anzahl an außertariflich Beschäftigten „perspektivisch um die Hälfte verringert“ werden. AT-Verträge unterhalb der Direktorenebene sollen ausschließlich Leiter- und Leiterinnen der RBB-Hauptabteilungen erhalten.

Künftig sollen die RBB-Programmangebote „primär für die nonlineare Nutzung“ produziert werden. Davon profitieren dürften folglich neben RBB24 Digital die Angebote in der Mediathek, Audiothek und auf Drittplattformen. Verstärkt werden soll zudem die regionale Berichterstattung aus Brandenburg. Das Studio von RBB24 Brandenburg aktuell wird „auf den neuesten Stand gebracht“.

Die Produktions- und Betriebsdirektion senkt ihre Budgets 2023/24 um sieben Millionen Euro. Gewährleistet bleiben sollen der Ausbau der IT-Sicherheit sowie Investitionen in neue Technologien. Beim Gebäudemanagement werden rund zehn Millionen Euro eingespart, unter anderem durch den Verkauf von einigen Immobilien und Grundstücken. Dank mobiler Arbeit (= Homeoffice) erwartet die Geschäftsleitung mittelfristig eine Reduzierung der Büroflächen um 25 Prozent.

Vernau lobte die „intensive Zusammenarbeit“ bei der Beratung dieser „strategischen Weichenstellung“. Alle Beteiligten hätten „frei von Bereichsegoismen an einem Strang“ gezogen. Jetzt seien alle Mitarbeiter*innen gefragt, diesen neuen Rahmen mit kreativen Ideen und Programmimpulsen gemeinsam zu gestalten.

Bei den Beschäftigten löste das Sparprogramm dagegen Empörung aus. „Nach der heutigen Belegschaftsversammlung hat das Vertrauen weiter gelitten“, sagte die zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling. Es fehle ein „klares Signal an die Belegschaft, neben dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen auch auf Beendigungen von freier Mitarbeit zu verzichten“. Gleichzeitig sei durchgesickert, dass die seit Monaten geführten Tarifverhandlungen über einen Bestandsschutz für langjährige freie MitarbeiterInnen eingestellt werden sollen. Dies sei „für den RBB fatal“. Ver.di fordere daher, „die weit gediehenen Verhandlungen dazu weiterzuführen“. Die Mitarbeitenden benötigten neben sozialem Schutz „auch Gehalts- und Honorarerhöhungen, die die unteren und mittleren Einkommen in der Inflation stärken sowie den Abbau von Ungerechtigkeiten im Honorierungssystem“ bedeuten würden, so Kathlen Eggerling.

Am morgigen Donnerstag werden die Tarifverhandlungen für Gehälter und Honorare beim RBB fortgesetzt. Das erste Angebot hatte der Sender kurz vor Weihnachten 2022 unterbreitet. Es lautete auf 1,9 Prozent Steigerung bei einer Laufzeit von zwei Jahren, und zwar erst zum 1. Juni 2023. Dieses „Angebot“ hatten die Gewerkschaften als „unterirdisch“ zurückgewiesen. Zur zweiten Verhandlungsrunde am 26.1. war die Geschäftsleitung mit leeren Händen und ohne Verhandlungsmandat erschienen. Tags darauf traten die Beschäftigten in einen ganztägigen Streik.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Habets lädt ein zum gemeinsamen Streamen

ProSiebenSat.1-Vorstandschef Bert Habets schlägt den Aufbau einer gemeinsamen Streaming-Plattform öffentlich-rechtlicher und privater Anbieter vor. Es gehe nicht um einen Wettbewerb der beiden Systeme, sondern um den gemeinsamen Wettbewerb „gegen die Flut der Desinformation“, sagte Habets auf einem Symposium der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) am 22. März in Berlin. ARD-Vorsitzender Kai Gniffke signalisierte Gesprächsbereitschaft.
mehr »

Zwölf Jahre Lager für Journalistinnen

Zwei leitende Journalistinnen des belarussischen Internet-Nachrichtenportals tut.by wurden in Minsk zu je zwölf Jahren Straflager verurteilt. Die Schuldsprüche ergingen am 17. März 2023 gegen Chefredakteurin Maryna Zolatava und Geschäftsführerin Ljudmila Tschekina, wie Reporter ohne Grenzen (RSF) jetzt informierte. Tut.by war bis zu den Massenprotesten gegen Diktator Alexander Lukaschenko im August 2020 das größte unabhängige Medienunternehmen in Belarus und die wichtigste Nachrichtenseite des Landes.
mehr »

Astrologie und Punkrock

Die Schwedin Liv Strömquist ist eine der einflussreichsten Comiczeichnerinnen. Die Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“ über die Kulturgeschichte der Vulva gilt manchen als moderner feministischer Klassiker. Ihr neues Buch handelt von Astrologie: Strömquist macht sich darin ausgiebig über die Eigenheiten der Sternzeichen lustig. Im Interview mit M erzählt sie, wie sie zu diesem Thema gefunden hat, wie Punk, Underground-Comics und ihr Studium ihren Stil geprägt haben und welche Frage sie in Interviews heute nicht mehr hört.
mehr »

Filmtipp: „Erfundene Wahrheit“

Daniel Sagers Dokumentarfilm „Erfundene Wahrheit“ bringt den Fälscher-Skandal um den „Spiegel“-Reporter Claas Relotius in die Streamingdienste. "…Er trägt eine schusssichere Weste, automatisches Gewehr, Nachtsichtgerät, irgendwann drückt er ab…" – Claas Relotius, Deutschlands bekanntester Reporter, wusste, was in einer schönen Reportage nicht nur über Amerikaner nahe der mexikanischen Grenze stehen muss. 
mehr »