Kampf um Marktanteile

Schulbuchverlage bauen weiter Arbeitsplätze ab

Im Mai genehmigte das Bundeskartellamt dem Schulbuchverlag Westermann (Braunschweig) die Übernahme des kleineren Verlags Bildungshaus Eins (Köln). Für die rund 250 Beschäftigten in Braunschweig hat der Kauf Folgen: Zum Jahresende sollen 20 entlassen und die Sparte Berufsbildung mit zwei Abteilungen geschlossen werden. Die Aufgaben werden nach Köln verlagert. „Wir befürchten, dass dies erst der Anfang ist“, sagt Lutz Kokemüller, ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie Niedersachsen-Bremen.


Verhandlungen für einen Sozialplan bot der Arbeitgeber zunächst an, machte dann einen Rückzieher. Das Angebot von ver.di, einen Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag abzuschließen, hat die Arbeitgeberseite bisher abgelehnt. Dafür liegen bei der Geschäftsleitung offenbar die Nerven blank: Nach einer Betriebsversammlung, auf der der Betriebsratsvorsitzende über die angekündigte Teilbetriebsschließung informierte, wurde von der Arbeitgeberseite eine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragt. Der Vorwurf: Er habe seine Neutralitätspflicht verletzt und eine arbeitgeberfeindliche Stimmung erzeugt. Das Gericht wies den Antrag Ende August ab.
Bei etlichen Beschäftigten von Westermann werden die jetzigen Vorgänge böse Erinnerungen wecken: Vor rund zehn Jahren hatte Westermann von Holtzbrinck die Schulbuchholding „Das Bildungshaus“ übernommen. Sechs Schulbuchverlage wechselten damals den Eigentümer, die bekanntesten sind Schroedel (Hannover) und Moritz Diesterweg (Frankfurt/Main). Zusätzlich erwarb Westermann den Schöningh Verlag (Paderborn). Auch damals wurden scheibchenweise Arbeitsplätze abgebaut, Aufgaben von einem an den anderen Standort verlagert.
Auch Konkurrent Cornelsen plant einen massiven Stellenabbau bis zum Jahresende: Von rund 1.000 Beschäftigten sollen 250 gehen. Nach Medienberichten wurden 200 Aufhebungsverträge angeboten, bis Ende Juli hätten 174 unterschrieben, rund 50 würden freiwillig gehen, zusätzlich ungefähr 30 betriebsbedingt gekündigt werden.
Im Jahr 2010 musste bei Langenscheidt (München) der erste Sozialplan für rund 40 Beschäftigte abgeschlossen werden, der Verlag war ins Schlingern geraten. Anschließend wurden mehrere Tochterunternehmen verkauft, der Standort Leipzig mit 60 Beschäftigten komplett geschlossen. Laut Buchreport sank der Umsatz von rund 90 im Jahr 2007 auf 55 Millionen Euro im Jahr 2011. Die Zahl der Beschäftigten sei im gleichen Zeitraum von 405 auf 149 reduziert worden – Tendenz sinkend, aktuell soll Langenscheidt unter 100 Mitarbeiter beschäftigten. Zu Beginn des Jahres übernahm der Klett-Verlag (Stuttgart) den Geschäftsbereich „Erwachsenenbildung und Schule“. Im Januar arbeiteten dort noch 39 Beschäftigte, etliche von ihnen sind zum jetzigen Zeitpunkt freigestellt. Sie verlassen das Unternehmen auf Grundlage des Sozialplanes, der noch unter der Langenscheidt KG ausgehandelt worden war. „Nach dem Verkauf gingen noch einmal ein Drittel der Arbeitsplätze verloren“, sagt Ertunç Eren, ver.di-Gewerkschaftssekretär in München. Übrig bleiben wohl noch 23 Beschäftigte.

Weitere aktuelle Beiträge

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »