Crew Tech für eine grüne Filmbranche

"Der konkrete Impuls zur Initiative Crew Tech kam dann durch die Finanzierung von 100.000 Euro als neunmonatige Wirtschaftsförderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), genauer gesagt durch seine Mittelstandsinitiative", sagt Crew Tech-Projektkoordinatorin Janine Golisano
Foto: Tizian Stromp

Film- und TV-Produktionen in Deutschland arbeiten selten wirklich nachhaltig. Die Initiative „Crew Tech“ möchte das ändern und bringt dafür Profis aus unterschiedlichen Branchen zusammen. Ein Jahr lang wurde die Non-Profit-Initiative des Branchennetzwerks Crew United vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Nun wird Crew Tech selbstorganisiert weitergeführt. Für M sprach Gunter Becker mit Projektkoordinatorin Janine Golisano.

Crew Tech-Projektkoordinatorin Janine Golisano
Foto: Crew Tech

M | Frau Golisano, Ihre Initiative Crew Tech bohrt ein dickes Brett. Das Projekt arbeitet an der Übernahme nachhaltiger und grüner Technologien aus verschiedenen anderen Branchen in die Film- und TV-Industrie.

Janine Golisano | Beim Branchennetzwerk Crew United sind Green Shooting (auf deutsch „grüner Dreh“, Anm.d.Red.) und Nachhaltigkeit schon lange ein Thema. Der konkrete Impuls zur Initiative Crew Tech kam dann durch die Finanzierung von 100.000 Euro als neunmonatige Wirtschaftsförderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), genauer gesagt durch seine Mittelstandsinitiative. Ziel von Crew Tech ist es, das Thema Nachhaltigkeit branchenübergreifend zu beleuchten. Denn gerade die Film- und TV-Branche führt ja oft ein Nischendasein und ist wenig mit anderen Industrien verzahnt, hat also nur sehr wenig Knowhow-Austausch.

Und die Branche muss aufholen beim Thema Nachhaltigkeit. Film- und TV-Produktionen stehen im Ruf, wenig nachhaltig zu sein. Zuletzt haben Kritiker den enormen CO2-Fußabdruck des Cannes Festivals kritisiert.

Um nicht zu sagen, die Branche ist oft genug eine wahre Dreckschleuder (lacht). Die sprichwörtliche Beschreibung “außen hui – innen pfui” könnte hier nicht treffender sein. Die Frage ist aber natürlich, ob Kunst alles darf. Dabei gibt es ja bereits viele Instrumente für mehr Nachhaltigkeit. Etwa CO2-Rechner, oder den grünen Drehpass der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), oder kommunale Auflagen wie etwa in Berlin. Derzeit wird auch gerade an einem nationalen grünen Drehpass gearbeitet. Und trotzdem ist die Branche noch weitgehend “schmutzig”.

Was hat Crew Tech in den neun Monaten seiner Arbeit von August 2018 bis Mai 2019 erreicht?

Wir haben thematische Hotspots und ein branchenübergreifendes Netzwerk mit über 30 Menschen aufgebaut. Menschen, die etwa Crew Tech-Mitglied Katrin Richthofer, Geschäftsführerin des Studienzentrums für Filmtechnologie an der HFF München, mitgebracht hat. Dazu Leute aus Branchen, die der Filmindustrie thematisch nahestehen – etwa dem Messebau, der Bauwirtschaft, oder der Energiewirtschaft. Automobilzulieferer haben wir wegen ihrer Kenntnisse von Materialien dazugeholt. 

Wie geht es jetzt, nach der neunmonatigen Förderphase, ganz konkret weiter? Gründet sich aus der Initiative ein eingetragener Verein, eine GmbH oder eine Genossenschaft?

Das wird passieren. Die Organisationsform ist aber noch nicht geklärt. Momentan liegt der Fokus auf einer Plattform für einen “Wissensflow” in Sachen Nachhaltigkeit. So haben sich z.B. einige Schauspieler für ein Manifest zum Verzicht auf umweltverschmutzende Privilegien, etwa Inlandsflüge und Einzeltrailer, zusammengeschlossen. Solche Dinge sind ja oft auch eine Sache von Prestige und des Bewusstseins für das, “was steht mir zusteht”.

Ein anderer Bereich dieses Wissensflows sind Technologien. Oft ist das Herrschaftswissen. Etwa bei Generatoren. Verleiher haben 100 kW-Generatoren in den Garagen. Was aber muss man beim weniger energieintensiven Einleuchten mit LEDs beachten? Natürlich, dass ich keinen 100 kW-Generator auf 20 kW Last laufen lassen kann, weil er sonst verrußt. Wo kann ich dafür zwischenschaltbare Batteriespeicher leihen? Wie kann ich Verleiher unterstützen, solche anzuschaffen? Solche Informationen müssen offengelegt werden.

Welche Instrumente gibt es sonst noch?

Konjunktur haben aktuell “grüne Berater*innen”, also Spezialist*innen, die Produktionen mit  Handlungsempfehlungen begleiten, bezüglich der Energieeinsparung, der Müllvermeidung, dem Recycling von Bauten, dem Wiederverkauf von Anschaffungen. Filmdrehs sind ja oft wie große Campingplätze, die ganz schnell auf- und wieder abgebaut werden, ohne dass darüber nachgedacht wird, wie man das nachhaltig erledigen kann.

Unsere Crew Tech-Teilnehmerin Katja Schwarz etwa berät in ihrem Netzwerk „Tolle Idee!“ zu ökologischer Filmproduktion. Diese Plattform hat auch einen Katalog mit Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Departments und Gewerke erarbeitet. Der basiert auf dem „Code of Best Practices for Sustainable Filmmaking” der American University in Washington und wurde bereits 2010 auf Initiative der „Odeon Film“ ins Deutsche übertragen. Er wird kontinuierlich weiterentwickelt, auch um die Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit. Crew Tech will hier mitwirken und dieses Wissen transparent machen.

Gibt es Produktionsfirmen im Crew Tech-Netzwerk, die nach Ihrer Beobachtung bei dem Thema bereits besonders weit sind?

Ja, die gibt es. Etwa Sony Pictures Deutschland: Dort sind Aurel Beck und Maria Spisic sehr aktiv, was die klimafreundliche Produktion betrifft. Sony ist hinter dem Thema her und sorgt mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog dafür, dass seine TV-Serien “grüner” werden. Auch Sky, hier in München, hat für seine Produktionen “grüne” Vorgaben. Es sind vorrangig Private, deren CEOs das fordern.

Die öffentlich-rechtlichen Sender, finanziert aus unseren Geldern, müssten – auch als Förderinstanzen – bei dem Thema viel weiter sein. Aber positiv ist: Die Branche steht auf und will etwas ändern. Toll wäre es, wenn Crew Tech alle grünen Initiativen, Bemühungen, Erfahrungen in der Branche bündeln könnte, damit Green Shooting leichter wird.


Das nächste Crew Tech-Treffen findet am 5. Juli 2019 an der HFF statt, Interessent*innen wenden sich an mail@crewtech.media

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »