Ippens Content-Mix digital aus Frankfurt

Die Zentralredaktion von Ippen Digital München
Foto: Ippen

Mit Gewerkschaften und Tarifbindung nach wie vor wenig am Hut  

Am 1. März startet die neu geschaffene „Ippen-Digital Zentralredaktion Mitte“ mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Online-Portale aller hessischen Zeitungen der Ippen-Gruppe werden von dort ab 5. März mit regionalen Beiträgen versorgt. Jan Ippen, Gründer und Mitgeschäftsführer von Ippen-Digital in München, sieht in dem Netzwerk die Zukunft eines nachhaltigen Online-Publishings. Das „Erfolgsmodell“ wird nun auf Frankfurt übertragen.

Die beiden Chefredakteure von Ippen-Digital teilen sich ab 1. März ihren Job neu auf: Markus Knall leitet neben der Digital-Redaktion in München nun auch die in Frankfurt, und Thomas Kaspar löst Arnd Festerling als Chefredakteur der Frankfurter Rundschau (FR) ab. Gemeinsam mit Bascha Mika steht er ab 1. März an der Spitze der Redaktion, ein Hinweis auf das künftige Gewicht des Online-Journalismus in der FR. Ippen-Digital (ID) hat in den letzten Jahren nach eigenen Angaben das reichweitenstärkste Netzwerk regionaler Nachrichten-Websites aufgebaut. Die Zentralredaktion in München beliefert bundesweit die Portale von Tageszeitungen mit Beiträgen verschiedener Formate, darunter den Merkur und die tz in München. Von der breiten Öffentlichkeit blieb dies bis vor kurzem unbemerkt. Erst nachdem im Dezember 2018 bekannt wurde, dass die Ippen-Mediengruppe in Frankfurt eine neue zentrale Online-Redaktion für ihre hessischen Verlage schaffen will, richtete die Medienbranche einen genaueren Blick auf das ID-Konzept. Wohl auch, weil die Redaktion verkündete, 2018 die Marke von 200 Millionen Klicks geknackt zu haben.

Idealfall führt zur Finanzierung von Online-Portalen

Ursprünglich war ID Onlinedienstleister für diverse Tageszeitungen und Anzeigenblätter der Ippen-Mediengruppe, hinzu kamen andere Tageszeitungen, die sich an das Netzwerk andockten. Grundlage des Konzepts war ein von Jan Ippen entwickeltes Content Management System, das den Netzwerkteilnehmern ermöglichte, sich gegenseitig zu verlinken. Folgend stiegen die Beiträge im Google-Ranking, was wiederum höhere Anzeigenschaltungen nach sich zog. Im Idealfall können sich auf diese Weise Portale refinanzieren. Für Jan Ippen ist dies ein für die Branche nachhaltiges Erfolgsmodell: „Ich bin ein Technik-Nerd, kein Journalist. Deshalb fällt es mir auch leichter, das große Ganze des Internets zu sehen. Die Zeitungsverlage sind heute nur noch ein kleines Rädchen im Getriebe des Online-Publishing.“ In der Tat äußern sich viele Medienexperten skeptisch, ob der Online-Bezahljournalismus die kleinen Verlage retten kann. Im Zweifelsfall kommt es zu weiteren Fusionen oder Aufkäufen von Mediengruppen, deutlich aktuell bei DuMont.

Visionen und der Traum von maximaler Verlegerfreiheit

Jan Ippen, Sohn des Verlegers Dirk Ippen, sieht sich als Visionär für die Zeitungsverlage: „Sie sollen endlich eine Rolle in dieser Welt finden, in der Google, Facebook & Co. versuchen, den Journalismus neu zu erfinden. Und wir wissen nicht, welche Angreifer mit welchen neuen Technologien noch kommen.“ Bis auf einige Nischenprodukte im Printbereich, habe der Journalismus nur online eine Zukunft, sagt Ippen und ergänzt: „Die Verlagshäuser hatten bisher keine Vision, wie sie sich finanziell tragen. Uns geht es darum, die Zukunft des Online Publishings nachhaltig zu gestalten. Davon profitieren letztendlich auch die Beschäftigten.“

Deren Interessen werden allerdings von den Gewerkschaften vertreten, und warum sitzen sie nicht mit am Tisch? „Was soll ich verhandeln, wenn ich die Zukunft des Marktes nicht kenne? Der verändert sich ständig, deshalb brauche ich die maximale Freiheit, um schnell darauf reagieren zu können“, meint Ippen. Aus seiner Sicht schleppten die Gewerkschaften, ähnlich wie die Verlage, alte Strukturen mit sich herum. „Es geht ihnen primär um den Bestandserhalt. Der Ballast der Vergangenheit verhindert aber, an der Zukunft des Journalismus zu bauen.“

Generell verstehe Ippen allerdings die Belange der Gewerkschaften. Dagegen spricht jedoch, dass es bei ID bis heute keinen Betriebsrat gibt, und die Vergütung der Redakteur*innen intransparent ist. Für ihn bilde der Tarif eine „alte Denkweise“ ab. „Eine hohe Spezialisierung in einem harten Arbeitnehmermarkt führt im Sinne der Beschäftigten zu mehr als wettbewerbsfähigen Löhnen, auch ohne aktuelle Tarifbindung“, davon ist Ippen überzeugt. „Die Leute wissen, dass man bei uns einen guten Job hat.“ Dies habe sich auch anhand der Bewerberzahlen auf die Ausschreibung der Stellen in der neuen Frankfurter Zentralredaktion gezeigt.

Genaue Arbeitsbedingungen noch unklar

Aus den Fluren von Frankfurter Rundschau (FR) und Frankfurter Neue Presse (FNP) hört man nun Gegenteiliges: Es habe eben nicht ausreichend Kandidaten gegeben. Beide Blätter gehören zu den Zeitungen, deren Webportale von der zentralen Frankfurter Online-Redaktion künftig beliefert werden. Wie viele der bisherigen Online-Redakteur*innen der FR und der FNP sich beworben haben, dringt nicht nach außen. Unabhängig davon, dass die FNP bereits im Juni 2018 aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen ist, haben jüngere Online-Redakteur*innen beider Zeitungen teilweise für kleine Tochtergesellschaften gearbeitet, die schon vorher tarifflüchtig waren. Vermutlich ist für alle der Kolleg*innen die heutige Rechtslage ihrer alten Verträge unklar. Auch sind die Arbeitsbedingungen für die Betroffenen in der künftigen Redaktion nicht einschätzbar. In den im Januar stattgefundenen Bewerbungsgesprächen sollen alle unterschiedliche Angebote für künftige Arbeitsverträge erhalten haben.

Auch wenn die Beschäftigten heute noch nicht wissen, wie sich die neue Redaktion ab 5. März zusammensetzen wird, soll sie in Vollbesetzung aus insgesamt 30 Mitarbeiter*innen bestehen, gemeinsam in einem Großraumbüro der FNP. Die Redakteur*innen arbeiten nicht für die klassischen Themen-Ressorts, sondern zum Beispiel für Lokales, Video und Special Interest. Ihnen werden Portal-Manager sowie SEO- und Analytics-Spezialisten zur Seite gestellt, die sich um Reichweiten und die Nutzerdaten kümmern. Ohne die, so Ippen, könne man sich heute nicht mehr auf dem Markt behaupten. „Wir arbeiten konsequent nutzerorientiert. Durch Datenerhebung können wir anhand der Userprofile die Redaktion, auch bei der Erstellung von Inhalten, unterstützen.“

Auf jeden Fall sollen zusätzlich weiter Beiträge aus der Print-Redaktion geschaltet werden. Der Gießener Verleger Max Rempel, Miteigentümer und Chefredakteur der FNP hatte verkündet, die verschiedenen Portale der Ippen-Gruppe in Hessen würden als eigenständige Marken weiterbetrieben und entwickelt werden. Die FR soll sogar zu einer stärkeren linksliberalen Stimme in Deutschland ausgebaut werden. „In der Frankfurter Digital-Redaktion entsteht ein Content-Mix, von konservativ bis linksliberal. Die jeweilige Marke wird entsprechend bedient. Und eine gute Story aus Hessen wird bundesweit publiziert“, sagt Ippen.

Boulevardisierung lokaler Berichterstattung

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier machte ID den Vorwurf, zu stark mit Klickködern (Clickbaiting) zu arbeiten. Headlines wie „Mann schüttet kochendes Öl auf Kripo-Beamte und Hausmeister“ sind unter „Verschiedenes“ in einer Tageszeitung kaum zu finden und weisen einer Boulevardisierung der lokalen Berichterstattung zukünftig den Weg. Jan Ippen sieht das anders: „Clickbaiting ist ein notwendiger Mechanismus, um Nutzungsintensität zu erzeugen, so kann guter Journalismus finanziert werden, und an den glauben wir weiterhin.“ Ein Boulevard-Beitrag, millionenfach angeklickt, würde so einen Artikel mit gesellschaftpolitischen Content für nur 30 000 Nutzer ermöglichen. „Wir wollen alle am Ende des Tages das journalistische Niveau der Frankfurter Rundschau anstreben, müssen jedoch erst einmal die finanzielle Grundlage dafür schaffen.“

 

 

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