Krasser Kahlschlag bei „Bild“

Berliner Verlagsgebäude
Foto: Axel Springer Verlag

Wirklich überraschend kommt die Nachricht vom bevorstehenden dramatischen Kahlschlag bei Springers „Bild“ nicht. Bereits Ende Februar hatte Vorstandschef Mathias Döpfner im Rahmen der strategischen Zielsetzung „Digital only“ weitreichende Umbaupläne angekündigt, inklusive deutliche Einsparungen und Stellenabbau. Doch die am 19. Juni von „Bild“-Chefin Marion Horn der geschockten Belegschaft erläuterten Maßnahmen laufen nach Lage der Dinge mittelfristig auf einen Abschied vom Journalismus hinaus.

Es sei „völlig klar, dass es eines Tages keine gedruckte „Bild“-Zeitung, keine gedruckte „Welt“ und überhaupt keine gedruckte Zeitung mehr im Hause Axel Springer geben wird“, hatte Döpfner seinerzeit vage prognostiziert. Offensichtlich kommt der erst seit drei Monaten amtierenden neuen Chefredakteurin Marion Horn der Job zu, schon jetzt die damit verbundenen Grausamkeiten zu verkünden. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ sollen Arbeitsplätze im „niedrigen dreistelligen Bereich“ entfallen. Sechs von 18 Regionalausgaben werden demnach gestrichen, zehn von derzeit 15 Regionalbüros bis zum Jahresende geschlossen.

Zentralisierung bei Springer

Offenbar setzt der Konzern auf straffe Zentralisierung. Alle regionalen Leitungsfunktionen sollen entfallen. Nachrichten-Reporter berichten künftig an einen neuen „Digital-Regio-Verantwortlichen“ in Berlin. Entfallen sollen im Zuge des Stellenabbaubaus perspektivisch „die Funktionen der Redaktionsleiter, Blattmacher, Korrektoren, Sekretariate und Foto-Redakteure“, heißt es in einer schriftlichen Mail an die Beschäftigten. Was von dem Versprechen, betriebsbedingte Kündigungen möglichst zu vermeiden und sozialverträgliche Lösungen zu finden, zu halten ist, bleibt abzuwarten. Ein entsprechendes Freiwilligenprogramm habe man bereits im März mit dem Betriebsrat eingeleitet.

Ursprünglich hatte es geheißen, dass Journalist*innen vom bevorstehenden Kostenabbau verschont bleiben sollen. Davon scheint nur keine Rede mehr zu sein. Man müsse sich, so die Mail des Springer-Vorstands, „leider auch von Kollegen trennen, die Aufgaben haben, die in der digitalen Welt durch KI und/oder Prozesse ersetzt werden oder sich in dieser neuen Aufstellung mit ihren derzeitigen Fähigkeiten nicht wiederfinden“.

Kündigung als Unternehmensstrategie?

Ver.di hatte die Sparpläne Springers von Beginn an als „abgehobene Unternehmensstrategie, die Renditeerwartungen bedient“, verurteilt. Trotz Inflation, Energiekrise und Ukraine-Krieg hat der Konzern 2022 bei einem Jahresumsatz von 3,9 Milliarden Euro mit einem Gewinn von einer Dreiviertelmilliarde Euro gut verdient. Aber nach dem Einbruch der Print-Auflagen der Bild- und Welt-Gruppe steuert das einst größte Zeitungshaus Europas immer mehr auf einen „Konzern mit Profitcentern“ zu, die überwiegend aus Digitalplattformen wie Immo-Net und Stepstone bestehen.

Wer diesen Kahlschlag mit der Digitalisierung des Journalismus und dem zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz begründe, werfe durchschaubar mit „Nebelkerzen“, kritisiert Ver.di-Bundesvorstand Christoph Schmitz. Digitaler Journalismus erfordere wegen der Vielzahl von Ausspielwegen eher mehr Kolleg*innen in den Redaktionen. Und der Einsatz von KI könne „nicht die menschliche Kreativität, Einordnung von Recherchen und publizistische Verantwortung übernehmen, für die Journalistinnen und Journalisten stehen“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ein Plädoyer fürs Zuhören

Zuhören, Gehörtwerden, den Dialog auf Augenhöhe führen – das sind Schlagworte unserer Zeit, Leerformeln der politischen Rhetorik. Mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sprachen wir über journalistisches Zuhören, BigTech und den Sofortismus der Sozialen Medien.
mehr »

Presse-Versorgung hält hohes Zinsniveau

Die Vertreter*innenversammlung der Versicherten der Presse-Versorgung hat beschlossen, die Gesamtverzinsung für das Jahr 2026 im dritten Jahr in Folge beizubehalten. Damit behauptet die Presse-Versorgung erneut ihre Spitzenposition im deutschen Lebensversicherungsmarkt.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »