Leistungsschutzrecht: eine offene Baustelle

Das Gesetz zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage hängt weiter in der Luft. Der Entwurf per Schnellschuss kurz vor der Sommerpause wurde bereits unter anderem von ver.di scharf kritisiert. Denn die Interessen der Urheberinnen und Urheber sind völlig unzureichend darin berücksichtigt. Die nun vorliegende überarbeitete Fassung verärgert nun selbst Verleger und Google gleichermaßen. Suchmaschinen stehen jetzt als die alleinigen Adressaten des Gesetzes da. Die Rede ist gar von einer „Lex Google“.

Dem neuen Entwurf zufolge sei nur „ein Schutz vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen erforderlich“. „Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Rechtsanwaltskanzleien, Blogger oder private beziehungsweise ehrenamtliche Nutzer“, würden nicht erfasst.
Für Google-Sprecher Kay Oberbeck ein klarer „Eingriff in die Informationsfreiheit“, der „Deutschland weltweit isolieren würde“. „Presseverlage profitieren in erheblichem Umfang von Suchmaschinen und anderen Online-Diensten. Alleine durch Google werden pro Minute 100.000 Klicks auf Verlagsseiten weiter geleitet.“ Google fordert deshalb einen runden Tisch mit allen Beteiligten im Kanzleramt.

Willkür und Inkonsequenz.

Die Verleger werfen dem Gesetzgeber bei dem neuen Entwurf Inkonsequenz vor. Ein solches Gesetz „ließe diejenigen vollkommen außer Acht, die mit den digitalen Inhalten der Verlage missbräuchlich Geschäfte machen. Das wäre ein Freifahrtschein für die Aggregatoren, die schon jetzt die Verlags-Internetseiten absaugen, um damit Geld zu verdienen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger vom 30. Juli 2012 in Berlin. Selbst aus den Reihen der Regierungskoalition kommen Zweifel, gilt der Entwurf offenbar als nicht ausgereift. So erscheint Unionsfraktionsvize Günter Krings beispielsweise die Einschränkung „recht willkürlich“ (heise online). Für die Opposition gehört der Entwurf „in die Mottenkiste“ (Tabea Rößner, Grüne). Zudem handele es sich um ein „verfassungswidriges Einzelfallgesetz“ (Bruno Kramm, Piraten). Die SPD spricht sich gegen ein wettbewerbsrechtlich begründetes Leistungsschutzrecht für Presseverleger aus. Sie wolle dagegen prüfen, „ob ein urheberrechtlich begründetes Leistungsschutzrecht für Journalisten die Stellung der angestellten und der freiberuflichen Journalisten gegenüber den Verlagen und Suchmaschinenbetreibern“ stärke, hieß es im Arbeitskreis „Digitale Gesellschaft“ der SPD Schleswig-Holstein im Juni.
Inzwischen soll das Bundesjustizministerium nach MEEDIA-Informationen (14.8.) an einem dritten Entwurf des Leistungsschutzrechts arbeiten. Danach sollen nun wieder wie im ersten Entwurf vorgesehen News-Aggregatoren und als Folge vermutlich auch Unternehmen zahlungspflichtig werden. Ein Ende dieser Gesetzes-Odyssee ist nicht abzusehen.

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