Knapp 30 Millionen Euro will der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) im nächsten Jahr einsparen. Das entspricht rund fünf Prozent des Gesamtetats. Besonders der Kulturbereich ist von den Kürzungen betroffen. Allein der Jahresetat des Kulturradios soll ab 2021 um zehn Prozent schrumpfen. Auch die Programmstruktur wird sich ändern. Wie meist bei solchen Rotstiftaktionen dürfte es vor allem die freien Mitarbeiter*innen treffen.
Verkündet wurden die Einsparungen von RBB-Intendantin Patricia Schlesinger nur einen Monat nach ihrer Wiederwahl durch die Rundfunkrat. Nach Bekanntgabe der Pläne argwöhnte die Freienvertretung in einem Brief an die RBB-Intendantin, die Einsparungen sollten wohl auf Kosten einer „gut recherchierten und spannenden Berichterstattung über kulturelle und gesellschaftliche Debatten“ gehen. Befürchtungen, die sich offenbar bewahrheiten.
Im Management-Sprech des Senders liest sich das so: „Mit neuen Formaten und veränderten Workflows will rbb Kultur einer veränderten Audionutzung und den verschiedenen Ausspielwegen im Radio und im Digitalen Rechnung tragen und auch jüngere Zielgruppen gewinnen.“
Veränderte Workflows
Geplant ist eine komplette Neuorganisation der Programmdirektion. Sie gruppiert sich im nächsten Jahr um vier sogenannte „Contentboxen“ für die Bereiche Information, Gesellschaft, Sport und Kultur. Feste Rubriken werden weitgehend abgeschafft. Die Inhalte sollen künftig flexibel von den jeweils aktuellen Themen abhängen.
Neue Formate – das sind in der Kultur unter anderem die Debattensendung „Der zweite Gedanke“, ein „alltagsphilosophischer Podcast“ namens „Rasend langsam“ und manches andere. Bereits Mitte September wurden Sendeschema und redaktionelle Strukturen umgestellt, das Musikprofil um Neo-Klassik und Filmmusik erweitert. Bis Dezember sollen ein neues Sounddesign und digitale Formate folgen.
Schon gestrichen
Programmelemente wie „Geschmackssache“, „Das Porträt“, „CD der Woche“, „The Voice“, diverse Ausgaben der „Kulturnachrichten“, von „Kultur aktuell“ und des programmlichen Urgesteins „Kulturtermin“. Auf der Strecke bleiben offenbar vor allem personal- und rechercheintensive Formate. Ob sich mit derlei Maßnahmen junge Hörer*innen gewinnen lassen, ohne die älteren Stammhörer zu verprellen? Der Altersdurchschnitt beim Kulturradio liegt bei 61,6 Jahren. Anders als bei früheren Programmreformen gab es diesmal so gut wie keine Proteste.
Intendantin Schlesinger versicherte unlängst im Rundfunkrat, „mittelfristig“ wolle der Sender „nicht weniger Kultur im Programm haben, sondern – über alle Ausspielwege – mehr, und in noch besserer Qualität“. Dies erinnere, schrieb die Taz „an die bizarren Argumentationsfiguren großer deutscher Verlage, die die Entlassungen von Redakteuren mit der Ankündigung verknüpfen, der Journalismus im Hause werde künftig ‚noch besser‘“. Vom Rundfunkrat, der die Intendantin erst Anfang September ohne Gegenkandidaten wiederwählte, ist nennenswerter Widerstand nicht zu erwarten.
Konsequenzen für Freie
Die Freienvertretung schätzt die Zahl der „arbeitnehmerähnlichen“ Freien bei RBB Kultur auf mehr als 80. Viele von ihnen sind wirtschaftlich abhängig vom RBB. Feste Freie können immerhin maximal drei Jahre lang – je nach Dauer und Volumen der Beschäftigung – mit Ausgleichszahlungen rechnen. Vom Sender ist zu hören, man werde seiner „Sozialverantwortung“ im vorgeschriebenen Umfang gerecht werden. Derzeit finde in den einzelnen Redaktionen ein „intensives Monitoring“ statt, berichtet Freiensprecher Christoph Reinhardt. Moderator*innen würden“ ausgesiebt“. Nicht alle von Umbesetzungen Betroffenen seien flexibel genug, um von einer Welle zur anderen – etwa zu Inforadio – zu wechseln.
Als „absolut indiskutabel“ bezeichnet die Freienvertretung die Ankündigung der Geschäftsleitung, wonach die Hälfte künftiger Honorarerhöhungen von den Redaktionen in Zukunft aus dem Etat finanziert werden soll. Im Klartext heiße dies: „Die Freien bezahlen sich ihre Tariferhöhungen also zur Hälfte selbst – durch den Verlust der entsprechenden Aufträge.“ Inzwischen forderte die Vertretung die Intendanz schriftlich auf, „von dieser einseitigen Belastung der Freien abzusehen und zügig Alternativen zu entwickeln“.
In diesem Zusammenhang mahnen die Freien auch die Umsetzung des vor einem Jahr ausgehandelten Honorarrahmen-Programms an. Er sieht die sukzessive Angleichung der Honorare „auf Augenhöhe“ mit den Gehältern der festangestellten Kolleg*innen vor. Vor der Einführung lag die Differenz im Schnitt bei rund 20 Prozent, moniert die Freienvertretung. Nach einem Jahr Laufzeit sei dieses Gefälle zwar um ein Viertel reduziert worden. Jetzt aber stockt der Angleichungsprozess. Jede weitere Tariferhöhung, ließ die Geschäftsleitung durchblicken, sei gekoppelt an die noch nicht ratifizierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags.